Forum Archaeologiae - Zeitschrift für klassische Archäologie 78 / III / 2016

DER SURVEY AUF DEM TOÇAK DAĞI IN DER NÖRDLICHEN CHORA VON LIMYRA (LYKIEN)

In der nördlichen Umgebung der antiken Polis Limyra/Zẽmuri in Ostlykien wird seit 2013 ein archäologischer Oberflächensurvey durchgeführt. Ziel der Forschungen ist es, den Bergstock des Toçak Dagı, bislang weitgehend terra incognita, erstmals eingehender zu untersuchen. Auf diese Weise sollen Erkenntnisse über die Nutzung und historische Entwicklung der nördlichen Chora Limyras in der Antike gewonnen werden und ein Beitrag zur Erforschung der Siedlungsgeschichte Limyras geleistet werden.
Auf dem Südgipfel des Toçak Dagı (1197m) befindet sich eine befestigte Höhensiedlung: Ihre Befestigungsmauer umschloss als unregelmäßiges Fünfeck das ca. 2800m2 große Gipfelplateau. Der Nordschenkel war mit vier Türmen bewehrt und besaß ein Tor in Form eines axialen Mauerdurchlasses. Die Mauern bestehen aus lokal gewonnenen und grob behauenen Kalksteinblöcken und trugen wohl ursprünglich einen Aufbau aus vergänglichem Material. Mauertechnik und Oberflächenkeramik lassen auf die Errichtung der Anlage in klassischer Zeit schließen. Aufgrund der starken Erosion haben sich nur wenige Reste der ursprünglichen Binnenbebauung erhalten. Eine etwas unterhalb der Siedlung befindliche, ca. 7ha große Geländeterrasse wurde offenbar landwirtschaftlich genutzt.
Auch auf dem Nordgipfel (1220m) haben sich die Reste einer stark verstürzten Befestigungsanlage erhalten, die als unregelmäßiges Viereck den ca. 700m2 großen Gipfelbereich einfasste. Fragmente von Dachziegeln und Gefäßkeramik geben Hinweis auf eine ursprüngliche Binnenbebauung. Die topographische Situation legt nahe, dass die Anlage gemeinsam mit der nahen Höhensiedlung in klassischer Zeit errichtet wurde und als Festung bzw. Wachposten zu interpretieren ist: Von hier lassen sich die Flusstäler des Aykır Çayı (Arykandos) und des Alakır Çayı weit nach Norden hin überblicken. Die Anlagen im Gipfelbereich des Toçak Dagı waren ein bedeutendes Element des Verteidigungskonzeptes von Limyra in klassischer Zeit.
Der Koruca Tepe (335 m) ist ein östlicher Ausläufer des Toçak Dagı am Talausgang des an der Grenze zur östlich von Limyra gelegenen Chora von Rhodiapolis gelegenen Alakır Çayı. Auf halber Höhe seines Südosthanges befindet sich ein klassischer Herrensitz. Unterhalb konnte eine ländliche Streusiedlung mit weiteren klassischen Gehöften, die Ölproduktion betrieben, dokumentiert werden.


Den Gipfelbereich des Koruca Tepe nimmt eine befestigte, ca. 0,9ha große Siedlung ein, deren Untersuchung 2015 begonnen wurde. Die Befestigungsmauern lassen mehrere Bauphasen erkennen: Die Mauertechnik der ältesten Abschnitte spricht für eine Errichtung in spätklassischer oder frühhellenistischer Zeit. Grund für die Wahl des Siedlungsplatzes war die günstige strategische Lage: Von dieser Stelle konnten die wichtige Route durch das Tal des Alakır Çayı kontrolliert und die Grenze der limyräischen Chora gegenüber Rhodiapolis gesichert werden. Mehrere Zisternen (Abb.) und eine Kirche bezeugen eine Nutzung zumindest bis in die Spätantike, in der auch die Befestigungsmauern teilweise erneuert wurden.
Die bisherigen Kampagnen haben gezeigt, dass der Bergstock des Toçak Dağı in der Antike bis in die Gipfellagen besiedelt war. Sowohl die Siedlung im Gipfelbereich, als auch jene am Koruca Tepe wurden an strategischen Punkten errichtet und weisen einen starken fortifikatorischen Aspekt auf, der bereits bei den Siedlungen im Gebiet des Bonda Tepesi in der westlichen Chora Limyras beobachtet wurde. In weiteren Kampagnen soll die Erforschung der Siedlung auf dem Koruca Tepe fortgesetzt und auch die restlichen Siedlungsplätze am Bergstock des Toçak Dağı untersucht werden.

© Helmut Lotz, Martin Seyer
e-mail: Helmut.Lotz@oeaw.ac.at, Martin.Seyer@oeaw.ac.at

This article should be cited like this: M. Seyer – H. Lotz, Der Survey auf dem Toçak Dağı in der nördlichen Chora von Limyra (Lykien), Forum Archaeologiae 78/III/2016 (http://farch.net).



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