Forum Archaeologiae - Zeitschrift für klassische Archäologie 78 / III / 2016

EIN GRABBEZIRK IN DER SÜDLICHEN NEKROPOLE VON VIRUNUM

In den Jahren 2001, 2002 und 2003 wurden in Auftrag des Bundesdenkmalamtes, primär von der Firma ARGIS, archäologische Rettungsgrabungen in der südlichen Nekropole von Virunum (KG Kading, MG Maria Saal, VB Klagenfurt-Land) durchgeführt. Im Zuge dieser Untersuchungen wurden 179 Gräber auf drei Grabungsflächen von insgesamt etwa 1600 m2 freigelegt. Die festgestellten Gräber und Grabbauten sind in nordost-südwestlicher Richtung orientiert und folgen damit parallel dem römischen Straßenverlauf westlich der via publica. Befunde wurden nach ihrer Position schematisch einem relativchronologisch jüngeren »oberen Gräberhorizont« und einem relativchronologisch älteren »unteren Gräberhorizont« zugewiesen. Grabbeigaben weisen auf eine Belegung des Gräberfeldes von der 1. Hälfte des 1. bis in die 2. Hälfte des 2., wahrscheinlich bis in das 3. Jahrhundert n.Chr., hin. Hinsichtlich des Grabritus sind sowohl Brand- als auch Körperbestattungen im »oberen« wie im »unteren Gräberhorizont« nachgewiesen. Verschiedene Grabformen sind differenzierbar. Auffallend ist zunächst die Anlage von annähernd quadratischen Grabbezirken mit Umfassungsmauer, die auf den »oberen Gräberhorizont« beschränkt sind. In direktem Kontext mit diesen areae, d.h. innerhalb derselben, lassen sich weitere Grabformen nachweisen. Die Deponierung kremierter Überreste in einem Grabbezirk kann als Brandgrubengrab, d.h. in einer einfachen Grube oder als Brandschüttungsgrab, d.h. als Aufschüttung, erfolgen. Ferner sind separat abgemauerte Strukturen, entweder in einer Ecke oder entlang einer Mauer innerhalb eines Grabbezirkes, außerdem gemauerte Strukturen mit Plattenabdeckung sowie Steinkisten, die Brandbestattungen beinhalten, belegt. Neben den Brandbestattungen konnten auch Inhumationen in den Grabbezirken festgestellt werden. In den Flächen zwischen den areae waren gemauerte Brandgrubengräber, gemauerte Gräber mit Steinplattenabdeckung, Körpergräber, Plattenkisten, Urnenbestattungen und ein Ziegelplattengrab angelegt worden.

Die Ergebnisse der Rettungsgrabungen, die hier nur knapp skizziert werden können, wurden der Fachwelt bislang in mehreren Berichten vorgestellt (u.a. G. Fuchs – M. Fuchs, Rettungsgrabungen in der südlichen Nekropole von Virunum, AÖ 14/1, 2003, 46–56), wobei vom Ausgräber G. Fuchs mehrfach auf das Potenzial hingewiesen wurde, das die in Österreich z.T. bislang einzigartigen Befunde für die provinzialrömische Forschung bereitstellen. Die Grabungsergebnisse erlauben es, erstmalig in Zusammenhang mit einem Gräberfeld der Provinzhauptstadt Norikums, nachzuvollziehen, wie sich aus einem Flachgräberfeld mit Brand- und Körpergräbern eine Nekropole mit »reichen« Grabbezirken in Steinarchitektur entwickelt. Hinsichtlich der in Zusammenhang mit der Auswertung römischer Gräberfelder zu thematisierenden sozialen Stratifikation ist zunächst besonders auf die mögliche Nutzung einzelner Grabparzellen durch bestimmte Familienverbände hinzuweisen. Darüber hinaus stellen Körperbestattungen des 1.–2. Jahrhunderts n.Chr., die also aus einem Zeitraum stammen, während dem nach allgemeiner Ansicht die Kremation als Bestattungsritus in der Provinz vorherrschend war, einen interessanten und neuen, bislang von der Forschung noch wenig behandelten, Aspekt dar. Ferner ist auf die zahlreichen datierten geschlossenen Befunde und die vorbildlich dokumentierte Relativabfolge einzelner Gräber aufmerksam zu machen. Damit liegen fundierte Grundlagen für eine Feinchronologie von Gräbern und Beigaben vor.
Seit 2015 besteht nunmehr in Kooperation zwischen BDA und ÖAI unter Leitung des Verfassers die Absicht, die wissenschaftliche Aufarbeitung und Auswertung der Grabungsergebnisse in Angriff zu nehmen. Am Österreichischen Archäologentag (Wien, 25.–27. Februar 2016) wurden das Forschungsvorhaben und einige der damit verbundenen Fragen erstmals unter dem Eindruck exemplarisch ausgewählter Grabbefunde einer area (Abb.) näher vorgestellt.

© Christoph Hinker
e-mail: christoph.hinker@oeai.at

This article should be cited like this: Ch. Hinker, Ein Grabbezirk in der südlichen Nekropole von Virunum, Forum Archaeologiae 78/III/2016 (http://farch.net).



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