Forum Archaeologiae - Zeitschrift für klassische Archäologie 78 / III / 2016

ARCHÄOLOGIE ALS LANDESGESCHICHTE? ZUM PUBLIKATIONSPROJEKT „URGESCHICHTE UND RÖMERZEIT IN DER STEIERMARK“

Das Referat möchte allgemeinere Überlegungen resümieren, die dem vor Kurzem erschienenen Buch „Urgeschichte und Römerzeit in der Steiermark“ zugrunde liegen, einem Buch, das zum ersten Mal eine ausführliche zusammenfassende Darstellung der genannten Perioden für dieses Bundesland bietet. In diesem ersten Band der von der Historischen Landeskommission für Steiermark herausgegebenen „Geschichte der Steiermark“ haben Archäolog/innen eher der jüngeren Generation versucht, das heute noch Gültige aus der langen Forschungsgeschichte und die neuesten Ergebnisse großflächiger Denkmalschutzgrabungen anhand einheitlicher Fragestellungen zu einem Gesamtbild zusammenzufügen. Die grundsätzlich beschränkte Aussagefähigkeit der zufällig überlieferten und zufällig aufgedeckten materiellen Quellen wird dabei ebenso ernst genommen wie die Zeitgebundenheit jeder und somit auch der archäologischen Forschung.
Eine wichtige Frage war, ob nur die heutige Steiermark oder das größere historische Land – und somit auch ein Teil Sloweniens – behandelt werden müsse; bald aber war klar, dass die seit Jahrzehnten bestehenden institutionellen Trennungen und vor allem die Leistungen der slowenischen Archäologie eine Beschränkung auf die in weiten Bereichen schlechter erforschte österreichische Steiermark anraten.
Weiters hat der Referent als Herausgeber überlegt, ob viele Autor/innen oder nur wenige das Buch schreiben sollten. Letztlich fiel die Entscheidung, die chronologisch durchgehenden Hauptteile (Paläo- und Mesolithikum, Neolithikum und Metallzeiten, Römerzeit und Spätantike) nur drei Autor/innen anzuvertrauen und lediglich für herausgehobene kurze Kapitel zu den wichtigsten Fundstellen eine größere Zahl von Expert/innen einzuladen. So sollten ein durchgehend lesbarer Text ohne zu viel Gewicht auf Steckenpferde, wie sie jede/r Wissenschafter/in hat, und trotzdem auch ein buntes Bild der aktuellen steirischen Archäologie entstehen. Vielfach haben wir auch nicht die Ausgräber/innen um Wiederholung ihrer Veröffentlichungen gebeten, sondern bewusst andere Fachleute um Beiträge gebeten, was einen durchaus gewollten rezensionsartigen Aspekt beibringt.
Als Team haben wir uns mehrfach getroffen und gemeinsam Entscheidungen über die Themen, die abzuarbeitenden Fragen und die Gestaltung der Beiträge getroffen, dann die Texte in den Erstfassungen quergelesen sowie Änderungs- und Ergänzungsvorschläge eingebracht. Alles ist mehrfach durch die Hände des Verfassers als Herausgeber gegangen, um bei aller notwendiger Individualität eine gewisse gemeinsame Linie einzuhalten.
Es kann nicht Aufgabe einer kurzen Vorstellung sein, Inhalte zu resümieren oder gar eine Würdigung des Buches zu versuchen. Entsprechend der Zeitdauer der Urgeschichte, aber auch deren lange Zeit nicht so intensiven Erforschung wie derjenigen der Römerzeit, sind „neue“ Ergebnisse der vorrömischen Archäologie häufiger, insbesondere in der Kupferzeit und in der lange kaum existenten – sieht man von der Urnenfelderzeit ab – Bronzezeit. Aber auch die Römerzeit, vor allem die ganz frühe und die späte, kann beachtliches „Neues“ aufweisen: So, um nur einige (Be-)Funde zu erwähnen, die Graffiti in vorrömischer Schrift und Sprache auf spätlatènezeitlichen Keramikscherben vom Frauenberg bei Leibnitz, das augusteische Grab von Rassach mit einem provinzialrömischen Geschirrservice und einer spätlatènezeitlichen Waffenausrüstung oder die Fragmente der marmornen Innenausstattung einer im Grundriss noch nicht erkannten frühchristlichen Kirche, ebenfalls am Frauenberg bei Leibnitz. Aber auch die „alltägliche“ Römerzeit hat ein anderes Aussehen bekommen: einfache bäuerliche Streusiedlungen in reiner Holzarchitektur ohne Import und Luxus wie in Schönberg sind wohl viel eher der „Normalfall“ als Villen und Vici.

© Bernhard Hebert
e-mail: bernhard.hebert@bda.gv.at

This article should be cited like this: B. Hebert, Archäologie als Landesgeschichte? Zum Publikationsprojekt „Urgeschichte und Römerzeit in der Steiermark“, Forum Archaeologiae 78/III/2016 (http://farch.net).



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