Forum Archaeologiae - Zeitschrift für klassische Archäologie 78 / III / 2016

NEUE FORSCHUNGEN ZUM LÄNDLICHEN FUNDPLATZ MOLINO SAN VINCENZO (TOSKANA, ITALIEN)

Bei der durch das Institut für Klassische Archäologie der Universität Wien mit Unterstützung durch den FWF erforschten site Molino San Vincenzo handelt es sich um einen römischen Fundplatz in der nördlichen Toskana. Aufgrund non- und mikroinvasiver Untersuchungen (bspw. ein intensiver systematischer Survey 2013) sowie archäologischer Ausgrabungen (seit 2011) kann hinsichtlich der Funde und Befunde von einer römischen villa mit gehobener Ausstattung gesprochen werden, die zwischen das 1.Jh. v.Chr. und das 5.Jh. n.Chr. zu datieren ist (Abb.).
Die villa ist auf der Flur „Molino San Vincenzo“, einem flachen Berghang, ca. 15km südwestlich von Florenz, in der Gemeinde Montespertoli und etwa 250m vom linken Flussufer der Pesa (beides Luftlinie) auf 70m Seehöhe situiert.

Charakteristisch für die antiken Strukturen des Fundplatzes ist das Vorhandensein von Mauerfundamenten, die in zwei unterschiedlichen Mauertechniken, nämlich Trockenfundamente aus ortsfremden Kalkstein einerseits und Rollierungen aus vermutlich lokalem Flusskiesel andererseits, ausgeführt wurden. Hierbei löst das Flusskieselfundament das Kalksteinfundament scheinbar partiell ab, indem die Kalksteine aus den Mauergruben teilweise entfernt und stattdessen resp. darüber die Flusskiesel eingebracht wurden. In anderer Hinsicht könnte gegenteilig dazu von zwei nahezu gleichzeitigen Fundamentierungstechniken ausgegangen werden, wobei in einem ersten Schritt mit Kalkstein und abschließend (etwa aufgrund von Baustoffmangel) mit Flusskieseln gearbeitet wurde. Inwieweit dieses Vorgehen mit Faktoren wie Reparatur- bzw. Renovierungsmaßnahmen, Arbeitstechnik-, Nutzungs- oder Eigentümerwechsel zu korrelieren ist und ob von einer Zweiphasigkeit der Fundamente gesprochen werden kann, wird Gegenstand weiterführender Untersuchungen sein.
Auffällig ist ebenso die starke nachantike Nutzung am Fundplatz: zum einen wurden antike Objekte, wie etwa Mauerstrukturen oder Metallfunde, durch massive reuse- und recycling-Prozesse (nachweisbar z.B. durch Ausrissgruben und Metallverhüttungsanlagen) aus dem ursprünglichen Kontext entfernt. Zum anderen kann eine umfangreiche Anlage post-römischer agrarischer Strukturen festgestellt werden, wobei hierfür etwa eine die antiken Befunde schneidende Drainage sowie die Errichtung eines Weingartens und eines Feldweges genannt werden können. Dies legt den Schluss nahe, dass – nach Aufgabe der villa – diese etwa ab der frühen Neuzeit systematisch ausgeschlachtet und abgebaut wurde. Der ehemalige Villenstandort wurde hernach kontinuierlich bis heute agrarisch genutzt.
Die lange Nutzungsdauer des Fundplatzes schlägt sich auch in den Keramikfunden nieder: die ältesten Funde (Bucchero) lassen sich in die Zeit des 6.–5.Jh. v.Chr. datieren und weitere Keramikobjekte belegen eine andauernde anthropogene Einwirkung bis in die heutige Zeit. Die intensivsten Aktivitäten sind jedoch von der späten republikanischen Zeit bis in die Kaiserzeit feststellbar und äußern sich in zahlreichen Funden von Tafel-, Gebrauchs- und Küchenkeramik sowie Amphoren.

Weitere Informationen auf http://klass-archaeologie.univie.ac.at/forschung/san-vincenzo/ und http://klass-archaeologie.univie.ac.at/forschung/val-di-pesa-und-val-orme/.

© Dominik Hagmann, Veronika Schreck
e-mail: dominik.hagmann@univie.ac.at, veronika.schreck@univie.ac.at

This article should be cited like this: D. Hagmann – V. Schreck, Neue Forschungen zum ländlichen Fundplatz Molino San Vincenzo (Toskana, Italien), Forum Archaeologiae 78/III/2016 (http://farch.net).



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