Forum Archaeologiae - Zeitschrift für klassische Archäologie 78 / III / 2016

ARCHÄOLOGISCHE PROSPEKTION IN CARNUNTUM

Seit 2012 läuft in Carnuntum das Projekt „ArchPro Carnuntum“, das vom Ludwig-Boltzmann-Institut für Archäologische Prospektion und Virtuelle Archäologie (LBI Arch-Pro) und seinen Partnern durchgeführt wird. Während der Projektlaufzeit wurden bis 2015 im Großraum Carnuntum alle Fläche, die zugänglich waren, geophysikalisch prospektiert. Mittlerweile konnte man ein Gebiet von ca. 7,5km2 mit Magnetik und von ca. 2,35km2 mit Bodenradar untersuchen. Damit handelt es sich um eines der größten Prospektionsprojekte in der römischen Welt (Abb.).
Mit dieser Großflächenprospektionen wird ein neues Kapitel in der Erforschung der römischen Donaumetropole aufgeschlagen. In Carnuntum geht es bei der geophysikalischen Prospektion nicht mehr darum, Einzelobjekte zu lokalisieren. Die großen Flächen, die man heute mit motorisierten Systemen untersuchen kann, bieten neue Chancen vor allem im Hinblick auf deren Kontextualisierung. Kleinräumig beschränkte Einblicke in eine Siedlung werden sich immer nur mit großen Vorbehalten auswerten lassen, weil es nicht möglich ist, notwendige Zusammenhänge mit der Umgebung herzustellen. Die geophysikalische Messung großer Flächen kann diese Beschränkungen traditioneller Methoden lösen, indem sie durch die Kombination verschiedener Prospektionsmethoden und durch die integrierte Interpretation der Daten gerade diese Kontexte herzustellen vermag.

Im Rahmen des Vortrags sollen anhand von zwei Beispielen diese neuen Möglichkeiten illustriert werden. In der Lagervorstadt gelang es, die Kasernen der Statthaltergarde zu lokalisieren. Die castra singularium sind als Einzelobjekt sicher auch eine faszinierende Neuentdeckung. Doch erst im Kontext mit der Umgebung, sowohl mit den alten Ausgrabungen und ihren Funden als auch den neuen Radarmessdaten in den angrenzenden Arealen, werden die Kasernen als Teil eines Statthaltersitzes, der sich aus mehreren Komponenten zusammensetzt, verständlich. Carnuntum kann deshalb mittlerweile als eines der anschaulichsten Beispiele für das Aussehen einer Statthalterresidenz in den Grenzprovinzen des römischen Reiches gelten.
Die Vorteile einer großräumigen Prospektion kommen bei Fragen der Territorialerschließung bzw. der Organisation der Umgebung besonders zum Tragen. Die Struktur des Umlandes einer derart großen Siedlung wie Carnuntum kann man archäologisch nur mit Hilfe der Luftbildarchäologie oder mit geophysikalischen Großflächenprospektionen in den Griff bekommen. Letztere erscheinen in Carnuntum besonders erfolgsversprechend, wenn es darum geht, die konkreten Grenzen von Siedlungsräumen zu rekonstruieren. Der besondere Reiz in Carnuntum liegt aber auch in den überlieferten epigraphischen Denkmälern, die auf die soziale und administrativ-rechtliche Organisation der Bewohner rückschließen lassen. Ausgehend von den Ergebnissen der geophysikalischen Messungen sollen ältere Thesen zu den Leugeninschriften vom Carnuntiner Pfaffenberg erneut diskutiert werden.

Weitere Informationen: http://lbi-archpro.org/cs/carnuntum/

© Christian Gugl, Wolfgang Neubauer, Mario Wallner, Immo Trinks, Klaus Löcker
e-mail: Christian.Gugl@oeaw.ac.at

This article should be cited like this: Ch. Gugl et al., Archäologische Prospektion in Carnuntum, Forum Archaeologiae 78/III/2016 (http://farch.net).



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