Forum Archaeologiae - Zeitschrift für klassische Archäologie 78 / III / 2016

ÜBERLEGUNGEN ZUR 'HELLENISTISCHEN' LANDMAUER VON SIDE

Das fortifikatorische System der antiken Hafenstadt Side setzt sich im Überblick aus drei größeren Teilabschnitten zusammen: der nördlichen und südlichen Seemauer sowie der sogenannten Landmauer. Während die beiden Seemauern bis zur Spätantike mehrfach erneuert bzw. neu errichtet worden waren, blieb die Landmauer in ihrer ursprünglichen Konzeption über die Jahrhunderte nahezu unverändert. Die Datierung dieser Befestigungsanlage in das beginnende zweite Jahrhundert v.Chr. erfolgte über ästhetische Kriterien: Das doppelte Gurtgesims an der Feldseite der Mauer (Abb.) sowie Blöcke eines Waffenfrieses, die im östlichen Stadttor gefunden wurden, und welches ebenfalls dem Abschnitt der Landmauer zuzurechnen ist, waren dafür ausschlaggebend. Dieser Waffenfries wird von Arif Müfid Mansel der ersten Bauphase des Tores zugerechnet und in hellenistische Zeit datiert. Diese Datierung überträgt er in der Folge auf die gesamte Landmauer. Der Waffenfries sei als ein Tropaion für einen Sieg der Sideten über die Attaliden kurz nach dem Frieden von Apameia 188 v.Chr. anzusehen. Dieses Ereignis bezeichnet Mansel als terminus post quem für das Tor und die gesamte Landmauer.

Die in den Jahren 2011 bis 2015 unter der Leitung von Ute Lohner-Urban durchgeführten Ausgrabungen erbrachten hingegen das Ergebnis, dass das Osttor frühestens im ersten Jahrhundert v.Chr. errichtet wurde. Im Weiteren wird aufgrund der Befunde davon ausgegangen, dass der Waffenfries erst in der Spätantike von einem unbekannten, hellenistischen Bauwerk zum Osttor gebracht wurde. Aus diesem Grund kann der Fries – entgegen Mansels Annahme – weder für das Osttor noch für die gesamte Landmauer als Datierungsquelle herangezogen werden.
Die Befestigungsanlage der Unterstadt von Perge dient wegen der durchaus ähnlichen Gliederung der Innenseite der Kurtinen in beiden Städten oft als Vergleich zur Datierung der sidetischen Landmauer. Die gängige Datierung des Befestigungsringes von Perge beläuft sich auf den Zeitraum um 200 v.Chr. und bezieht sich auf militärhistorische Eckpunkte. Diese Datierung wurde häufig unreflektiert auf Side übertragen. Wolfram Martini weist jedoch auf diverse Besonderheiten der Befestigungsanlage von Perge hin, die deren Datierung in das erste Jahrhundert v.Chr. oder sogar noch später verschieben würden. Vor diesem Hintergrund ist mit Sorgfalt zu prüfen, ob sich diese Datierung auch auf die Befestigung von Side übertragen lässt. Aufgrund dieser neuen Theorien und Erkenntnisse wird es als notwendig erachtet, die Datierung der Landmauer von Side neu zu überdenken.

© Matthias Grebien
e-mail: matthias.grebien@uni-graz.at

This article should be cited like this: M. Grebien, Überlegungen zur 'hellenistischen' Landmauer von Side, Forum Archaeologiae 78/III/2016 (http://farch.net).



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