Forum Archaeologiae - Zeitschrift für klassische Archäologie 78 / III / 2016

DAS KAISERZEITLICHE GRÄBERFELD VON LEITHAPRODERSDORF – ÜBERBLICK UND ERSTE ERGEBNISSE DER AUSWERTUNG

Die Ortschaft Leithaprodersdorf (Burgenland, Bez. Eisenstadt) weckte erstmals gegen Ende des 19ten Jahrhunderts altertumswissenschaftliches Interesse. Vornehmlich durch ackerbauliche Tätigkeiten traten dort auf dem Gemeindegebiet wiederholt römerzeitliche Grabstelen und -inschriften zu Tage. So konnte um 1890 aus einem aus Spolien zusammengesetzten Steinkistengrab die von einer tabula ansata gerahmte Inschrift einer Aurelia Florentina geborgen werden. Diese stammte aller Wahrscheinlichkeit nach von einem Sarkophag aus dem 3.Jh. In den 1930er Jahren wurden von A. Seracsin 13 Gräber auf den sog. Kreuzäckern, darunter auch römerzeitliche Bestattungen, freigelegt. Zu weiteren Grabstelenfunden war es bereits davor, in den ersten Jahrzehnten des 20ten Jahrhunderts gekommen. Diesmal überlieferten die epigraphischen und ikonographischen Zeugnisse mehrheitlich Verstorbene, die stark mit einer einheimischen Bevölkerung, d.h. keltisch stämmigen Personengruppen, in Verbindung zu bringen sind.
Mit den Neufunden eingerechnet sind, bis zum Jahr 2015, 13 Grabstelen und Inschriften aus dem Gemeindegebiet bekannt geworden. Die am besten erhaltenen Stücke, der Grabstein eines Super und der Exsuperata sowie eines Legionsveteranen der legio Prima Adiutrix, stammen aus Grabungen, die das Bundesdenkmalamt unter Leitung von F. Sauer im Zuge von Baulandparzellierungen seit dem Jahr 2005 am östlichen Ortsrand durchführen lässt. Durch diese archäologischen Maßnahmen waren erstmals auf ca. 3,4 ha großflächige Teile des römerzeitlichen Gräberfeldes und, knapp 200 m südöstlich von diesem, einer römerzeitlichen Siedlungsstelle im Befund nachzuweisen. Ein Vorbericht der Grabungen wurden 2011 in einem BDA Materialheft publiziert (F. Sauer – N. Hofer, Leithaprodersdorf von der Frühbronzezeit bis zum Mittelalter, FÖMat A16 [Wien 2011]). Die partielle Aufdeckung des Gräberfeldes mit der dazugehörenden Siedlungsstelle ist hervorzuheben und stellt eine Besonderheit dar. Durch die Überschneidung der diversen Grabbauten in der Nekropole und der Holzpfosten- sowie Steinbauten auf dem Areal der Siedlung wird eine relativchronologische Abfolge der einzelnen Konstruktionen deutlich. Nach derzeitigen Erkenntnissen kann in dem Gräberfeld mit einer Vielzahl an unterschiedlichen Bestattungssitten sowie Grabbauten gerechnet werden. Insgesamt wurden bisher 200 Brandgräber der frühen und mittleren Kaiserzeit sowie mindestens 67 Körpergräber und Grabgruben der spätrömischen Epoche, oder einer späteren Zeitstellung, freigelegt. Aufgrund von Beigabenlosigkeit oder Beraubungen ist eine Datierung der Körpergräber und der Körpergrabgruben nicht immer eindeutig festzulegen. Die Brandgräber verteilen sich auf einfache Grabgruben, Urnenbestattungen und Bestattungen in monolithischen Aschekisten aus Leithakalkstein. Für annähernd 60 Brandbestattungen ist anhand des archäologischen Befundes eine Beisetzung in Hügelgräbern zu rekonstruieren. Des Weiteren konnten circa 19 Grabbauten mit einem rechteckigen Grundriss, bzw. Grabbezirke mit einer Steineinfassung, bestimmt werden (Abb.).

Einen ersten Hinweis für den Abbruch der Grabbauten gibt eine Körperbestattung, dessen Grabgrube das quadratische Fundament eines Grabbaus schneidet. Dem im Alter von 20–25 Jahren verstorbenen Mann wurde eine Zwiebelknopffibel des Typs Keller/Pröttel 3/4 B beigegeben. Diese deutet nach derzeitigem Kenntnisstand darauf hin, dass mit dem Auflassen der mittelkaiserzeitlichen Grabbauten frühestens ab den 30er Jahren des 4. Jahrhunderts zu rechnen ist. Die detaillierte Analyse der Nekropole ist derzeit Gegenstand einer Dissertation an der Leopold-Franzens-Universität Innsbruck (Fachbereich Provinzialrömische Archäologie). Dabei stellt die chronologische Entwicklung des Gräberfeldes in diesem Teil des Hinterlands von Carnuntum, neben Überlegungen zu Bestattungs- und Beigabensitten sowie bevölkerungsgeschichtlicher Art, eine der zentralen Fragestellungen dar.

© Lucia Clara Formato
e-mail: formatol22@univie.ac.at

This article should be cited like this: L.C. Formato, Das kaiserzeitliche Gräberfeld von Leithaprodersdorf – Überblick und erste Ergebnisse der Auswertung, Forum Archaeologiae 78/III/2016 (http://farch.net).



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