Forum Archaeologiae - Zeitschrift für klassische Archäologie 78 / III / 2016

KINDERDARSTELLUNGEN IN DER SPÄTANTIKE UND IM FRÜHEN CHRISTENTUM

Anlässlich der Veröffentlichung der Dissertation „Kinderdarstellungen in der Spätantike und im frühen Christentum. Untersuchung der Bildtypen, ihrer Entwicklung und Verwendung“ (Phoibos Humanities Series 5, Wien 2016) seien hier einige elementare Ergebnisse vorgestellt. Ein mengenmäßiger Anstieg von Kinderillustrationen war nicht feststellbar, jedoch eine deutliche Erweiterung ihrer Betätigungsfelder und ihrer Materialträger. Ferner wurde ihr elementarer Wert zur Veranschaulichung von Familienstatus und Nachfolgepropaganda festgehalten. Dies sei am Beispiel des Triumphbogenmosaiks von Santa Maria Maggiore (Rom) erläutert:

Dort erscheint das Jesuskind mittig auf einem reich gestalteten Thron (Abb.). Hinter ihm steht eine Engelsgarde. Zu beiden Seiten sitzen zwei Frauen. Jene zu seiner Rechten ist, aufgrund anderer ebendort vertretener Szenen, zweifelsfrei die Gottesmutter Maria. Die in Purpur gehüllte Frau zu seiner Linken jedoch rief heftige Spekulationen hervor (Sapientia, Ecclesia, Sibylla). Ich selbst habe mich der Deutung E. Jastrzębowskas (E. Jastrzębowska, Bild und Wort. Das Marienleben und die Kindheit Jesu in der christlichen Kunst vom 4. bis 8. Jh. und ihre apokryphen Quellen [Warschau 1992]) angeschlossen und die Figur als die Hebamme Salome gedeutet.
T.-M. Schmidt identifizierte die Sitzfigur am Sarkophag von Boville Ernica als Salome, indem er sie mit Barbarendarstellungen verglich (Th.-M. Schmidt, Die verzweifelte Zweiflerin Salome auf dem Sarkophag von Boville Ernica. Ein Beitrag zur Geste der verschränkten Hände, in: G. Koch, Akten des Symposiums „Frühchristliche Sarkophage“, Marburg 30.06.–04.07.1999, Sarkophag-Studien 2 [Mainz 2002] 207–229). Ihre Sitzpose mit angewinkeltem Knie ist eine Geste der Unterwerfung. Unter Salome befindet sich auf dem Kapitell ein fragmentarischer Rest eines Objektes. Dieses ist in Analogie zu ihrer Funktion als Badegefäß zu deuten, wie es von Lebenslauf-Sarkophagen und Heldenbädern bekannt ist. Schmidt zeigte somit, dass die Annahme, Salome fehle in der westlichen Kunst, nicht korrekt ist. Ihr Darstellungstyp entspricht nur nicht jenem aus dem Osten bekannten.
Die Darstellung einer Mittelfigur, flankiert von zwei Personen, entstammt der Herrscherikonografie, bei der die Kompetenz des Protagonisten unterstrichen werden sollte. Dies war bei jugendlichen Führungspersönlichkeiten zu beobachten, bei denen die Ahnen als Rechtfertigung für die Fähigkeit der Knaben auftreten. Auf diese Weise wird jeder Zweifel ausgeräumt, die Kinder wären dem Amt nicht gewachsen. Die gleiche Funktion zur Inszenierung dieser Kompetenz erfüllen die Magieranbetung und die ständige Begleitung des Jesuskindes durch seine Mutter.
M.-L. Thérel hielt fest (M.-L. Thérel, Une image de la sibylle sur l’arc triomphale de Sainte-Marie-Majeure à Rome?, CArch 12, 1962, 153–171), dass eine Mittelperson immer von zwei gleichartigen Figuren flankiert wird. Die Identifikation Mariens in Santa Maria Maggiore ist gesichert. Dementsprechend muss ihr gegenüber wieder eine reale Person sitzen, sodass Personifikationen wie sapientia oder ecclesia auszuschließen sind. Ferner wäre eine zweifelnde Geste bei sapientia unpassend. Salome hingegen ist eine Zweiflerin. Sie überwindet die Zweifel jedoch, erkennt die Macht des Jesuskindes und wird leibhaftige Zeugin des ersten Wunders des Jesuskindes. Aufgrund ihrer herausragenden Funktion passt sie meines Erachtens ideal in diese Komposition. Das weiße Objekt in ihrer linken Hand wäre dementsprechend als Tuch aufzufassen – als Reminiszenz an das erste Bad Jesu und ihre eigentliche Funktion als Hebamme.

© Claudia-Maria Behling
e-mail: behling@archaeologos.at

This article should be cited like this: C.-M. Behling, Kinderdarstellungen in der Spätantike und im frühen Christentum, Forum Archaeologiae 78/III/2016 (http://farch.net).



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