Forum Archaeologiae - Zeitschrift für klassische Archäologie 70 / III / 2014

DIE METOPEN DES ÄLTEREN HERATEMPELS VON FOCE DEL SELE

Die älteren Metopen von Foce del Sele stellen in der Forschung noch immer ein komplexes ungelöstes Problem dar. Seit der Auffindung wurde versucht, die Ikonographie jener Metopen, die keine eindeutige Zuweisung eines Inhaltes erlauben, zu interpretieren und ihnen einen Platz im Fries zuzuweisen. Auch ihr ursprünglicher Anbringungsort sorgte in der archäologischen Forschung für Diskussionsstoff. Seit ihrer Entdeckung wurden sie mit dem älteren Heratempel von Foce del Sele in Zusammenhang gebracht. Für welchen Bau die Metopen nun wirklich gedacht waren und ob sie aufgrund ihres teilweise unvollendeten Zustandes ursprünglich überhaupt als Bilderschmuck Verwendung fanden, bleibt bis dato ein Rätsel.
Das Heiligtum der Hera in Foce del Sele, welches circa 8,5 Kilometer nördlich von Paestum entfernt an der Mündung des Flusses Sele liegt, wurde im April 1934 von P. Zancani Montuoro und U. Zanotti Bianco entdeckt. Im Rahmen der Grabungen bis 1949 fand man eine Vielzahl von archaischen Metopen und Metopenfragmenten, wovon 35 dem älteren Heratempel zugewiesen wurden, der nach der älteren Forschung zwischen 540 und 530 vor Christus entstanden sein soll.
Der Architekt F. Krauss legte für den Tempel eine Rekonstruktion als Prostylos mit vier Säulen an der Front und einem skulptierten Metopenfries mit sechs Reliefs an den Schmalseiten (Abb.) und 12 an den Längsseiten vor. Dieser Vorschlag wurde durch den Fund dreier weiterer Metopen im Jahr 1958 obsolet. Unter Berücksichtigung der vergrößerten Anzahl rekonstruierte F.D. Van Keuren den älteren Heratempel als distylen Tempel in antis, wonach der Fries 42 Metopen aufgenommen hätte. Weitere Grabungen in den 90er-Jahren brachten in den Fundamentgruben des „archaischen älteren Heratempels“ Material aus hellenistischer Zeit ans Tageslicht. G. Greco kam zum Schluss, dass es sich hierbei um ein eher bescheidenes Bauwerk handelt, das zur Gänze aus wiederverwendeten Blöcken errichtet worden war und chronologisch in die hellenistische Phase des Heraheiligtums eingeordnet werden muss. Demnach erlaubt der Befund keine Rekonstruktion eines archaischen Tempels, sondern eher eines sacellum sine tecto. Daher stellt sich die bis heute ungelöste Frage, für welchen Bau die 38 Metopen konzipiert waren. Die Deutung einzelner Szenen ist teilweise unsicher beziehungsweise unmöglich, da manche der Metopen nur fragmentarisch auf uns gekommen sind, andere nie vollendet wurden und die ursprüngliche Anordnung weitgehend unerschlossen ist. Nach heutigem Forschungsstand unterteilt man die Metopen in mehrere Bildeinheiten, die dem Herakleszyklus, dem troianischen Kreis und einer Gruppe von Einzelthemen zugewiesen werden.
Die in das dritte Viertel des 6. Jahrhunderts vor Christus datierten Metopen zeigen keine Abhängigkeit von der Bildhauertradition einer bestimmten griechischen Kunstlandschaft. Sie zählen zu jenen hocharchaischen Bilderreihen, die keine geschlossene Komposition anstreben und interpretieren vermutlich Vorlagen der Kleinkunst im Stil ihrer Zeit wider.

Literatur
G. Greco, Der archaische Thesauros im Heraion am Sele – ein archäologisches Phantom, ÖJh 72, 2003, 97–109
K. Junker, Der ältere Tempel im Heraion am Sele (Köln 1993)
U. Steininger, Die archaische und frühklassische Großplastik Unteritaliens und ihr Verhältnis zum Mutterland (Münster 1996)
P. Zancani Montouro – U. Zanotti Bianco, Heraion alla Foce del Sele II. Il primo thesauros (Roma 1954)

© Dagmar Probst
e-mail: dagmar.probst@uni-graz.at

This article should be cited like this: D. Probst, Die Metopen des älteren Heratempels von Foce del Sele, Forum Archaeologiae 70/III/2014 (http://farch.net).



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