Forum Archaeologiae - Zeitschrift für klassische Archäologie 70 / III / 2014

RITUELLER KONSUM AM MONTE IATO
Ein überregionaler Kultplatz inmitten des archaischen Binnenlandes Siziliens

Seit der Archaik hatte sich das Mittelmeer durch weitverzweigte Handels- und Austauschnetzwerke zu einer transmediterranen Begegnungs- und Interaktionswelt entwickelt, in der Sizilien eine zentrale Stellung einnahm. Damit einhergehende sich intensivierende Kulturkontakte, die durch die Ansiedlung der Griechen und Phönizier an der Küste angestoßen wurden, hatten spätestens seit dem 6.Jh. maßgeblichen Einfluss auf die Entwicklung des sizilischen Hinterlandes genommen.
Am Monte Iato, einer indigenen Höhensiedlung rund dreißig Kilometer südwestlich von Palermo, materialisierten sich entsprechend dichte koloniale Kontakte um die Mitte des 6.Jhs. in der Errichtung des sogenannten Aphrodite-Tempels mit vorgelagertem Altar, der architektonisch eindeutig Bezüge zu griechischen Tempel-Bauten aufweist und wohl sogar von einer Selinuntiner Bauhütte errichtet worden war. Um 500 wurde der Kultplatz gleich um zwei weitere Kultgebäude, sogenannte Oikos-Bauten, erweitert, die sich um den Altar des Aphrodite-Tempels gruppierten. Allein durch diese drei repräsentativen Kultbauten wird die überregionale Bedeutungsebene des binnenländischen Kultplatzes am Iato deutlich, der lediglich in Monte Saraceno, einer indigenen Siedlung im Hinterland von Akragas, einen direkten Vergleich findet, wo es bereits in der ersten Hälfte des 6. Jhs. zur Einrichtung eines monumentalen Kultplatzes mit drei Oikos-Bauten gekommen war. Die Größe und die architektonische Ausstattung und Dekoration solcher Kultbauten geben den ökonomischen und finanziellen Aufwand zuerkennen, der in jedem Fall mit einer enormen Arbeitsleistung verbunden war. Für die Konzeptionierung und Errichtung entsprechender Anlagen mussten die jeweiligen Rohstoffe, das nötige Expertenwissen und genügend fachkundige Handwerker vorhanden sein, was bei umfangreichen und komplexen Bauvorhaben entsprechend dichte Kontakte mit den griechischen Küstenstätten voraussetzte.

Wenngleich mit dem Aphrodite-Tempel vergleichbare Oikos-Bauten griechischen Typs keine Besonderheit darstellen, bleibt das um 500 am Iato erbaute Banketthaus für das Binnenland einzigartig. Das 600m2 große Gebäude mit L-förmigem Grundriss und zweigeschossigem Osttrakt, in dem sich die Klinenräume befanden, wurde 18m westlich des Aphrodite-Tempels angelegt und bezog sich in seiner Ausrichtung auf den Kultbau (Abb.). Im Schutt des herabgestürzten Obergeschosses fanden sich zahlreiche Fragmente von qualitativ äußerst hochwertigem griechischem Bankettgeschirr, wie früh-rotfigurige Importe aus Athen. Zudem konnten zahlreiche lokal produzierte Schüsseln, Schalen und Kratere sowie monochrome lokale Küchenware geborgen werden, die allesamt auf die Zubereitung, Aufbewahrung und Konsumation von Essen und Getränken hinweisen.

Eine kultische Verbindung zum Aphrodite-Tempel belegt zudem eine mächtige, 18,70m lange und mindestens 3,70m breite Verbindungsrampe, die im Zuge der Errichtung des Hauses kurz vor 500 angelegt wurde und zwischen 2011 und 2013 in den Grabungs-Kampagnen der Universität Innsbruck im Rahmen des FWF-Projekts P 22642-G19 weitgehend freigelegt werden konnte. Die Rampe stellte eine direkte Kommunikation zwischen Aphrodite-Tempel und dem knapp 3m höher liegenden Außenniveau vor den Banketträumen im Obergeschoss dar und unterstreicht die zentrale Bedeutung des Banketthauses bei der Veranstaltung von kultischen Festen. Die Funde von Resten von Opfermahlen in Form von zahlreichen Keramik- und Knochenfragmenten im Bereich des Außenniveaus belegen zudem, dass nicht nur im Banketthaus, sondern auch außerhalb auf der Festwiese rituelle Mähler stattfanden.

Literatur
E. Kistler – B. Öhlinger (Hrsg.), Das spätarchaische Haus am Monte Iato. Architektur, Keramik und Kleinfunde, Studia Ietinia 10 (Zürich in Vorbereitung)


© Birgit Öhlinger
e-mail: Birgit.Oehlinger@uibk.ac.at

This article should be cited like this: B. Öhlinger, Ritueller Konsum am Monte Iato. Ein überregionaler Kultplatz inmitten des archaischen Binnenlandes Siziliens, Forum Archaeologiae 70/III/2014 (http://farch.net).



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