Forum Archaeologiae - Zeitschrift für klassische Archäologie 70 / III / 2014

DAS OSTTOR VON SIDE – EIN HELLENISTISCHES PRUNKTOR?

In der neueren Forschung werden vor allem die Stadtmauer, das Haupttor und das Osttor von Side aufgrund stilistischer Merkmale noch immer in hellenistische Zeit datiert. Nicht nur stilistische Merkmale am Osttor selbst führen zu der Annahme, sondern auch der Fund eines Inschriftensteins in sidetischer Sprache, die bis längstens Anfang 2.Jh. v.Chr. beibehalten wurde, und einige Blöcke eines Waffenfrieses, der ebenfalls in die späthellenistische Zeit datiert wird.
Seit 2011 führt das Institut für Archäologie der Universität Graz am Osttor von Side archäologische Untersuchungen durch. An verschiedenen Stellen im Inneren der Toranlage wurden insgesamt vier Sondagen angelegt (Abb.), die die Schichtenabfolge und Bauabläufe klären sollten. Die Ergebnisse dieser Ausgrabungen führten zu einer Neubetrachtung der Datierung der Toranlage. So wurde in der untersten sandigen Schicht wenig hellenistische Keramik gefunden, die sich vor allem auf innen-bemalte Schälchen bezieht, wie sie vermehrt auch in Paphos auf Zypern vorkommen. Darüber liegt eine schottrig-kieselige Schicht mit wenig Eastern Sigillata A-Ware und charakteristischen Fragmenten sogenannter Cypriote Sigillata, die frühestens in das späte 1.Jh. v.Chr. zu datieren sind. Darüber folgt das erste fassbare Bodenniveau mit typischer Keramik der entsprechenden Cypriote Sigillata aus dem Ende 1. Jh. bis in das 2.Jh. n.Chr. Hier ist auch ein Anstieg der Fundmengen zu beobachten, sowie weitere darüber liegende Niveaus, die aufgrund von Münzfunden und einsetzender Importe von Sagalassos Red Slipped Ware in das 3.Jh. n.Chr. datieren. Es folgt eine Planierung ab der Mitte des 4.Jhs. n.Chr. und weitere Gehniveaus bis in das 6.Jh. n.Chr.

Bemerkenswert ist eine Mauer, die mit der untersten Sandschicht (mit wenig hellenistischer Keramik) abschließt und unter dem darüber liegenden Torbau leicht schräg verläuft. Weitere Ausgrabungen zeigten, dass sich die vermutete hellenistische Mauer nicht vom darüber liegenden Torbau löste und somit kein eigenständiges Bauwerk darstellt. Es handelt sich dabei wohl um das Fundament der erhaltenen Toranlage. Demnach wird nach dem derzeitigen Forschungsstand die erhaltene Toranlage frühestens in augusteischer Zeit errichtet worden sein.
Parallel zu den Forschungen am Osttor führt der türkische Kooperationspartner unter der Leitung von Feriştah Soykal-Alanyalı und der Bauforscherin Katja Piesker Untersuchungen an der stadteinwärts gelegenen Attius-Philippus-Mauer durch, deren Errichtungszeit generell im 4. oder 6.Jh. n.Chr. angenommen wird. Nachdem ein Abschnitt dieser Mauer mörtellos und verhältnismäßig massiv gebaut ist, wird untersucht, ob es sich dabei nicht um die ursprünglich hellenistische Mauer handeln kann. Dafür würden auch Befunde im Bereich der Agora sprechen, die nicht vor dem 1.Jh. n.Chr. datieren. Folglich wird in den nächsten Jahren zu prüfen sein, ob es sich bei der Attius-Philippus-Mauer um die hellenistische Mauer von Side handelt und ob das bekannte Befestigungswerk bestehend aus Haupttor, Osttor, Landmauer und Teilen der Seemauer im Zuge einer Stadterweiterung und Stadtausbaus mit dem Neubau des Theaters, einer Agora und Thermenanlagen ab dem Ende des 1.Jhs. n.Chr. errichtet wurde. Die Befunde im Osttor von Side stimmen nach dem derzeitigen Forschungsstand mit dieser umfangreichen Ausbauphase der Stadt überein, und belegen, dass es sich hierbei keinesfalls um ein hellenistisches Prunktor handeln kann.

© Ute Lohner-Urban
e-mail: ute.lohner@uni-graz.at

This article should be cited like this: U. Lohner-Urban, Das Osttor von Side – ein hellenistisches Prunktor?, Forum Archaeologiae 70/III/2014 (http://farch.net).



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