Forum Archaeologiae - Zeitschrift für klassische Archäologie 70 / III / 2014

ZUM CORPUS SIGNORUM IMPERII ROMANI CARNUNTUM – ERGEBNISSE UND FRAGESTELLLUNGEN

Das wissenschaftliche Vorhaben „CSIR Carnuntum“ will einerseits die bereits bestehenden Datensammlungen zu den Steindenkmälern Carnuntums aktualisieren und vervollständigen, andererseits durch eine interdisziplinäre Auswertung mit gezielten Fragestellungen kulturhistorisch relevante Ergebnisse daraus erzielen.
Mit dem ersten Supplementband wurden die Götter-, Kult- und Weihedenkmäler aus dem Stadtgebiet von Carnuntum vorgelegt, in einer „sakralen Topographie“ Carnuntums verortet sowie religions- und kunstgeschichtlich ausgewertet. In einem zweiten Schritt sollen nun als weitere Materialgruppe die sakralen Denkmäler des Umlandes von Carnuntum aufgenommen und mit ausgewählten Themenschwerpunkten verknüpft werden.
Dies ist Teil eines am Institut für Kulturgeschichte der Antike der ÖAW angesiedelten und vom FWF geförderten Projektes (Steindenkmäler und Steingewinnung im Raum Carnuntum – Vindobona; FWF P 26368-G21), das als Kooperation mit der TU Wien, der Geologischen Bundesanstalt, dem Wien Museum und der Stadtarchäologie Wien sowie der Universität Wien durchgeführt wird.
Bei diesem Projekt betrifft ein Schwerpunkt der Auswertung die Analyse und Herkunftsbestimmung der verwendeten Gesteinsmaterialien. Dies ist ein wesentlicher Aspekt, wenn es darum geht, Importe von lokalen Erzeugnissen zu unterscheiden, oder Aussagen über Werkstätten und wirtschaftliche Zusammenhänge zu treffen. Mit den Experten der Geologie werden historische Abbaugebiete lokalisiert, dokumentiert und analysiert. So entsteht eine Referenzbasis für die Zuordnung archäologischer Artefakte.
Da über 80 % der Werksteine aus dem Raum Carnuntum – Vindobona aus „Leithakalken“ i. w. S. gefertigt sind, wird das Untersuchungsgebiet auf den gesamten Bereich des Vorkommens im Wiener Becken und im Leithagebiet ausgedehnt. Die Grenzen sind dabei bewusst weit gefasst, um angenommene Territoriumsgrenzen überprüfen und geopolitische mit wirtschaftsräumlichen Aspekten vergleichen zu können.
Das Projekt kann auf bereits erzielte Ergebnisse zu den historischen Steinbrüchen von Vindobona, auf den bestehenden Geländeaufnahmen und Laserscandaten sowie auf den verschiedenen umfangreichen (Bild)datenbanken zu römerzeitlichen Steindenkmälern und Steinbrüchen dieses Raums (Abb.) aufbauen.

Einige der Fragestellungen seien hier kurz umrissen:

  • Kulturelle Wechselbeziehungen zwischen Metropolen und Umland: Mit welchen Bevölkerungsgruppen haben wir es zu tun? Wie steht es mit der einheimischen Bevölkerung und ihren kulturellen Eigenarten? Gibt es einen „Kulturtransfer“ zwischen den Legionsstandorten?
  • Gibt es Abhängigkeiten zwischen Zentrum und Peripherie in der Kultpraxis? Lassen sich „bodenständige“ Kulte ausmachen?
  • Gesteinsanalyse und Datierung: Lässt sich eine Chronologie der Abbaugebiete eruieren und können Gesteinsmerkmale für den untersuchten Raum als Datierungskriterium dienen?
  • Gesteinsanalyse und Werkstätten: Gibt es Korrelationen mit stilistischen Merkmalen? Können einzelne Werkstätten bestimmt und im untersuchten Gebiet lokalisiert werden?
  • Gesteinsanalyse und Fälschungen: Kann die Bestimmung des verwendeten Materials zur eindeutigen Überführung neuzeitlicher Fälschungen beitragen?
  • Aus der grafischen Darstellung und Kartierung der Ergebnisse werden schließlich Aussagen zur Siedlungs- und Wirtschaftsgeschichte, zur Struktur des Verkehrsnetzes, zu den städtischen/militärischen Territorien und einem möglichen Zusammenhang mit der Organisation der Rohstoffgewinnung erwartet.


Literatur
E. Draganits – A. Rohatsch – H. Herdits, Römersteine entlang der burgenländischen Bernsteinstraße, in: Spuren römischen Lebens im Burgenland, WAB 124 (Eisenstadt 2008) 37–58
M. Kronberger – M. Heinrich – B. Moshammer – M. Mosser, Preliminary results of an interdisciplinary project on Roman stone material and historic quarries in Vienna, Aquincum Nostrum II 6, 2010, 61–68
G. Kremer, Götterdarstellungen, Kult- und Weihedenkmäler aus Carnuntum. Mit Beiträgen von Ch. Gugl, Ch. Uhlir, M. Unterwurzacher, Corpus signorum imperii romani, Carnuntum Supplement 1 (Wien 2012)


© Gabrielle Kremer
e-mail: Gabrielle.Kremer@oeaw.ac.at

This article should be cited like this: G. Kremer, Zum Corpus Signorum Imperii Romani Carnuntum – Ergebnisse und Fragestellungen, Forum Archaeologiae 70/III/2014 (http://farch.net).



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