Forum Archaeologiae - Zeitschrift für klassische Archäologie 70 / III / 2014

FLUCH UND SEGEN
Zur Wissensvermittlung und Kulturpädagogik in der Archäologie

„Kulturvermittlung“ oder „museale Vermittlungsarbeit“ umschreibt das Bemühen, Menschen unterschiedlichen Alters und unterschiedlicher Bildung in Museen und anderen Kultureinrichtungen ein persönliches Bildungserlebnis zu ermöglichen (Krön 2004, 6 f.). Mittlerweile hat Kulturvermittlung in den österreichischen Museen einen zentralen Stellenwert – und im Idealfall führen Archäologen und Althistoriker durch die römischen bzw. antiken Abteilungen der Museen. In Carnuntum sind derzeit 15 Personen mit einschlägigem Studium im Team der fast 50 KulturvermittlerInnen tätig.
Während der Saison 2012 verzeichnete Carnuntum etwas mehr als 153.000 Eintritte. Davon buchten beinahe 60.000 Personen eine Führung (MacGuire 2013, 10-28). Für Individualbesucher werden seit 2013 vertiefende Themenschwerpunkte aufgearbeitet. Im Sommer 2014 soll für vier Wochen die Führung „Fluch und Segen“ angeboten werden und Alltagsreligion, Magie und religio der römischen Bevölkerung im Carnuntum des frühen 4 Jahrhunderts beleuchten. Besonderes Augenmerk wird hierbei auf die Durchführbarkeit der Führung mit Kindern gelegt. Die Führung dauert 60 Minuten.

Zum Thema ‚Alltagsglaube‘ gibt es eine Reihe von Funden, die in den Ausstellungen der letzten Jahre im Archäologischen Museum Carnuntinum in Bad Deutsch-Altenburg zu sehen waren bzw. sind: Ein Zauberpüppchen etwa, das 1979 auf den Mühläckern gefunden wurde (ÖAI Inv. 553/1979; Götterbilder 2011, Kat.Nr. 485) sowie mehrere Zaubertäfelchen (vgl. Götterbilder 2011, Kat.Nr. 486-491) und bullae (vgl. Götterbilder 2011, Kat.Nr. 502-523). Bereits im Verlauf der Einführung in das Thema kann der/die KulturvermittlerIn eine erste Aktivstation anbieten: mit Rauhleder, einem Lorbeerblatt und einer einfachen Schnur wird eine bulla gebastelt, die sich an der Führung teilnehmende Kinder um Arm oder Hals geben können. Im Gelände besucht die Gruppe zunächst das sogenannte Haus des Lucius, ein rekonstruiertes Wohnhaus aus dem frühen 4 Jahrhundert. Nach der Standardführung durch die Innenräume ist an der Außenmauer ein Bezugspunkt zur Themenführung „Fluch und Segen“ gegeben: die Kopie eines Weihaltars, der 1951 hier zutage kam, nennt Lucius Maticaeus Clemens, der den Nymphen diesen Altar weihte. Die Besuchergruppe erfährt von der/dem KulturvermittlerIn den Grund der Weihung (Probleme mit dem Grundwasserspiegel) und dem dahinter stehenden Wunsch des Hausbesitzers, mit der Weihung etwas zu geben, damit er etwas bekommt (do ut des).
Als nächstes wird die Besuchergruppe durch die Villa Urbana geführt, ein rekonstruiertes Stadthaus eines reichen Römers, das ebenfalls im frühen 4. Jahrhundert nachweisbar ist. Im Apsidensaal bekommen die Besucher die Möglichkeit, einen Segenswunsch auf tabulae ansatae aus Karton festzuhalten. Besteht die Besuchergruppe ausschließlich aus Erwachsenen, so kann der/die KulturvermittlerIn durchaus auf Fluchtäfelchen und Alltagsmagie in der Antike eingehen. Mit Kindern ist dieses Thema sensibler zu behandeln.

Als letztes Gebäude wird die sogenannte Zivilstadttherme, ein rekonstruierter Thermenbau des frühen 4. Jahrhunderts von der Gruppe besucht. In der Basilica Thermarum ergibt sich für die Besucher die Möglichkeit, den lares und penates zu opfern. Am Lararium wird die vorbereitete Toga angelegt (capite velato) und Weihrauch in einer Räucherschale verbrannt. Als Abschluss der Themenführung „Fluch und Segen“ wünscht der/die KulturvermittlerIn den Teilnehmern noch prospera sic maneat vobis fortuna (Ov. Trist. III 4, 77) oder Di vos bene ament (Plaut. Capt. 138) und verabschiedet so die Gruppe mit einem antiken Segenspruch.

Götterbilder 2011 F. Humer – G. Kremer (Hrsg.), Götterbilder – Menschenbilder. Religion und Kulte in Carnuntum (2011)
Krön 2004 M. Krön, Entdeckungsreise in eine junge Disziplin, in: M. Krön – D. Bitticher – R. Wonisch-Langenfelder, Entdeckungsreisen. Kulturvermittlung in Salzburger Museen (2004) 8-13
MacGuire 2013 I. MacGuire, Interpreting Roman Reconstructions – Opportunities, Challanges and Expectations: An Analysis at Archaeological Park Carnuntum (Austria) with Comparisons to APX, Xanten and APC, Kempten (Germany). Postgraduate Certificate in Heritage Management (2013)


© Marion Grossmann
e-mail: marion.grossmann@carnuntum.co.at

This article should be cited like this: M. Grossmann, Fluch und Segen. Zur Wissensvermittlung und Kulturpädagogik in der Archäologie, Forum Archaeologiae 70/III/2014 (http://farch.net).



HOME