Forum Archaeologiae - Zeitschrift für klassische Archäologie 70 / III / 2014

BRONZESTATUETTEN DES GOTTES MERKUR IN NORICUM UND WESTPANNONIEN

Merkurbronzestatuetten haben sich in Noricum und Westpannonien vor allem entlang der antiken Bernsteinstraße sowie der Donau, also zwei wichtigen Handelsrouten in römischer Zeit, gefunden. Der norische Zentralraum weist bis auf zwei Statuetten vom Magdalensberg und einer aus Möselhof in Kärnten dagegen keine Funde auf. Eine deutliche Konzentration der Bronzestatuetten zeigen die beiden Städte Carnuntum und Lauriacum. Ein Grund dafür könnte die starke militärische Präsenz durch die Legionslager an diesen Orten sein, die natürlich auch einen regen Geldumlauf und Kaufkraft bewirkte. Noricum weist mit bisher „nur“ 18 Merkurbronzen eine geringere Funddichte als Westpannonien (38 Stück) auf.
Die auch heute noch gültige typologische Einteilung der Merkurbronzestatuetten wurde von Annemarie Kaufmann-Heinimann anhand der Manteldrapierung aufgestellt. Sie unterschied zwischen dem nackten Typus, dem Schulterbauschtypus, dem Agraffenchlamystypus, dem Reisemanteltypus und dem Schultermäntelchentypus. Innerhalb des Agraffenchlamystypus treten in Noricum und Westpannonien zudem zwei Varianten auf: die eine trägt eine Gewandschlaufe auf der Schulter, die andere nicht. Auch das Schultermäntelchen findet sich in zwei Varianten: bei ersterer wird der Mantel schräg über die Brust gelegt, bei der zweiten in mehreren, halbkreisförmigen, parallelen Bahnen.
Alle Typen sind innerhalb des Gebietes von Noricum und Westpannonien unterschiedlich häufig vertreten. Im Gegensatz zu den westlichen Provinzen Gallien und Germanien, wo der Reisemanteltypus bei Merkurbronzestatuetten relativ häufig auftritt, ist er hier äußerst selten. Gleiches gilt für den nackten Typus. Man kann in dem hier besprochenen Gebiet von einer Favorisierung des Schulterbauschtypus sprechen.
Typologisch und auch stilistisch übereinstimmende Merkurbronzen finden sich in den näher als auch weiter umliegenden Provinzen. Eine sehr einfache Merkurbronze aus Carnuntum, bei der der Sockel gleich mitgegossen wurde, reiht sich demnach gut in eine Gruppe von Merkurstatuetten mit dem Verbreitungsgebiet Makedonien ein. Allen gemein ist ihre Schlichtheit, die grobe Bearbeitung und der konische, mitgegossene Sockel. Die Vermutung liegt also nahe, dass die Statuette aus Carnuntum über Handelsbeziehungen aus dem makedonischen Bereich donauaufwärts gelangt ist.
Ein Merkur aus Lauriacum dagegen ist einer Gruppe von drei weiteren Statuetten aus Straubing, Munderkingen und Augsburg zuzuordnen (Abb.). Die Bronzen entsprechen einerseits alle demselben Typus, andererseits stimmt die gesamte Gestaltung des Körpers sowie der Attribute gut überein. Es wurde für die Bronzen ein Werkstättenzusammenhang vermutet, der auch noch dahingehend bestärkt ist, dass ähnliche Statuetten der Fortuna in Enns, Straubing und Regensburg gefunden wurden sowie zusammenpassende Statuettenbasen. Man kann also eine Verbindung der Statuette aus Lauriacum mit den rätischen Statuetten andenken.

Für einen Merkur aus Jurišna Vas (Slowenien) kennt man gleich drei weitere Bronzestatuetten aus Neapel, Aquileia und Pompeji (oder Herculaneum), die sowohl typologisch als auch stilistisch sehr gut vergleichbar sind. Die Haltung des rechten Armes differiert zwar, dies kann aber auch leicht durch Anstückelung der Extremität bedingt sein. Auf jeden Fall weisen die Vergleiche auf eine Orientierung bzw. Herkunft der Statuette aus Jurišna Vas nach Süden hin.
Die Reihe der Merkurbronzestatuetten in Noricum und Westpannonien ist also ein weiterer Beweis für die Handelsbeziehungen zu den umliegenden Provinzen. Das Repertoire dagegen zeigt Bevorzugungen andere Typen als in diesen.

Bibliographie
A. Drack, Merkurkult in Noricum und Westpannonien (Diss. Karl-Franzens-Universität Graz 2013)
A. Kaufmann-Heinimann, Die römischen Bronzen der Schweiz I. Augst und das Gebiet der Colonia Augusta Raurica (Mainz 1977)
A. Kaufmann-Heinimann, Götter und Lararien aus Augusta Raurica. Herstellung, Fundzusammenhänge und sakrale Funktion figürlicher Bronzen in einer römischen Stadt, FiA 26 (Augst 1998)


© Anja Drack
e-mail: a.drack@gmx.at

This article should be cited like this: A. Drack, Bronzestatuetten des Gottes Merkur in Noricum und Westpannonien, Forum Archaeologiae 70/III/2014 (http://farch.net).



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