Forum Archaeologiae - Zeitschrift für klassische Archäologie 70 / III / 2014

CASTELINHO DAS MOUROS, ALCOUTIM, PORTUGAL – VERFALLSPROZESSE UND REKONSTRUKTION EINER SPÄTREPUBLIKANISCHEN ANLAGE

Zwischen 2008 und 2011 wurde in einem Kooperationsprojekt der Câmara Municipal de Alcoutim (A. Gradim), der Universität Innsbruck (G. Grabherr) und der Goethe-Universität Frankfurt am Main (F. Teichner) ein Fundplatz am Unterlauf des Guadiana archäologisch untersucht. Wie bereits G. Grabherr am 14. Archäologentag 2012 in Graz ausführte, ist das Castelinho dos Mouros („Mauren-Schlößchen“) in eine große Zahl von Anlagen einzureihen, die im Südwesten der iberischen Halbinsel in der ersten Hälfte des 1.Jhs. v.Chr. eine Blütezeit erlebten. Von portugiesischen und spanischen Forschern mit den Begriffen „Fortins romanos, castella, recintos-torre“ oder „casas fortes“ umschrieben, ist der Forschungsstand bis dato als eher unübersichtlich zu bezeichnen. Diese turmartigen Anlagen weisen in der Regel bei einer Seitenlänge von ca. 15 m eine erhebliche Mauerstärke auf und sind im Inneren durch Zungenmauern gegliedert. Eine Ausnahme u.a. ob seiner Größe bildet das Castelo da Lousa bei Mourão im Alto Alentejo.Von der Mehrzahl der Anlagen ist kaum mehr als der Grundriss des turmartigen Kernbaus bekannt, der häufig exponiert auf Hügelkuppen o.ä. zu finden ist.
Einen besonderen Stellenwert nimmt nun das Castelinho dos Mouros bei Alcoutim ein, das sich malerisch an einer Flussbiegung des Guadiana gelegen als ein mehr als 30m hoher Hügel unweit des Ufers erhebt (Abb.). Der nahezu quadratische Kernbau von ca. 15 m Seitenlänge wurde am höchsten Punkt des Grauwack-Felsens errichtet. Ein signifikanter Unterschied zu den bisher erforschten Anlagen besteht darin, dass hier eine mindestens ebenso große Fläche in derselben Bauphase mit ummauert wurde. Im Gegensatz zum Erdgeschoss des Kernbaus wurde ca. 3m tiefer ein terrassenartig angelegter Wirtschaftsbereich geschaffen. Ebendieser konnte nun im Rahmen der Lehrgrabung 2013 des Instituts für Archäologien der Universität Innsbruck unter der Leitung von G. Grabherr in Zusammenarbeit mit der Câmara Municipal de Alcoutim erfasst werden.

Im Zuge der jüngsten Geländearbeiten konnte festgestellt werden, dass beim Ausbau der Straße EM 507 zwischen Laranjeiras und Alcoutim die südliche Stützmauer der terrassenartigen Anlage abgetragen wurde, sodass die Nebengebäude und teilweise der Kernbau selbst verstärkt der Erosion ausgesetzt waren.
Bei der Auswertung der Grabungsergebnisse stellte sich die Frage, ob der Kernbau ehemals über ein oder zwei Obergeschosse verfügte. Zu diesem Zweck wurde zunächst die topographische Aufnahme des Hügels aus dem Jahre 2008 analysiert. In Abgleich mit den erhaltenen Mauerzügen ließen sich sowohl die Volumina der Baustruktur selbst als auch die der Versturzmassen bestimmen. Der CAD-gestützten Dokumentation zu Folge blieb eine derart große Menge verstürzten Baumaterials in Form von Schiefer und Grauwacken in einem ursprünglichen Erdmörtelverbund auf der Hügelkuppe liegen, sodass ein zweites Obergeschoss und eine Gesamthöhe von mehr als 10 m über dem Laufniveau des Erdgeschosses anzunehmen ist. Bemerkenswert erscheinen auch die von Nord nach Süd laufenden Längsachsen des Gebäudes; ein zentraler Mauerzug teilt den Kernbau.
Die neuen Grabungsergebnisse vermögen ein präziseres Bild der Wohnarchitektur iberischer Eliten abseits von Zentralörtlichkeiten zu geben, deren lokale und regionale Machtposition die Errichtung derartiger Anlagen ermöglichte.

Literatur
J. de Alarcão - P. C. Carvalho - A. Gonçalves (Hrsg.), Castelo da Lousa–Intervenções Arqueológicas de 1997 a 2002, Studia Lusitana 5 (Mérida 2010)
A. Gradim - G. Grabherr - K. Oberhofer - Th. Schierl - F. Teichner, Castelinho dos Mouros (Alcoutim). Um castelo da epoca republicana. Xelb 10 – Actas do 7° Congreso de Arqueologia do Algarve (Silves 2010) 215-234
P. Moret - T. Chapa Brunet (Hrsg.), Torres, atalayas y casas fortificadas: explotación y control del territorio en Hispania (s. III a. de C.--s. I d. de C.) (Jaén 2004)
F. Teichner, Entre tierra y mar / Zwischen Land und Meer Architektur und Wirtschaftsweise ländlicher Siedlungsplätze im Süden der römischen Provinz Lusitanien (Portugal), Studia Lusitana 3 (Mérida 2008) bes. 455f.


© Karl Oberhofer
e-mail: Karl.Oberhofer@uibk.ac.at

This article should be cited like this: K. Oberhofer, Castelinho dos Mouros, Alcoutim, Portugal – Verfallsprozesse und Rekonstruktion einer spätrepublikanischen Anlage, Forum Archaeologiae 70/III/2014 (http://farch.net).



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