Forum Archaeologiae - Zeitschrift für klassische Archäologie 66 / III / 2013

HERKUNFTSBESTIMMUNG RÖMERZEITLICHER WERKSTEINE IN DER SÜDSTEIERMARK

Die Frage, ob der „Aflenzer Kalksandstein“ [1], ein lokal beliebter Gesteinsrohstoff für Werksteine, in der Römerzeit wirklich in den unterirdischen Brüchen am Aflenzer Kogel nahe des municipiums Flavia Solva abgebaut wurde, leitete die folgende Untersuchung ein. Neben Steinobjekten die vermutlich aus „Aflenzer Stein“ bestehen, wurden auch noch einige weitere Steindenkmäler aus Flavia Solva und dessen Umgebung auf ihre Provenienz hin untersucht [2].
Zur Herkunftsbestimmung von Gesteinen werden unterschiedliche geowissenschaftliche Methoden angewandt [3]. Die untersuchten Werksteine konnten durch die Ermittlung ihrer petrologischen und mineralogischen Zusammensetzung, ihrer geochemischen Signatur und durch den methodischen Vergleich mit Referenzproben bestimmten Gesteinseinheiten zugeordnet werden. Die Referenzproben stammen hauptsächlich aus lokalen und regionalen Steinbrüchen und Aufschlüssen rund um Leibnitz in der Steiermark. Die Messungen wurden am Institut für angewandte Geowissenschaften an der Technischen Universität Graz durchgeführt.
Annähernd alle der beprobten Steinobjekte sind Sedimentgesteine und gehören zu neogenen Gesteinsausbildungen des Leithakalkvorkommens der Mittelsteirischen Schwelle (Abb. 1) [4]. Dieses Vorkommen von marinen Karbonatgesteinen erstreckt sich im Raum um Leibnitz in der Südsteiermark. Es gibt verschiedene Ausbildungen des Leithakalks, die sich aufgrund ihrer Bildungsbedingungen unterscheiden. Nur wenige Proben stammen vom paläozoischen Grundgebirge der Mittelsteirischen Schwelle.

Durch die Röntgendiffraktometrie (XRD) wurde die mineralogische Zusammensetzung der Proben qualitativ bestimmt [5]. Der Großteil der beprobten Werksteine lässt sich aufgrund des überwiegenden (90%) Calcit-Anteils als Kalkstein definieren. Bei Proben von siliziklastischen Abfolgen [6], wie Sandsteinen, treten Calcit und Quarz gemeinsam als Hauptphase auf.
Die geochemische Charakterisierung der Proben wurde mithilfe der ICP-OES und CF-IRMS erfasst. Bei der Analysemethode der ICP-OES (optischen Emissionsspektroskopie mit induktiv gekoppelter Plasmaionisation) [7] werden die Spurenelemente der Proben gemessen. Bei der CF-IRMS (Durchlaufanlage Isotopenverhältnis-Massenspektroskopie) wird die Isotopengeochemie der Steinobjekte untersucht [8].
Mithilfe der geochemischen Erkenntnisse (mittels CF-IRMS und ICP-OES) konnten Rückschlüsse auf die (flach-) marine Bildungsweise der Gesteine gezogen werden. Die Zuordnung zum Leithakalkvorkommen der Mittelsteirischen Schwelle wurde unter anderem, durch einen Vergleich mit Referenzproben erreicht. Für diesen Vergleich wurden die, durch die ICP-OES ermittelten Werte des Mg/Ca- und Sr/Ca-Verhältnisses herangezogen. Die Ergebnisse der Messung sind in Abbildung 2 aufgetragen, wobei die geschlossenen, blauen Rauten die beprobten Objekte aus Leithakalk und die offenen, rot – orangen Rauten die Referenzproben darstellen. Der blaue Kreis hebt die Proben, die vom Leithakalkareal der Mittelsteirischen Schwelle stammen, hervor [9].

Innerhalb der blau eingekreisten Gruppe sind einige Proben durch einen grünen Kreis markiert. Die Symbole der beprobten Steinobjekte liegen dabei sehr nahe an der Referenzprobe aus dem Römersteinbruch Aflenz [10], die als offene, orange Raute dargestellt ist. Das gut vergleichbare Mg/Ca- und Sr/Ca-Verhältnis dieser Proben deutet auf eine ähnliche Bildungsweise hin. Durch die Gruppierung um die Referenzprobe vom Aflenzer Kogel und besonders auch durch die makroskopischen und mikroskopischen Eigenschaften der Proben lassen sich die grün eingekreisten, beprobten Steinobjekte als Aflenzer Kalksandsteine ansprechen. So ermöglichten die makro- und mikroskopischen Merkmale bei manchen Proben eine genauere Zuordnung zu bestimmten Leithakalkausbildungen des Vorkommens der Mittelsteirischen Schwelle [11].

Es gibt unterschiedliche Ausbildungen des Leithakalks, deren Untergliederung sich vor allem nach dem makro- und mikroskopischen Gefüge und den Fossilbestand richtet. Unabhängig von der biogenen Schuttausbildung lassen sich härtere, dicht ausgebildete Leithakalke, wie zum Beispiel Korallen- oder Algenkalke und weichere, porenreichere Gesteine, wie Aflenzer Kalksandsteine unterscheiden [12].
Als Beispiele für Leithakalkausbildungen des Areals der Mittelsteirischen Schwelle zeigen Abbildung 3 und 4 einen „Aflenzer Stein“ vom „Römersteinbruch“ in Aflenz und den so genannten „Aframer Stein“ aus der Umgebung von Wildon. Makroskopische Unterschiede in der Gesteinsausbildung sind gut erkennbar. Die Gesteinsplatten stammen aus der Lithothek des Instituts für Angewandte Geowissenschaften, der TU Graz.
Der „Aflenzer Stein“ besteht aus zu Schutt zerriebenen Organismenresten. Die Bezeichnung „Kalksandstein“ bezieht sich auf die sandige Struktur des Algen-Schuttkalks [13]. Aflenz an der Sulm und dessen Umgebung stellten vor zirka 15.000 Millionen Jahren, im Miozän eine flache Bucht zwischen dem Korallenrasen (Fleckenriff) von Retznei und tieferen Gewässer bei Wagna dar. In dieser Bucht lagerte sich massenhaft Algen-Schuttkalk, der die zerstörten Überreste des Retzneier Fleckenriffs darstellt, ab [14].
Als Beispiel für die relativ harten, dichten und fossilreichen Leithakalke zeigt Abbildung 4 den „Aframer Stein“. Dabei handelt es sich um einen Algenkalk der Wildoner Riffbildung. Die Algen- und Hartschalenfragmente sind teilweise makroskopisch sichtbar [15]. Eine Verarbeitung des „Aframer Steins“ in der Römerzeit war nicht feststellbar. Man findet den Baustein aber an mittelalterlichen und (früh-)neuzeitlichen Gebäuden der Grazer Innenstadt [16].
Aufgrund der, durch die Analyse der Proben, gewonnenen Erkenntnisse wurden weitere römerzeitliche, mittelalterliche und (früh-)neuzeitliche Objekte aus Stein makroskopisch untersucht. Hierbei handelte es sich um unterschiedliche römerzeitliche Objektgattungen und um Bauelemente mittelalterlicher und (früh-)neuzeitlicher Gebäude und Skulpturen der Grazer Innenstadt (Abb. 5 und 6) und des heutigen Schlosses Seggau.

Durch die Studie können folgende Aussagen getroffen werden:

  • ·Die beprobten Steinobjekte aus Flavia Solva stammen von Gesteinseinheiten, die in der Umgebung von Leibnitz vorkommen.
  • ·Bei einigen Werksteinen konnte die Herkunft lokal eingegrenzt werden. Sie stammen höchstwahrscheinlich vom Aflenzer Kogel, weil dort das weitaus größte Vorkommen von Aflenzer Kalksandstein, mit einer 40 m mächtigen Bank liegt. Daneben gibt es von diesem Algen-Schuttkalk noch kleine Linsen am Hasenberg und eine 1m mächtige Schicht im Steinbruch Retznei [17].
  • ·Die Werksteine aus Aflenzer Kalksandstein wurden vorwiegend in Flavia Solva und im Umfeld der Stadt verbaut [18].
  • ·Verwendung fand der Aflenzer Kalksandstein bevorzugt bei feingliedrigen und strukturierten Steinmetzarbeiten, wie den römerzeitlichen Architekturteilen des so genannten Tempels II vom Frauenberg. Aber auch Steinkisten, Sarkophage und Reste von Hügelgräbereinbauten aus den römerzeitlichen Gräberfeldern von Flavia Solva und des spätantiken Gräberfeldes am Frauenberg sind häufig aus „Aflenzer Stein“. Bei mittelalterlichen und (früh-)neuzeitliche Objekten werden neben Skulpturen und profilierten Bauteilen, wie Pfeiler und Fenstergewände, auch Quader und Platten aus diesem Stein gefertigt (Abb. 4 und 5) [19].
  • ·Härtere, dicht ausgebildete Leithakalke in unterschiedlicher Schuttausbildung wurden vermehrt als Mauerwerksteine, Quader, Platten und ähnlich grob bearbeiteten Werksteinen eingesetzt. Beispiele dafür sind Mauerwerksteine von der Osthälfte der Insula XXII in Flavia Solva und von der Villa von Retznei [20]. Auch im Fundament des so genannten Tempels I vom Frauenberg befinden sich, neben verschiedenen fossilreichen und –armen Sandsteinen, Grünschiefer und paläozoische Dolomite, auch ein dichter, fossilreicher Leithakalk [21].

Neben dem häufig verarbeiteten Marmor ist der Aflenzer Kalksandstein als Werkstein wohl wegen seiner guten verarbeitungstechnischen Eigenschaften [22] in Flavia Solva beliebt gewesen. Als Vorteil erwies sich bestimmt auch der geringere Transportaufwand des lokal am Aflenzer Kogel anstehenden Gesteins. Die römerzeitliche Verwendung der Gesteine des Leithakalkvorkommens der Mittelsteirischen Schwelle als Werkstoff war vielfältig und auf unterschiedliche Objektgattungen, wie Grab- und Votivdenkmäler, Plastiken, Architekturteile und Mauersteine, aufgeteilt.

Bibliographie
Egartner 2012 I. Egartner, Untersuchung zur Provenienz römerzeitlicher Gesteinswerkstoffe in der Steiermark. Dipl. Graz (2012)
Friebe 1989 J.G. Friebe, Stratigraphie und Fazies der Leithakalkareale der mittelsteirischen Schwelle (Steirisches Becken, Badenien). Diss. Graz (1989)
Friebe 1990 J.G. Friebe, Lithostratigraphische Neugliederung und Sedimentologie der Ablagerungen des Badenium (Miozän) um die Mittelsteirische Schwelle (Steirisches Becken, Österreich). Jahrbuch der Geologischen Bundesanstalt 133, 2 (1990) 223–257
Füchtbauer 1988 H. Füchtbauer, Sediment-Petrologie. Sediment und Sedimentgesteine (1988)
Hauser – Urregg 1950 A. Hauser – H. Urregg, Die Kalke, Marmore und Dolomite Steiermarks. 2. Teil: Kalke (Mergel) der Neuzeit und des Mittelalters der Erde. Die bautechnisch nutzbaren Gesteine Steiermarks 4 (1950)
Kieslinger 1932 A. Kieslinger, Zerstörungen an Steinbauten. Ihre Ursache und ihre Abwehr (1932)
Morse – Mackenzie 1990 J.W. Morse – F.T. Mackenzie, Geochemistry of Sedimentary Carbonates. Developments in Sedimentology 48 (1990)
Pavicevic – Amthauer 2000 M.K. Pavicevic – G. Amthauer, Physikalisch-chemische Untersuchungsmethoden in den Geowissenschaften. Mikroskopische, analytische und massenspektrometrische Methoden 1 (2000)
Weber 1965 B. Weber, Geologie zwischen Sulm-Saggau-Staatsgrenze und der Mur/Steiermark. Diss. Graz (1965)
Wedepohl 1970 K.H. Wedepohl, Geochemische Daten von sedimentären Karbonaten und Karboantgesteinen in ihrem faziellen und petrogenetischen Aussagewert. Verhandlungen der Geologischen Bundesanstalt 4 (1970) 692–705
E.J. Zirkl, Die Lithothek. Am Institut für Technische Geologie, Petrographie und Mineralogie der Technischen Universität in Graz (1987)

Weiterführende Literatur
W.C. Dullo, Fossildiagenese im miozänen Leitha-Kalk der Paratethys von Österreich: Ein Beispiel für Faunenverschiebungen durch Diagneseunterschiede. Facies 8 (1983) 1–112
E. Flügel, Microfacies of carbonate rocks. Analysis, Interpretation and Application (2004)
E. Flügel, Mikrofazielle Untersuchungsmethoden von Kalken (1978)
J.G. Friebe, Paläogeografische Überlegungen zu den Leithakalkarealen (Badenien) der Mittelsteirischen Schwelle (Steiermark). Geologische und Paläontologische Mitteilungen Innsbruck 15 (1988) 41–57
H. Füchtbauer, Sediment-Petrologie. Sediment und Sedimentgesteine (1988)
H. Hiden, Das “Leithakalk”-Areal von Retznei-Aflenz-Wagna südlich von Leibnitz. Geologie, Fossilführung und Bergbaugeschichte. Der Steirische Mineralog 11 (2001) 14–19

[1] Gesteinsbezeichung siehe: Egartner 2012, 40f.
[2] Probenmaterial siehe: Egartner 2012, 48–64.
[3] Pavicevic – Amthauer 2000.
[4] Egartner 2012, 33–45.
[5] http://jaristoteles.com/geologie/arbeitenberichte/XRD%20-%20Bericht%20PDF.pdf (Feber 2013).
[6] Egartner 2012, 36f.
[7] http://www.geologie.uni-frankfurt.de/Staff/Homepages/Bahr/Kurzskript%20ICPOES.pdf (Feber 2013).
[8] Pavicevic – Amthauer 2000, 170; Morse –Mackenzie 1990, 124–128; Wedepohl 1970, 702–704.
[9] Die Auswertung der Ergebnisse siehe: Egartner 2012, 72–89.
[10] Egartner 2012, 40–45.
[11] Eine Zusammenfassung der Auswertung siehe: Egartner 2012, 88f.
[12] Egartner 2012, 34–37.
[13] Egartner 2012, 41.
[14] Friebe 1989, 197.
[15] Hauser – Urregg 1950 18-20.
[16] Egartner 2012, 117.
[17] Weber 1965, 88-90; Friebe 1989, 195. 197.
[18] Egartner 2012, 92f.
[19] Egartner 2012, 90-94.
[20] Egartner 2012, 50-52.
[21] Egartner 2012, 57.
[22] Kieslinger 1932, 212-220; Hauser – Urregg 1950, 24. 28. 32f.

© Isabel Egartner
e-mail: isabel.eg@gmx.at

This article should be cited like this: I. Egartner, Herkunftsbestimmung römerzeitlicher Werksteine in der Südsteiermark, Forum Archaeologiae 66/III/2013 (http://farch.net).



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