Forum Archaeologiae - Zeitschrift für klassische Archäologie 58 / III / 2011

EINE 3-D OBJEKTDATENBANK ALS WEBPLATTFORM DES ARCHÄOLOGISCHEN PARKS CARNUNTUM

In der archäologischen Sammlung des Landes Niederösterreich zur römischen Antike werden derzeit über zwei Millionen – großteils noch wissenschaftlich unbearbeitete – archäologische Fundstücke gelagert. Dazu kommen noch jene hunderttausende Neufunde, die durch die jährlichen Ausgrabungen im Bereich des Archäologischen Parks in Petronell-Carnuntum und Bad Deutsch-Altenburg zu Tage kommen.

Als wissenschaftliches Forschungszentrum und Depot für die „Archäologische Sammlung NÖ“ sowie als zeitgemäßer Ausstellungs- und Veranstaltungsstandort wurde vom Land Niederösterreich daher in den letzten Jahren eine frühere Produktionsstätte der ehemaligen k. u. k. Haupttabakfabrik in Hainburg an der Donau revitalisiert und für diese Zwecke adaptiert (Abb. 1).

Von dieser bestehenden archäologischen Sammlung kann derzeit lediglich ein Bruchteil gezeigt werden (etwa 4000 Stück, großteils im Museum Carnuntinum in Bad Deutsch-Altenburg). Der Rest musste bisher in verstreut liegenden Depots gelagert werden. Im Hinblick auf eine mittel- und langfristige Planung zur Lagerung, Bearbeitung und Präsentation der römerzeitlichen Objekte des Landes Niederösterreich sowie zur Einrichtung von Restaurierungswerkstätten für die einzelnen Fundgruppen (Buntmetall-, Eisen-, Glas-, Keramik- und Steinrestaurierung) wurden daher in diesem Gebäude drei Ebenen zur Schaffung des Depots für die „Archäologische Sammlung NÖ“ eingerichtet (Abb. 2).
Die behutsame bauliche Umsetzung der unterschiedlichen Nutzungen in diesem Gebäude der Industriearchitektur des 19. Jhs. ermöglicht für die niederösterreichische Archäologie erstmals die Schaffung einer – dem internationalen Standard entsprechenden – öffentlich zugänglichen Studiensammlung in Teilbereichen des Gebäudes inklusive dazugehöriger Arbeitsräume, Bibliothek und Fotothek sowie Fachrestaurierwerkstätten in einem einzigartigen architektonischen Rahmen (Abb. 3-4). Dazu kommt die ideale bauliche Voraussetzung des neuen Depots, wo auch die Lagerung und Präsentation von tonnenschweren Steinobjekten ohne Probleme möglich sein wird und eine gute verkehrstechnische Anbindung gegeben ist.
Doch bietet auch die Zugangsmöglichkeit zur Studiensammlung nur einen kleinen Ausschnitt des großen Denkmälerbestandes des römischen Erbes in Niederösterreich. Zudem ist die Öffnung für ein breites und zahlenmäßig großes Publikum aus konservatorischen Gründen mit großen Einschränkungen verbunden. Auch die Zahl der in früheren Ausstellungen bereits gezeigten und damit publizierten Objekte stellt nur einen verschwindend kleinen Teil des Gesamtdenkmälerbestandes dar (Abb. 5-6).

Um dem interessierten Publikum bzw. Fachkollegen einen möglichst unkomplizierten Zugang zu den (unbekannten) archäologischen Fundstücken zu ermöglichen, wurde die Entscheidung getroffen, ausgewählte Objekte bildlich und textlich mit allen museumsrelevanten wichtigen Informationen auf einer international zugänglichen Webplattform zu präsentieren. So wurden unterschiedliche Ansätze der Realisierung diskutiert, wobei letztendlich die Entscheidung getroffen wurde, neben Attributdaten auch die geometrische Beschaffenheit sowie ein fotorealistisches Modell des Fundstückes (Textur) dem Anwender zu Verfügung zu stellen.

Ausgangsbasis ist eine geometrische Datenerfassung, also die Erfassung der Geometrie eines Fundstückes mit Hilfe eines Laserscanners. Für unsere Zwecke wird ein Triangulationsscanner verwendet. Von der Systemkonfiguration besteht dieser aus einer Sendeeinheit und einer Empfangseinheit. Der Laserstreifen wird über das Objekt geführt und dessen Position wird von der Kamera aufgezeichnet (Abb. 7). Der ausgesandte und der reflektierte Laserstrahl sowie die Basis des Scanners, bestehend aus dem Abstand zwischen Laserdiode und Kamera, spannen ein Dreieck auf, über dessen bekannte Geometrie die dreidimensionale Bestimmung des Objektpunktes möglich ist. Durch die Verwendung eines Triangulationsscanners ist die Erreichung von Genauigkeit im hundertstel Millimeter-Bereich möglich. Aufgrund der Größe der Objekte und deren Oberflächenbeschaffenheit ist eine derart hohe Messgenauigkeit auch jedenfalls notwendig. Die Messkonfiguration wird jedoch durch die Reichweite und dem Aufnahmewinkel eingeschränkt, sodass hier bei der Datenerfassung auf eine ideale Messgeometrie zu achten ist.
Problematisch ist die Erfassung von spiegelnden Oberflächen, da hier kein Messsignal aufgezeichnet wird. Derartige Objekte können bislang nicht, oder nur unter Behandlung der Oberfläche mit einem Mattspray erfasst werden. An dieser Stelle sei angemerkt, dass neben der geometrischen Genauigkeit auch die Useability des Messsystems maßgeblich den Projekterfolg beeinflusst, da große Mengen an Fundstücken möglichst rasch zu erfassen sind.
Nach der eigentlichen Datenerfassung wird aus den Messdaten das geometrische Modell erzeugt (Abb. 8). Bei der Modellgenerierung ist es wesentlich, dass zwischen Datenlücken und Fehlstellen im Objekt unterschieden wird und das Modell dementsprechend behandelt wird. Da das Modell ein Abbild der Original-Geometrie sein soll, müssen Fehlstellen im Modell erhalten bleiben. Bei der automatischen Datenbearbeitung wurden entsprechende Abbruchkriterien programmiert.
Zusätzlich zur geometrischen Datenerfassung wird auch die Textur des entsprechen Objektes aufgezeichnet. Dafür werden digitale Fotos, die das Objekt zur Gänze abdecken und in der Aufnahmerichtung im Idealfall normal zur Objektoberfläche orientiert sind, aufgenommen. Um einheitliche Lichtverhältnisse und eine gleichmäßige Ausleuchtung zu gewährleisten, werden die Aufnahmen im Lichtzelt mit Kaltlichttechnologie durchgeführt.
Die Objekte werden für die Web-Präsentation jedoch nicht durch die Verwendung der Fotos texturiert, da dies zu einem Verlust der geometrischen Detailinformation führen würde. Sondern die Textur wird als Zusatzinformation in der Datenbank verspeichert und abrufbar gehalten. Zahlreiche Tests haben gezeigt, dass es derzeit noch keine geeigneten Methoden gibt, um das drei dimensionale Objekt mit der Farbinformation eines Foto zu versehen, ohne dass dabei der Bildinhalt des Fotos reduziert wird, bzw. die Detailauflösung des 3D Modells reduziert wird.
In der Datenbank werden einerseits die originale Geometrie und andererseits ein optimiertes Modell des Objektes zur Verfügung gestellt. Denn bei der Web Präsentation ist die Performance der Darstellung der kritische Systemparameter. Nachdem die hoch aufgelösten 3D-Modelle zwischen 200000 und 300000 Dreiecke groß sind (Abb. 9), ist eine sinnvolle direkte Darstellung im Web wegen des hohen Speicherbedarfs und der langen Ladezeiten nicht zielführend. Daher muss das Modell zunächst auf höchstens 15000 Dreiecke reduziert werden.
Für die Reduktion werden die hochaufgelösten Scandaten in ein 3d Animationsprogramm importiert, um darin Rundumaufnahmen zu generieren. Aus den nun generierten Daten, wird ein niedrig aufgelöstes Modell errechnet und die erstellte Textur mit neutraler Farbgebung auf ein reduziertes Modell der ursprünglichen Laserscandaten appliziert. Somit entsteht ein Objekt in 10% der ursprünglichen Geometriedichte, mit jedoch fast gleichbleibendem Informationsgehalt welcher nun ohne weiteres über das Internet portiert werden kann. Der Stil der Darstellung wurde bewusst dezent gehalten, um Schattierungen hervorzuheben unter Erhaltung aller Details.

Die im Rahmen des Scanvorgangs erstellten Fotos werden mittels Zoomtechnologie in der Applikation zur Verfügung gestellt - die hochauflösenden Bilder werden in Kacheln aufgeteilt und können somit dem Benutzer individuell in der jeweiligen Auflösung gestreamt werden, ohne lange Downloadzeiten in Kauf nehmen zu müssen.
Als Frontend wird in beiden Fällen (3D Modell und Fotos) das auf dem Markt führende Browser-Plug-in (über 950 Millionen Benutzer weltweit) eingesetzt, zusätzliche Downloadroutinen werden somit vermieden. Im Backend wurde eine SQL Server Umgebung gewählt, welche auch hardwareseitig eine sichere Langzeit Archivierung der Daten ermöglicht.

Hinsichtlich der Funktionalität der via Web zur Verfügung gestellten Datenbank (Abb. 10) gibt es grundsätzlich zwei Hauptnutzer Gruppen: Der Besucher kann sich virtuell den Datenbestand (Attribut Daten, 3D Objekt und Fotos) ansehen und so einen Einblick in die umfangreiche archäologische Sammlung des Landes Niederösterreich erhalten. Der autorisierte wissenschaftliche Nutzer erhält zusätzlich auch die Möglichkeit, die Geometrieinformation herunterzuladen und in vordefinierten Feldern Anmerkungen anzufügen. Ziel ist es, der wissenschaftlichen Fachwelt einen Zugang zu archäologischen Materialien zu geben, die derzeit nicht öffentlich zugänglich sind, um in der Folge einen wissenschaftlichen Diskurs hierüber zu ermöglichen.
IIm Jahr 2010 wurden wie geplant 1100 Objekte bearbeitet und für die Datenbank erfasst (Abb. 11). Der Hauptschwerpunkt der Objekte im Jahr 2010 basierte auf dem Katalog Carnuntum 1992, wo im Zuge der Datenerfassung die Metainformationen der Objekte ebenfalls digitalisiert werden konnten.

Im Rahmen der internationalen Konferenz Euromed 2010 (Lemesos, Zypern) - mit Teilnehmern aus über 65 Ländern - hatten wir die Möglichkeit den Workflow der Carnuntum Datenbank im Rahmen eines Vortrages und in der wissenschaftlichen Publikation international zu präsentieren; weiters konnten im Zeitraum vom 01. Jänner 2010 bis 22. November 2010, 191877 Zugriffe auf die WEBSite www.carnuntum-db.at verzeichnet werden.

Finanzierung des Projektes, Sammlung:
Amt der NÖ Landesregierung - Abteilung Kultur und Wissenschaft
Archäologischer Park Carnuntum
www.carnuntum.co.at

Datenerfassung, -aufbereitung, Kofinanzierung:
Amt der NÖ Landesregierung - Abteilung Hydrologie und Geoinformation
www.geoinfo-niederoesterreich.at

Datenverarbeitung, Applikationsentwicklung:
7reasons Medien GmbH
www.7reasons.at

© Michael Pregesbauer, Boris Stummer, Franz Humer, Michael Klein, Felix Flakus, Guenther Weinlinger
e-mail: Michael.Pregesbauer@noel.gv.at


This article should be cited like this: M. Pregesbauer et al., Eine 3-D Objektdatenbank als Webplattform des Archäologischen Parks Carnuntum, Forum Archaeologiae 58/III/2011 (http://farch.net).



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