Forum Archaeologiae - Zeitschrift für klassische Archäologie 54 / III / 2010

PARTHENONFRIES - DIE PERSPEKTIVE DES REITERZUGS

In Japan gibt es seit drei Jahren ein Projekt, das sich mit der Parthenonskulpturen beschäftigt, an dem ich als Referentin teilnehme und die Darstellung des Reiterzugs auf dem Fries analysiere. Es wird versucht, sich die dreidimensionale Anordnung der Reiter vor Augen zu führen. Ich gehe von der Voraussetzung aus, dass der Bildhauer jeden einzelnen Reiter nicht willkürlich auf die Fläche verteilt hat, sondern dass er sich zuerst die Szene mit dem Reiterzug räumlich vorstellte. Danach konvertierte er diese räumlich begriffene Szene auf die Fläche.
Bei der plastischen Formation der Reiter handelt es sich um zwei verschiedene Arten von Reihen, nämlich die Reihe der sich nebeneinander aufreihenden Reiter (Zeile) sowie die Reihe der sich hintereinander aufreihenden (Schlange). Ich kam durch die Studie der Vasenmalerei zu dem Ergebnis, dass es gewisse reglementierte Darstellungen für jede Reihe gibt. In meinem Referat werden zuerst die beiden Darstellungen vorgestellt. Diese werden dann auf den Reiterzug des Parthenonfrieses angewandt. Zuletzt werde ich ein Diagramm zusammenstellen, das den Überblick des Zugs wiedergibt.
Auf die räumliche Anordnung der Figuren des Parthenonfrieses machte Ian Jenkins schon aufmerksam (Barringer and Hurwit [Hrsg.], Periklean Athens and its Legacy, Austin 2005, 147-162). Nach Jenkins Interpretation handelt es sich nicht um eine schräge Formation, sondern um eine gerade Anordnung auf geraden Linien nebeneinander aufgestellter Reiter.
Wie bekannt ist, werden die Figuren in der griechischen Kunst hauptsächlich in Profilansicht dargestellt. Daher wurde eine Reihe der nebeneinander stehenden Figuren auch vom Profil her aufgefasst. Das heißt, dass die Reihe in die Richtung von der Oberfläche in die Tiefe des Bildes läuft, wobei die tiefere Figur von der zu uns näheren Figur etwas nach links bzw. rechts versetzt ist. Bei den Figuren im Profil nach links beispielsweise ist der hintere Körperteil der im Bild tiefer gelegten Figur von der vorderen Figur verdeckt. Ich möchte diese reglementierte Darstellung für die sich nebeneinander aufreihenden Figuren als "Zeilendarstellung" bezeichnen.
Andererseits gibt es auch eine andere Reglementierung für die Darstellung der Figurenreihen. Nämlich, wenn man Figuren zeichnete, die eine Schlange bilden, legte man gewisse Körperteile der Figuren übereinander, wie z.B. Fußgelenke, wobei die Figur, die in der Schlange hinten dargestellt ist, von der Figur vorne teilweise verdeckt dargestellt wurden. Wenn man natürlicherweise hintereinander aufreihende Figuren im Profil darstellen würde, würde man die Figuren einfach von links nach rechts im Bild positionieren. Meiner Meinung nach aber wollten die griechischen Künstler mit den sich kreuzenden Fußgelenken sichtbar machen, dass die Figuren eine Schlange bilden. Ich möchte diese reglementierte Darstellung für die sich hintereinander aufreihende Figuren als "Schlangendarstellung" bezeichnen. Durch die Betrachtung der Vasenmalerei wurde deutlich, dass die Künstler mit beiden Reglementierungen für die Reihung komplizierte Formationen darstellen wollten.

Wurden die beiden Reglementierung auch beim Parthenonfries angewandt? Die Antwort ist ja. Die Parthenonkünstler haben auch nach diesen beiden Regeln den Reiterzug geschaffen. Am Ende meines Referats werde ich ein Diagramm vorstellen, das die sich durch die beiden reglementierten Darstellungen ergebene Anordnung des Reiterzugs veranschaulicht.

© Emiko Tanaka
e-mail: emiko_tanaka@ams.odn.ne.jp

This article should be cited like this: E. Tanaka, Parthenonfries - Die Perspektive des Reiterzugs, Forum Archaeologiae 54/III/2010 (http://farch.net).



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