Forum Archaeologiae - Zeitschrift für klassische Archäologie 54 / III / 2010

RÖMISCHE NACHTTÖPFE AUS DEN DONAUPROVINZEN

In zahlreichen provinzialrömischen Keramikvorlagen ist die Einteilung, Typologisierung und Datierung der meist vor Ort hergestellten Alltagskeramik weit fortgeschritten, aber dennoch wird deren Funktionalität nicht in allen Fällen richtig erkannt und interpretiert. Davon sind vor allem keramische Haushalts- und Toilettegefäße betroffen, die oftmals dem Tafel-, Koch- oder Bevorratungsgeschirr zugeteilt werden. Derartige Haushaltsutensilien wie Nachttöpfe werden zwar in Fundvorlagen aus Italien und Frankreich thematisiert, stellen aber in der mittel- und osteuropäischen Forschung aufgrund unterschiedlicher Forschungstraditionen ein Desideratum dar.
Den Impuls zu den hier angestellten Forschungen über Nachtgeschirre in den Donauprovinzen gaben die in der Zivilstadt von Carnuntum (Archäologischer Park Carnuntum, Niederösterreich) angestellten neueren Ausgrabungen in den Jahren 2002 bis 2003 an der Weststraße, in deren Kanalisation insgesamt 30 römische Nachtgeschirre aufgefunden wurden. Direkte formtypologische Vergleiche finden sich aufgrund der rein zweckmäßig ausgebildeten Gefäßform im gesamten Donauraum, in den Rheinprovinzen und ebenso an zeitgleichen Fundorten im Mittelmeerraum (Italien, Hispanien, Kreta, Kleinasien). Hingegen treten in den gallischen Provinzen vorwiegend andere, niedrige Nachtschüsseln auf.
Im römerzeitlichen Fundmaterial aus dem Donauraum ist hauptsächlich das in der antiken Literatur belegte lasanum, ein großer Topf ohne Henkel, und nur vereinzelt die trulla, eine Pfanne mit rundem Griff, vertreten. Die Verwendung von einfachen Töpfen und Krügen zum Urinieren ist zwar literarisch überliefert, entzieht sich aber im archäologischen Fundgut weitgehend einer näheren Ansprache und Identifizierung. Bei den lasani treten generell vier unterschiedliche Gefäßformen auf: große konische Töpfe mit flachem Rand, mittelgroße konische Töpfe mit trichterförmigem Rand, kleine bauchige Töpfe mit trichterförmigem Rand und große leicht bauchige Töpfe mit ausgebogenem Rand. Die Gefäßhöhe der großen lasani beträgt etwa 30 cm und der ovale Rand variiert mitunter von 33 bis 40 cm. Alle lasani weisen eine stabile Standfläche auf und der breit ausgebildete Rand sowie die Höhe der Gefäße waren an die hockende Haltung beim Verrichten optimal angepasst. Die Größe und das Fassungsvermögen der Nachttöpfe lassen annehmen, dass sie auch von mehreren Personen, möglicherweise innerhalb einer Familie oder eines Haushaltes verwendet wurden. Darüber hinaus konnten bei den in Carnuntum aufgefundenen Nachttöpfen im Gefäßinneren Ablagerungen von Urinstein durch mineralogische und chemische Analysen nachgewiesen werden. Die Krusten weisen Schichtdicken von etwa 0,5 bis 1,5mm auf und zeigen im Querschnitt eine unregelmäßige Schichtung mit alternierend weißlich-gelblichen und dunkelbraunen Lagen.

Bei den bekannten antiken Fundorten fällt auf, dass sich das Auftreten der Nachttöpfe ausschließlich auf die römischen städtischen Ansiedlungen wie Zivilstädte, Lagervorstädte und Villen konzentriert. Die meisten Haushalte waren entweder nicht direkt oder allenfalls nur im zentralen Haus- oder Hofbereich an die öffentliche Kanalisation angebunden, weshalb zur Verrichtung der Notdurft in den Räumlichkeiten Nachtgeschirre verwendet wurden. Im militärischen Bereich, den Lagerbauten, sind hingegen Gemeinschaftsaborte (Latrinen) bezeugt.
Aus dem großstädtischen Milieu, wie Athen und Rom, berichten zahlreiche antike Autoren über die täglichen Gewohnheiten der Stadtbevölkerung, weshalb Bezeichnungen, Aussehen, Machart und lustige Anekdoten über Nachtgeschirre überliefert sind. Ebenso wurde in den Rechtstexten über Gerichtsverhandlungen geschrieben, die manchmal auch Streitfragen zum Umgang mit Fäkalien und Nachtgeschirren zum Inhalt haben. Einzelne archäologische Zeugnisse (Graffito, Inschriften, Mosaiken) informieren uns zusätzlich über die Verwendung und den Umgang mit den Nachttöpfen.

© Silvia Radbauer, Beatrix Petznek
e-mail: silvia.radbauer@univie.ac.at, beatrix.petznek@gmx.at

This article should be cited like this: S. Radbauer, B. Petznek, Römische Nachttöpfe aus den Donauprovinzen, Forum Archaeologiae 54/III/2010 (http://farch.net).



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