Forum Archaeologiae - Zeitschrift für klassische Archäologie 54 / III / 2010

NEUE FORSCHUNGEN ZUM HADRIANSTEMPEL AN DER KURETENSTRASSE IN EPHESOS

Das zumeist als Hadrianstempel bezeichnete Gebäude an der Kuretenstraße ist - nicht zuletzt auf Grund des im Jahr 1957/58 durchgeführten Wiederaufbaus - eines der bekanntesten Monumente von Ephesos. Seit seiner Entdeckung sind mehr als 50 Jahre vergangen, eine systematische Untersuchung und Publikation des Baubefundes liegen bislang jedoch nicht vor. Fragen zu Chronologie, Funktion und Rekonstruktionsdetails sind deshalb von der Forschung zwar vielfach und kontrovers diskutiert, aber nicht endgültig gelöst worden. Zur Untersuchung der komplexen Fragestellungen wird derzeit am Österreichischen Archäologischen Institut ein neues Projekt durchgeführt [1].
In seinem Grundriss entspricht das in das Variusbad integrierte Gebäude mit querrechteckiger Cella einem tetrastylen Prostylos, der zwei Säulen sowie in Verlängerung der Anten zwei Pfeiler besitzt. Die Front zur Kuretenstraße wurde von einem syrischen Giebel dominiert.
Der Ausgräber Franz Miltner identifizierte das Gebäude zunächst - vermeintlich in Übereinstimmung mit der Bauinschrift - als den literarisch belegten Neokorietempel für Kaiser Hadrian [2]. Dieser Interpretation widersprach Michael Wörrle, der die Inschrift aus prosopographischen Gründen überzeugend in die Jahre 117/118 n.Chr. und damit mehr als zehn Jahre vor der Errichtung des Neokorietempels datieren konnte [3]. Die Frage nach der Interpretation des Monuments wird zusätzlich durch Reliefdarstellungen verunklärt, die aus kunsthistorischen Gründen häufig einem Umbau im 4. Jh. zugeschrieben werden [4].

Wichtigste Quelle zur Klärung der offenen Fragen ist der Hadrianstempel selbst. Grundlage der neuen Untersuchung bildet deshalb eine - bislang nicht vorhandene - Dokumentation des gesamten Gebäudes. Aus Zeit- und Effizienzgründen wurde modernen 3D- Aufnahmeverfahren der Vorzug gegenüber einem traditionellen Handaufmaß gegeben [5]. Im Sommer 2009 wurden alle marmornen Bauteile mittels 3D-Streifenlicht-Scanning dokumentiert [6]. Die Bruchsteinmauern im Gebäudeinneren sowie die unmittelbar angrenzenden Strukturen wurden mit einem Phasenvergleichs-Scanner aufgenommen [7].
Das daraus resultierende dreidimensionale Modell ist in mehrfacher Hinsicht nutzbar: Zur Dokumentation - nicht zuletzt auch zur Vorlage als gedruckte Publikation - können Pläne und Schnitte des Gebäudes angefertigt werden. Die 3D-Daten werden aber auch zur Rekonstruktion des Daches verwendet, indem die tatsächlich vorhandenen Bauteile mit virtuellen Ergänzungen versehen werden.

[1] Die Finanzierung erfolgt durch den Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung (Projekt Nr. P20947-G02). Mein Dank gilt der Institutsdirektorin und Grabungsleiterin S. Ladstätter.
[2] F. Miltner, XXII. Vorläufiger Bericht über die Ausgrabungen in Ephesos, ÖJh 44, 1959, Beibl. 264-273. Abb. 125-134.
[3] M. Wörrle, Zur Datierung des Hadrianstempels an der ‚Kuretenstraße' in Ephesos, AA 1973, 470-477.
[4] R. Fleischer, Der Fries des Hadrianstempels in Ephesos, in: Festschrift F. Eichler, ÖJh Beih. 1 (Wien 1967) 23-71.
[5] Die Dokumentation erfolgte in Zusammenarbeit mit R. Kalasek vom Institut für Stadt- und Regionalforschung der Technischen Universität Wien, dem an dieser Stelle sehr herzlich für die gute Zusammenarbeit gedankt sei.
[6] Das 3D-Streifenlicht-Scanning wurde in Zusammenarbeit mit der Breuckmann GmbH aus Meersburg (D) durchgeführt. Bei den Geräten handelt es sich um einen Breuckmann smartSCAN-3D (Messfenster 600mm) sowie einen Breuckmann triTOS Scanner (Messfenster von 1400 mm). Den Teilnehmern an der Kampagne, B. Breuckmann, Ch. Bathow, R. Kalasek und B. Thuswaldner, möchte ich sehr herzlich für ihren Einsatz danken.
[7] Es handelte sich dabei um einen Z+F IMAGER 5006i.

© Ursula Quatember
e-mail: ursula.quatember@oeai.at

This article should be cited like this: U. Quatember, Neue Forschungen zum Hadrianstempel an der Kuretenstraße in Ephesos, Forum Archaeologiae 54/III/2010 (http://farch.net).



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