Forum Archaeologiae - Zeitschrift für klassische Archäologie 54 / III / 2010

BLATT UND BLÜTE - ZUM VEGETABILEN DEKOR ÄGINETISCH MATTBEMALTER UND BICHROMER KERAMIK

Die im Saronischen Golf gelegene Insel Ägina mit der Hauptsiedlung Kolonna war in der Früh- und Mittelbronzezeit eines der wichtigsten Zentren der Ägäis [1]. Ihre große überregionale Bedeutung manifestiert sich u. a. in einer langen Tradition der Keramikherstellung [2] sowie im umfangreichen Export ihrer Töpfereiprodukte in zum Teil weit entfernte Gebiete [3].
Zu den typischen Gattungen äginetischer Keramik zählen die langlebige und bis in mykenische Zeit hergestellte "mattbemalte Keramik" (monochrom dunkle Malfarbe auf hellem Grund) und die erst ab der Schachtgräberzeit produzierte "bichrome Keramik" (zweifarbiger Dekor in schwarz und rot). In der Schachtgräberzeit wurden die bis dahin vorherrschenden geometrischen Muster durch kurvilineare Motive ersetzt, und zum ersten Mal traten vegetabile Dekorelemente (wie Efeublätter, Rosetten etc.) in Erscheinung, von denen bislang jedoch nur vereinzelte Beispiele bekannt geworden sind [4].
Ein vor wenigen Jahren bei den Salzburger Grabungen in Ägina - Kolonna entdeckter prähistorisch verfüllter Brunnenschacht erbrachte große Mengen schachtgräberzeitlicher äginetischer Keramik, die zahlreiche Beispiele vegetabiler Dekore umfasste: Diese finden sich auf einer Reihe von Gefäßformen wie etwa Kannen, Amphoren und Schalen und treten entweder als (gereihte) Einzelmotive oder als untergeordnetes Dekorelement auf. Tassen ("Panelled Cups") konnten zuweilen sogar vollständig mit einem flächigen Dekor aus Efeublättern an langen Stielen überzogen sein (Abb.). Keramik mit einem sehr ähnlichen Dekor wurde auch an anderen Grabungsorten gefunden: So stammen aus den Schachtgräbern von Mykene Amphoren, deren Schulterdekor aus einem charakteristischen, mit den Tassen vergleichbaren Efeublattmuster besteht [5]. Diese Gefäße wurden jedoch meist als kykladische Importe angesprochen, obwohl direkte Parallelen fehlen. Durch Vergleiche mit Neufunden aus Kiapha Thiti gelangte J. Maran schließlich zur Erkenntnis, dass es sich auch bei diesen Stücken um äginetische Produkte handeln könnte [6] - eine Auffassung, die nur wenig Widerhall in der Forschung gefunden hat. Die eindeutig als äginetisch identifizierten Gefäße mit entsprechendem Dekor aus dem Brunnendepot unterstützen Marans These und können darüber hinaus helfen, die Frage nach der Herkunft weiterer mit vegetabilen Motiven bemalter Vasen verschiedener Fundorte zu beantworten. In der Folge ergeben sich daraus auch weiterführende Fragen nach Vorbildern und Verbreitung dieser in der Schachtgräberzeit neu auftretenden Motive äginetischer Keramik.

[1] H. Walter - F. Felten, Die vorgeschichtliche Stadt. Befestigungen, Häuser, Funde, Alt-Ägina 3, 1 (Mainz 1981).
[2] Zuletzt s. W. Gauß - R. Smetana, Aegina Kolonna, The Ceramic Sequence of the SCIEM 2000 Project, in: F. Felten - W. Gauß - R. Smetana (Hrsg.), Middle Helladic Pottery and Synchronisms. Proceedings of the International Workshop held at Salzburg October 31st - November 2nd, 2004, Ägina - Kolonna 1 (Wien 2007) 57-80.
[3] K. Pruckner, Keramik als Exportgut. Äginetische Gefäße der Schachtgräberzeit und ihre Verbreitung in der Ägäis, in: Exportschlager. Akten zur Humboldts studentischen Konferenz der Altertumswissenschaften (Berlin, in Druck).
[4] Beispiele etwa bei S. Hiller, Mykenische Keramik, Alt-Ägina 4, 1 (Mainz 1975) Taf. 2.
[5] G.E. Mylonas, Ho Taphikos Kyklos B ton Mykenon (Athen 1973) Taf. 65 δ (Δ-65); 145 γ (Ν-170).
[6] J. Maran, Rezension von: S. Dietz, The Argolid at the Transition to the Mycenaean Age. Studies in the Chronology and Cultural Development in the Shaft Grave Period (Kopenhagen 1991) PZ 68, 1993, 155-161.

© Katharina Pruckner
e-mail: katharina.pruckner@sbg.ac.at

This article should be cited like this: K. Pruckner, Blatt und Blüte - Zum vegetabilen Dekor äginetisch mattbemalter und bichromer Keramik, Forum Archaeologiae 54/III/2010 (http://farch.net).



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