Forum Archaeologiae - Zeitschrift für klassische Archäologie 54 / III / 2010

DIE ENTMYTHOLOGISIERUNG DES ALEXANDERMOSAIKS AN DER DARSTELLUNG DES DAREIOS

Im berühmten Alexandermosaik in Neapel ist der Gegner des Alexander, Dareios III, mit einer ausdrucksvollen Geste dargestellt: Er weist mit seinem rechten ausgestreckten Arm in Richtung der linken Bildhälfte. In diesem Vortrag möchte ich über diese Geste sprechen und die bisherigen Interpretationen nochmals genauer betrachten.
Manche Forscher des Mosaiks haben bisher diese Gebärde als Zeichen des Mitgefühls angesehen. Nach dieser Meinung lehnt sich der große König aus dem Streitwagen heraus und streckt aus Mitleid seinen rechten Arm zum vom Speer Alexanders getroffenen persischen Soldaten aus. Hier sei eine Tragödie des menschlichen, barmherzigen Großkönigs dargestellt. Aber es gibt in der griechischen Kunst kein einziges vergleichbares Beispiel, das in irgendeiner Weise ein solches Mitleid oder zumindest die Geste des Mitgefühls zum Ausdruck gebracht hätte. Diese Interpretation macht auch das Thema des Gemäldes allzu kompliziert, fast zwiespältig, da die Zentralfigur des Mosaiks Alexander gewesen sein soll.

Dagegen sieht eine Minderheit der Forscher diese Geste des Armes von Dareios als ein Bittflehen an. Nach dieser Auffassung bittet der Großkönig aus Feigheit Alexander um sein Leben. Der Vortragende stimmt dieser Deutung zu. Diese Darstellung entspricht der Nachricht Arrians und es gibt tatsächlich eine unteritalienische Vasenmalerei, die ohne Zweifel das Bittflehen von Dareios vor Alexander ausdrückt. Diese Geste gehörte außerdem in der Antike zur typischen Gebärdensprache und sie drückt eindeutig ein Bittflehen aus. Es gibt dafür viele Vergleichsbeispiele. Die Geste war nämlich ein Topos in der antiken Kunst.
Es handelt sich hier auch um die typische Barbarenanschauung der damaligen Griechen. Das persische Volk wurde nämlich bei den Griechen mit zwei widersprüchlichen Charakterzügen beschrieben: Die Perser waren sowohl für ihre Schwäche und Feminität als auch für ihre außerordentliche militärische Stärke bekannt. Schwäche und Trägheit scheinen sich in der Darstellung des Dareios in diesem Mosaik widerzuspiegeln, während die barbarische militärische Kraft im Bild durch eine Episode des edlen, sich selbst opfernden Soldaten zum Ausdruck gebracht wird.
Im Alexandermosaik ist nach der Meinung des Vortragenden eine andere Eigentümlichkeit dargestellt, die von den Griechen für typisch persisch gehalten wurde. Es handelt sich um eine Darstellung eines Soldaten, der ein Pferd für den König bereitstellt. Eine offensichtliche Betonung des Lehensverhältnisses kann man auch in den typischen Barbarendarstellungen erkennen. Der Ausdruck des sich um ein Pferd sorgenden Soldaten ist auch im Alexandersarkophag zu finden.
Die Vorlage des Mosaiks thematisiert die Konfrontation zwischen den Griechen und den östlichen Barbaren. Hier wird der traditionelle Vergleich zwischen den tapferen Griechen und dem feigen asiatischen König dargestellt.

© Toshihiro Osada
e-mail: osada@geijutsu.tsukuba.ac.jp

This article should be cited like this: T. Osada, Die Entmythologisierung des Alexandermosaiks an der Darstellung des Dareios, Forum Archaeologiae 54/III/2010 (http://farch.net).



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