Forum Archaeologiae - Zeitschrift für klassische Archäologie 54 / III / 2010

DE VICULO NOVO IN NORICO
Die römerzeitliche Siedlung von Schönberg (MG Hengsberg, VB Leibnitz/Stmk.)

Neue Erkenntnisse zur ländlichen Besiedelung Noricums versprechen die Ergebnisse einer im Frühjahr 2008 beendeten Rettungsgrabung an der Trasse der Koralmbahn, welche von der Fa. ARGIS Archäologie Service OEG im Auftrag der ÖBB-Infrastruktur Bau AG im Voreinschnitt für den Tunnel Hengsberg durchgeführt wurde. Die massiven baulichen Eingriffe brachten am Südportal des mittlerweile fertiggestellten Tunnels auf dem Gebiet der MG Hengsberg, VB Leibnitz in der KG Schönberg ein archäologisch relevantes Siedlungsgebiet zum Vorschein, das bis vor kurzem wissenschaftlich völlig unbekannt war.
In den Jahren 2006-08 wurde in drei Kampagnen im unteren Laßnitz-Tal eine zusammenhängende Fläche von ~4,5 Hektar mit insgesamt 1462 Befundobjekten zum Teil aus der mittleren bis späten Bronzezeit, der Urnenfelderzeit und mehrheitlich der Römerzeit untersucht. Die Befunde kamen zwischen 302 und 321m Meereshöhe bei der KG Schönberg auf Wald- und Ackerflächen unter 0,5 bis 1,2m mächtigen Kolluvia zum Vorschein und erbrachten hauptsächlich römisch zu datierende Objekte, die auf einen noch wenig erforschten "traditionell - ländlichen" Siedlungstyp in einer reinen Holzbauweise hinweisen, der sich vom Typ der Villa rustica deutlich zu unterscheiden scheint und somit nicht in das bekannte Raster von Vici, Villae und Mansiones passen dürfte. Frühmittelalterliche Befunde lassen eher an eine Frequentierung, denn an eine Besiedlung des Gebietes denken.
Die römerzeitlich besiedelte Fläche erstreckt sich in leichter Hanglage über dem heutigen Talboden. In der Antike dürfte die Siedlung fast auf halber Höhe der das Laßnitztal einrahmenden Hügel gelegen sein. Hierbei handelt es sich um eine Vielzahl von Ständerbauten, deren Größe und Ausdehnung an eine landwirtschaftlich geprägte Siedlung denken lassen. Zudem kann bereits jetzt von einer mehrphasigen Baustruktur einzelner Gebäude ausgegangen werden. Die Gesamtausdehnung der baulichen Strukturen ist nicht genau bekannt, da lediglich der Nordost- und Ost-Abschluss des Siedlungsgebietes dokumentiert werden konnte.
Das Fundmaterial der römerzeitlichen Siedlung umfasst mehrheitlich Grobkeramik lokaler und regionaler Provenienz von unterschiedlicher Qualität. Die Randformen schließen vorerst noch an laténezeitliche Traditionen an und unterliegen nur einer langsamen typologischen Entwicklung. Importierte Keramik, die sich wegen der widrigen Bodenverhältnisse sehr schlecht erhalten hat, umfasst in einer sehr überschaubaren Zahl u.a. wohl als süd- und mittelgallisch anzusprechende Sigillaten. Die Menge an Metallfunden ist gering; hauptsächlich handelt es sich um Eisengegenstände für den landwirtschaftlichen Gebrauch.
Es ist davon auszugehen, dass die römerzeitliche Siedlung von Schönberg in der zweiten Hälfte des 1.Jh. n.Chr. bereits florierte, in Ermangelung des Baumaterials die anderswo festgestellte Steinbauphase nicht durchlebte und es in der Mitte des 4.Jh. n.Chr. zur endgültigen Absiedlung kam.

© Karl Oberhofer
e-mail: oberhofer.karl@brennercom.net

This article should be cited like this: K. Oberhofer, De viculo novo in Norico. Die römerzeitliche Siedlung von Schönberg (MG Hengsberg, VB Leibnitz/Stmk.), Forum Archaeologiae 54/III/2010 (http://farch.net).



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