Forum Archaeologiae - Zeitschrift für klassische Archäologie 54 / III / 2010

WIE BEHAGLICH LEBTEN DIE RÖMER AUF EINER HYPOKAUSTHEIZUNG?

Da ich beruflich heiztechnisch vorbelastet bin, interessierte mich dieses Heizsystem. Das Prinzip wirkt ganz einfach und, wegen der Lage unter dem Fußboden wird es häufig mit der modernen Fußbodenheizung verglichen. Reine Hypokaustheizungen ohne Tubulatur wurden bisher, soweit mir bekannt, weder berechnet, noch gibt es publizierte Heizversuche. Die wenigen konkreten Daten, die es Hypokaustheizungen betreffend gibt, beziehen sich auf voll tubulierte Räume, somit nicht auf die in Wohnhäusern verwendeten reinen Unterbodenheizungen.
Trotzdem kann man auf Grund heiztechnischer Berechnungen und einer Interpretation der wenigen Daten einige Aussagen treffen. Zum Zweck einer Objektivierung und besseren Vergleichbarkeit habe ich als Grundlage moderne Flächenheizungen und deren Normen herangezogen.
Die wichtigsten von Heizungen beeinflussbaren Kriterien müssen jedenfalls erfüllt werden, damit man von einem behaglichen Wohnraum sprechen kann:
1.) Deckung des Normwärmebedarfs bei einer Raumtemperatur von 20° und einer Außentemperatur von -12° (ÖNORM)
2.) Bodentemperatur gleichmäßig und nicht zu hoch (ÖNORM max. 29°, darüber unbehaglich bis gesundheitsschädlich)
3.) Gleichmäßige Temperaturverteilung im Raum
4.) Geringe Temperaturunterschiede der Raumumschließungsflächen
5.) Keine Luftzug - Erscheinungen
6.) Regelbarkeit der Einzelräume
Beispielhaft wird die Villa Urbana im Archäologiepark Carnuntum herangezogen, weil viele Archäologen diese sorgfältige Rekonstruktion kennen. Auf die oben angeführten Kriterien überprüft werden die Räume 2 und 3 (Abb. a), weil wegen ihrer Raumform und Größe Eigenheiten der Hypokaustheizung besonders gut erkennbar sind. Aus Platzmangel können nur die Resultate der Berechnungen und Überlegungen angeführt werden.

Raum 2 Wohnraum: Fläche 19,7m², Gesamtwärmebedarf 3280W (entspricht einer modernen, wärmegedämmten Wohnung mit ca. 60m²),
1.) Wärmebedarfsdeckung ist zu erwarten; erforderliche Leistung: 166 W/m² (mehr als das 1,5 - fache des heute bei Fußbodenheizungen Zulässigen!). Da der anschließende Raum 3 (Wärmebedarf wesentlich höher) mit dem gleichen Präefurnium mitbeheizt wird, muss deshalb Raum 2 stark überheizt werden.
2.) Die zur Wärmebedarfsdeckung notwendige Fußbodentemperatur von über die Gesamtfläche gleichmäßig 35° wäre an sich schon zu hoch, wegen der o.a. Überheizung muss sie aber noch höher sein.
3.) Die Bodentemperatur im Bereich des Praefurniums ist wesentlich höher als im restlichen Raum.
4.) Der Boden wird extrem warm, die westliche Bruchsteinmauer kalt sein.
5.) Die Bodentemperatur ist sehr hoch. Bedingt durch den zur Zeit offenen Durchgang zum zwangsläufig kühleren Raum 3 sind daher Zugerscheinungen zu erwarten.
6.) Ein Präfurnium beheizt Raum 2 u. 3, eine unabhängige Abstimmung der Beheizung auf die Bedürfnisse eines der beiden Räume ist nicht möglich.
Folgerung: behaglich wird es kaum sein. Etwas besser wäre die Situation betreffend die Boden - und Raumtemperatur sowie die Zugerscheinungen, wenn man den Raum 2 mit einer Türe abschließt und nur soviel heizt, dass er, abgesehen von der Bodentemperatur, passt. Raum 3 wäre dann allerdings nicht richtig warm. Eine Beheizung von Raum 2 auf 20°, ohne die heute zulässigen 29° Bodentemperatur zu überschreiten, wäre erst bei einer Außentemperatur von 0°, oder höher, möglich.

Raum 3 Apsisraum: Fläche 59,9m², Gesamtwärmebedarf 15.110W (entspricht zwei modernen Einfamilienhäusern)
1.) Wärmebedarfsdeckung schwierig, erforderliche Leistung: 252 W/m² (das 2,5 - fache des heute bei Fußbodenheizungen Zulässigen!). Wie o.a. müsste Raum 2 stark überheizt werden, damit genügend Wärme in den Hypokaustbereich von Raum 3 gelangt.
2.) Die zur Wärmebedarfsdeckung notwendige Fußbodentemperatur von gleichmäßig 43° wäre viel zu hoch. Da der Abzug der Rauchgase (= Heizgase) im Apsisbereich d.h. über 12,85m weit vom Präfurnium erfolgt, ist zu erwarten, dass der Boden in der Raummitte erheblich wärmer wird als entlang der hohen, kalten Längswände (Abb. a). Die Heizgastemperatur sinkt auf dem langen Weg zu den Abzügen stark, das bedeutet, dass die Bodentemperatur (= Heizleistung) bis in die Apsis ca. auf die Hälfte absinken wird.
3.) Ähnlich verlaufend fällt die Raumtemperatur.
4.) Der Boden muss extrem warm sein, die Wände aus Bruchstein sind hingegen kalt.
5.) Als Folge der unter Pkt. 2 - 4 angeführten erheblichen Temperaturunterschiede und der Raumhöhe (6m) ist in mit erheblichen Zugerscheinungen zu rechnen (Abb. b-c).
6.) Analog wie bei Raum 2 ausgeführt.
Folgerung: behaglich wird es nicht sein. Wird der Raum über längere Zeit dauernd beheizt, könnten die starken Unterschiede innerhalb des Raums geringer werden. Eine volle Beheizung auf 20°, ohne die heute zulässigen 29° Bodentemperatur zu überschreiten, wäre erst bei einer Außentemperatur über 0° möglich.

Ergänzend sollte man bedenken:
- Hypokaustheizungen sind nicht überall gleich ausgeführt, die o.a. Erscheinungen können daher unterschiedlich stark auftreten. Im Vergleich mit anderen Objekten konnte ich aber die gleiche Grundtendenz feststellen.
- Kleine, niedere Räume sind für dieses Heizsystem günstiger als große und hohe.
- Die maximale Bodentemperatur der ÖNORM ist (damals wie heute) gesundheitlich begründet.
- Vermutlich war man an kalten Tagen mit niedrigeren Raumtemperaturen eher zufrieden als heute.
- Es ist alles relativ: im Vergleich zu anderen Heizmöglichkeiten, die zur Verfügung standen, war die Hypokaustheizung vermutlich trotzdem die beste Alternative.

Eine über diese Teilaspekte hinausgehende Darstellung der römischen Hypokaustheizungen wird meine Dissertation bringen. Anhand von zehn Objekten werden u.a. Bauformen, Leistungsgrenzen, Behaglichkeit, Strömungsverhältnisse, Temperaturverteilung, bautechnische Probleme, Brennstoffverbrauch, richtiger schadenfreier Heizbetrieb und Auswirkungen auf die Umwelt dargestellt. Damit soll ein besseres Verständnis dieses Heizsystems ermöglicht und eine Hilfestellung gegeben werden, bei künftigen Rekonstruktionen und Heizversuchen Probleme zu vermeiden.

© Hannes Lehar
e-mail: hannes.lehar@aon.at

This article should be cited like this: H. Lehar, Wie behaglich lebten die Römer auf einer Hypokaustheizung?, Forum Archaeologiae 54/III/2010 (http://farch.net).



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