Forum Archaeologiae - Zeitschrift für klassische Archäologie 54 / III / 2010

FORSCHUNG AN MUSEEN: DIE PORTRÄTS DER WIENER ANTIKENSAMMLUNG

Unter den in der Antikensammlung des Kunsthistorischen Museums verwahrten Skulpturen befinden sich viele Porträts, darunter vorwiegend Marmorbüsten aus römischer Zeit mit zahlreichen nachantiken Veränderungen. Diese Ergänzungen und Überarbeitungen sind eng mit der Geschichte der historisch gewachsenen Sammlung und mit dem jeweiligen Zeitgeschmack verbunden. Die überwiegend aus habsburgischem Besitz stammenden Skulpturen dienten oft als Schmuck von Brunnen- und Gartenanlagen sowie zur Ausstattung von Prunkräumen.
Im Gegensatz zur heutigen musealen Grundhaltung, Kunstwerke "nur" zu bewahren und bestmöglich zu konservieren, hat man seit dem Ausgang der Antike die meisten Kunstwerke dem eigenen Zeitgeschmack und Verwendungszweck entsprechend "adaptiert". Diese Erkenntnis erleichtert den Zugang zu den Veränderungen, denen die antiken Porträts seit ihrer Entdeckung unterzogen wurden.
Im Zentrum des Forschungsvorhabens steht daher die aktuelle Frage, welche Kriterien für eine Beurteilung einer Skulptur herangezogen werden können, die sich in einer historisch gewachsenen Sammlung befindet und - anders als ein archäologischer Bodenfund - nicht mehr im ursprünglichen Zustand erhalten ist, sondern seit ihrer Auffindung womöglich mehreren Veränderungen unterzogen wurde.

Von den rund 250 Porträts (ohne die ephesischen Funde) des Bestandes ist ungefähr ein Fünftel ausgestellt, die übrigen sind deponiert und großteils noch unpubliziert. Vorarbeiten wurden bereits in den Jahren 2003 bis 2005 im Rahmen der Neuaufstellung der Antikensammlung geleistet: Die nun seit September 2005 präsentierten Porträts sind restauriert, neu montiert, fotografiert und wissenschaftlich dokumentiert.
Ziel des Forschungsprojektes ist die wissenschaftliche Aufarbeitung des Bestandes nach chronologischen, typologischen und hermeneutischen Gesichtspunkten.
Neben der vollständigen Dokumentation der einzelnen Porträts (Fundort, Vorbesitzer, Erwerbung, Geschichte innerhalb der Sammlung) ist die Provenienzforschung von besonderer Bedeutung, da sie neben der stilistischen und technischen Analyse Rückschlüsse auf die zeitliche Stellung der Ergänzungen liefern kann.
Schwerpunkte des Vorhabens bilden die Identifizierung und Einordnung der Ergänzungen und Überarbeitungen neben der restauratorischen Betreuung und den fotografischen Neuaufnahmen. Die Anfertigung von Bildvorlagen ist Grundvoraussetzung für den geplanten neuen Katalog: Vorgesehen sind eine Publikation des Bestandskataloges mit kommentiertem Katalog und einem Tafelteil. Das dreijährige Forschungsprojekt hat die Erstellung des ersten Teilbandes zum Inhalt, mit insgesamt 65 Bildnissen von benannten und unbenannten Kaiserinnen, Frauen, Mädchen und Dichterinnen. Die Gliederung in vorrömische, römische (republikanische, kaiserzeitliche, spätantike) und nachantike Porträts folgt dem Schema ähnlicher Bestandskataloge europäischer Museen.
Die Ergebnisse werden auch in die bereits bestehende Bilddatenbank des Kunsthistorischen Museums eingearbeitet und in einer Ausstellung präsentiert.
Die Erarbeitung eines wissenschaftlichen Bestandskataloges der Porträtskulptur der Antikensammlung des Kunsthistorischen Museums wird im Förderprogramm forMuse des Bundesministeriums für Wissenschaft und Forschung unterstützt. Dadurch ist die Finanzierung von zusätzlichen Mitarbeiter/innen für die Durchführung des ersten Teils des umfassenden Forschungsprojekts (Die weiblichen Porträts) für die Dauer von drei Jahren gesichert.

Projektteam: Dr. Manuela Laubenberger (Leitung), Dr. Ulrike Müller-Kaspar, Dr. Alfred Bernhard-Walcher.
Restaurierung: Mag. Brigitte Proll, Mag. Viktor Freiberger, Alexander Freiberger).
Naturwissenschaftliche Untersuchungen: DI Dr. Martina Griesser, Dr. Vaclav Pitthard.
Fotodokumentation: Fotoatelier des Kunsthistorischen Museums (Leitung Stefan Zeisler).
Kooperationspartner: Österreichisches Archäologisches Institut in Wien; Museo Nacional del Prado in Madrid; Staatliche Antikensammlungen und Glyptothek in München.
Links: www.khm.at, www.formuse.at


© Manuela Laubenberger
e-mail: manuela.laubenberger@khm.at

This article should be cited like this: M. Laubenberger, Forschung an Museen: Die Porträts der Wiener Antikensammlung, Forum Archaeologiae 54/III/2010 (http://farch.net).



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