Forum Archaeologiae - Zeitschrift für klassische Archäologie 54 / III / 2010

EIN KAISER IM PHARAONENGEWAND AUS CARNUNTUM?

Im Archäologischen Museum Carnuntinum befindet sich ein lebensgroßer Kopf mit ägyptischem Königskopftuch (Inv. 3937) aus lokalem Kalksandstein mit der Fundortangabe "Carnuntum?". Gesichtsform und Augenpartie weisen den Kopf als ein Werk der römischen Kaiserzeit aus.
Die besten Vergleichsbeispiele stellen Kaiserstatuen im Pharaonengewand dar, die mit der iulisch-claudischen Dynastie beginnen und in der Nachfolge der ptolemäischen Herrscherbildnisse stehen. Ihr Porträtcharakter wird deutlich an den Stirnlocken und an den physiognomischen Charakteristika, die den Vergleich mit den bekannten Kaiserporträts ermöglichen. Unter anderem ließen sich Octavian, Nero, Septimius Severus und Caracalla in dieser Form darstellen. Bildnisse des Domitian als Pharao, beispielsweise aus dem Isis-Heiligtum in Benevent, erscheinen hingegen im traditionellen ägyptischen Stil mit nur geringen individuellen Zügen.
Die Zuweisung des Carnuntiner Kopfes an einen bestimmten Kaiser ist auf Anhieb unmöglich, denn er lässt keine porträthaften Züge erkennen. Der tiefe Ansatz des Kopftuchs verhindert die Darstellung einer individuellen Haartracht; ein Bart ist mit Sicherheit nicht vorhanden. Der Gesichtstypus entspricht jedoch nicht dem traditionellen ägyptischen Stil mit flachen Gesichtsformen und mandelförmigen Augen, wie bei den Beneventer Statuen des Domitian.
An dieser Stelle ist ein Blick auf das Carnuntiner Umfeld nötig. Im Jahr 1979 wurde eine monumentale Bau- und Weiheinschrift für Sarapis (und Isis) gefunden, die zum Wohl des Kaisers Caracalla und der Iulia Domna 213/214 n.Chr. vom Legionslegaten gesetzt wurde. Sie bezeugt einen Tempel in den östlichen Canabae von Carnuntum und steht in Zusammenhang mit dem Aufenthalt Caracallas in Carnuntum anlässlich seiner expeditio gegen die Quaden.
Vor diesem historischen Hintergrund möchte man den Kopf einer Statue des Kaisers Caracalla im Pharaonengewand zuweisen. Dazu würden die Hiebspuren im Gesicht passen, da Caracalla die damnatio memoriae erfuhr. Störend ist aber das Fehlen jeglicher porträthafter Züge, besonders des Bartes, den man für ein Caracalla-Porträt dieser Zeit wohl voraussetzen muss. Daher darf auch eine frühere Datierung, etwa in die Zeit des Kaisers Domitian, nicht ausgeschlossen werden. Auch er hielt sich während der Kämpfe gegen Quaden und Markomannen in Carnuntum auf und erfuhr später die damnatio memoriae. Unter den Flaviern sind umfangreiche Baumaßnahmen unter anderem im Legionslager, im Auxiliarkastell und seit neuestem wohl auch im Amphitheater I belegt. Die Vorliebe Caracallas für die ägyptischen Götter ist u.a. literarisch sowie durch die Bautätigkeit in großen Isisheiligtümern (Benevent, Iseum Campense in Rom) bezeugt. Für eine Zuweisung des Carnuntiner Kopfes an Domitian könnten das Fehlen des Bartes, das auf traditionelle Vorbilder zurückgreifende, tief in die Stirn reichende Königskopftuch sowie die erkennbaren formalen Details des Kopfes sprechen.
Ein Tempel für ägyptische Götter in flavischer Zeit wäre allerdings für Carnuntum eine kleine Sensation, ähnlich wie es das flavische Isis- und Magna Mater-Heiligtum in Mainz bereits ist. Der Isiskult ist ab dem 1. Jahrhundert in den innerpannonischen Städten entlang der Bernsteinstraße bezeugt, während der Sarapiskult am Donaulimes erst in severischer Zeit aufblüht. Doch sei hier an den frühen Beginn eines anderen Mysterienkultes orientalischer Herkunft - des Mithraskultes - in Carnuntum erinnert, der durch den Weihaltar eines centurio der 15. Legion wahrscheinlich noch vor 96 n.Chr. datiert werden muss.
Die genannte Bauinschrift für Sarapis (und Isis) in der Ergänzung durch E. Weber lässt die These eines flavischen Isisheiligtums jedenfalls zu, denn sie berichtet von der Renovierung eines Tempels unter Caracalla. Da aber die Formulierung templum vetustate conlapsum (...) restituit - wenn auch plausibel - nur ergänzt ist, kann die Datierung des Tempels und damit des möglichen Umfeldes für die Statue im Pharaonengewand letztlich nur durch eine Ausgrabung an der richtigen Stelle der Carnuntiner Canabae geklärt werden.

© Gabrielle Kremer
e-mail: gabrielle.kremer@oeaw.ac.at

This article should be cited like this: G. Kremer, Ein Kaiser im Pharaonengewand aus Carnuntum?, Forum Archaeologiae 54/III/2010 (http://farch.net).



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