Forum Archaeologiae - Zeitschrift für klassische Archäologie 54 / III / 2010

WOHNGEBÄUDE, BEGRÄBNISSTÄTTE UND SCHMIEDE? - EIN NEBENGEBÄUDE DER VILLA RUSTICA VON BREDERIS (VORARLBERG) IM WANDEL DER ZEIT

Im Frühjahr 1954 erfolgte nach Entdeckung römischen Mörtelmauerwerks in einem Acker im sogenannten Weitried von Brederis/Rankweil die Ausgrabung eines zu einer villa rustica gehörenden Gebäudes. Dabei erkannte der Ausgräber E. Vonbank sehr rasch, dass die freigelegten Strukturen zu zwei verschiedenen Bauten aus unterschiedlichen Epochen gehören mussten: Einerseits zu einem rechteckigen Bau römischer Zeitstellung mit fünf Räumen (zwei davon hypokaustiert) und angesetzter halbrunder Apsis, andererseits zu einem kleinen langrechteckigen Gebäude mit weniger sorgfältigem Mauerwerk mittelalterlicher Prägung, welches das römische Gebäude im zentralen Bereich quer überlagert. Gedeutet wurden die beiden freigelegten Strukturen als Hauptgebäude eines mittelkaiserzeitlichen Gutshofs und - aufgrund des hohen Anteils an Eisenfunden im jüngeren Gebäude - als mittelalterliche Hufschmiede.
Nach neuen Untersuchungen in der unmittelbaren Umgebung des 1954 ausgegrabenen Gebäudes müssen diese Ansichten teilweise modifiziert werden. So zeigte eine 1996 durchgeführte geophysikalische Prospektion (Geomagnetik), dass der von E. Vonbank vorgelegte Grundrissplan des römischen Gebäudes um eine von ihm zwar bereits vermutete, aber nicht freigelegte L-förmige Portikus erweitert werden muss und dass sich unmittelbar nordwestlich ein weiteres Gebäude der Gutshofanlage anschließt, welches zuerst als kleines Nebengebäude interpretierte wurde, sich aber im Zuge der Ausgrabung in den Jahren 2002-2007 durch das Bundesdenkmalamt als das eigentliche Hauptgebäude der Anlage in Gestalt einer Portikus-Eckrisalit-Villa entpuppte. Im Zuge der laufenden Aufarbeitung dieser rezenten Grabung für die Endpublikation wird auch das 1954 entdeckte Gebäude mit einbezogen, indem die vorliegende, spärliche Grabungsdokumentation nochmals analysiert und die wenigen geborgenen Funde in den Katalog aufgenommen werden sollen.

Damit erhofft man sich neue Aufschlüsse zur Funktion des Gebäudes - eine Deutung als Badegebäude des Gutshofs wäre aufgrund der Architektur naheliegend, ist aber durch die Entdeckung und Ausgrabung des zweifelsfreien Badegebäudes im Herbst 2006 hinfällig - sowie zu seiner Chronologie, wenngleich die geringe Anzahl an römerzeitlichen Funden diesbezüglich nicht allzu viel erwarten lässt. Zudem ermöglicht die Bearbeitung des gesamten Fundmaterials auch eine Neubewertung der mittelalterlichen Strukturen, v.a. in Bezug auf ihre Deutung als Schmiede. Die Zeitstellung dieser Einbauten bzw. ihr Nutzungsende konnte bereits durch eine von D. Hagn veranlasste Radiokarbondatierung von Tierknochen, die - soweit anhand der Unterlagen rekonstruierbar - im Zerstörungshorizont der Anlage gefunden wurden, grob auf das Spätmittelalter (14./frühes 15.Jh.) festgelegt werden. Die Untersuchung der mittelalterlichen Keramik, die nicht vor dem späten 12. bzw. frühen 13.Jh. einsetzt und bis ins frühe 15.Jh. reicht, bestätigt diesen Zeitrahmen bzw. erweitert ihn etwas nach vorne. Überraschend ist dabei v.a. der hohe Anteil an Ofenkeramik, der als sicherer Beleg einer Wohntätigkeit zu deuten ist und nicht unbedingt zur Standardausstattung einer mittelalterlichen Schmiede gehört.
Der oben eingegrenzte späte Zeithorizont des mittelalterlichen Gebäudes ist für die Geschichte des Siedlungsplatzes nicht uninteressant, bedeutet er doch einen mindestens 800- jährigen Besiedlungshiatus zwischen dem spätestens im frühen 5.Jh. anzusetzenden Ende des römischen Gutshofs und der neuerlichen Besiedlung der Ruine. Für die Zwischenzeit liegt lediglich ein Hinweis anthropogenen Wirkens vor, nämlich eine menschliche Bestattung in der Apsis, die in das 8./9.Jh. datiert werden kann.

© Julia Kopf
e-mail: julia_kopf@gmx.net

This article should be cited like this: J. Kopf, Wohngebäude, Begräbnisstätte und Schmiede? - Ein Nebengebäude der villa rustica von Brederis (Vorarlberg) im Wandel der Zeit, Forum Archaeologiae 54/III/2010 (http://farch.net).



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