Forum Archaeologiae - Zeitschrift für klassische Archäologie 54 / III / 2010

DIE SÜDLICHE PERIPHERIE DER ZIVILSTADT VON CARNUNTUM
Neue Evidenz aus den Grabungen 2001-2009

Die Besucherinfrastruktur des Archäologischen Parks Carnuntum wird erneuert und ausgeweitet. In Vorbereitung der Bauarbeiten sind Rettungsgrabungen in großem Maßstab durchgeführt worden. Sie und die laufenden Grabungen haben wichtige Informationen zur südlichen Peripherie der Carnuntiner Zivilsiedlung ergeben. Ein Abschnitt der severerzeitlichen Stadtmauer ist mitsamt dem vorgelagerten Grabensystem freigelegt worden. Vor Errichtung der Befestigung hat das Gelände zur Schottergewinnung und zur Müllentsorgung gedient. Südlich der Mauer erstreckt sich Nekropolengebiet, durch das eine spätantike Wasserleitung läuft. Das Siedlungsgebiet direkt nördlich der Mauer war seit dem beginnenden 3.Jh. mit Wohn- und Wirtschaftsbauten belegt. Eine nach Norden ablaufende Straße war in das Verkehrswegenetz der Zivilstadt integriert.

Nur einige hundert Meter nordöstlich dieser Untersuchungsfläche hat die Grabung in Vorbereitung des neuen Besucherzentrums einen weiteren Ausschnitt aus der städtischen Bebauung von Carnuntum ergeben. Die stratigraphische Abfolge reicht hier von der Landnahme im späten 1.Jh. bis in die Zeit nach der Erdbebenkatastrophe in der Mitte des 4.Jhs. Das freigelegte Areal war als Wohn- und Wirtschaftsbereich genützt. Der Bereich grenzte an die sog. "Südstraße", den südlichsten Hauptverkehrsweg in der Carnuntiner Zivilstadt. Im frühesten Straßenhorizont konnte eine gut erhaltene, hölzerne Wasserleitung freigelegt werden. Ein Holzrohr, das von Südwesten her in Richtung Straße verläuft, wird zu ihrer Anspeisung aus einem lokalen Grundwasservorkommen gedient haben.
Weitere Resultate des laufenden Projekts des Landes Niederösterreich betreffen das Freilichtmuseum "Spaziergarten". Hier konnten im Zuge der Grabungen seit 2001 flächige Siedlungsbefunde dokumentiert werden, die vom 1. bis ins beginnende 5.Jh. reichen. Die Bebauung umfasst private Wohn- und Wirtschaftseinheiten in einer Häuserzeile entlang der Stadtgrenze im Süden und eine Therme, eine vielleicht als Herberge, dann als Speicherbau genützte Struktur neben ihr und ein großzügig angelegtes Gebäude östlich davon. Angesichts der beeindruckenden Größe der Zivilstadt Carnuntum müssen alle bislang erzielten Ergebnisse selbstverständlich Stückwerk bleiben. Dennoch lässt sich an ihnen schon jetzt die dynamische Entwicklung der südlichen Peripherie der Siedlung ablesen, die sich am Ende der römischen Antike am pannonischen Donaulimes in einen schnellen, durch eine Naturkatastrophe weiter beförderten Verfall umkehrt.

© Andreas Konecny
e-mail: andreas.l.konecny@univie.ac.at

This article should be cited like this: A. Konecny, Die südliche Peripherie der Zivilstadt von Carnuntum. Neue Evidenz aus den Grabungen 2001-2009, Forum Archaeologiae 54/III/2010 (http://farch.net).



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