Forum Archaeologiae - Zeitschrift für klassische Archäologie 54 / III / 2010

DIE WASSERVERSORGUNGSINFRASTRUKTUR ALS INDIKATOR DER STADTENTWICKLUNG UND DER EINWOHNERZAHL ANTIKER GROSSSTÄDTE: DER FALL VON SYRAKUS

Das Stadtgebiet von Syrakus umfasste eine kleine, der Küste vorgelagerte Insel namens Orthygia mit den ältesten Siedlungsresten, deren Süßwasserbedarf von der sog. Arethusa-Quelle karstischen Ursprungs gedeckt wurde, sowie weitere vier Stadtteile auf dem gegenüber liegenden Festland. In Syrakus lebten ca. 200.000 Einwohner [1] und in den Steinbrüchen wurden im 5.Jh. v.Chr. eine große Anzahl Gefangener festgehalten [2]. Neben dem normalen Wasserbedarf der Bevölkerung, brachten auch die Veranstaltungen im Theater die Notwendigkeit mit sich, mehreren Tausend Menschen direkten Zugang zu Wasser zu garantieren, und im Bereich einer oberhalb der cavea in den Fels gehauenen Terrasse befindet sich ein Wasserbecken, welches von der "Ninfeo"-Wasserleitung (Abb.), gespeist wurde, und seinerseits einen unter den Sitzreihen abwärts führenden Kanal speiste [3].
Syrakus liegt auf einer wasserlöslichen Kalkplatte, doch lehmige und vulkanische Ablagerungen darunter bilden wasserspeichernde Schichten [4], wodurch Süßwasserquellen nahe an der Küstenlinie entstehen (z.B. Arethusaquelle). Wie in Korinth bahnte sich das Wasser größtenteils selbst seinen Weg durch den Kalkstein und schuf dadurch sowohl natürliche unterirdische Kanäle wie auch Schächte, welche bis an die Oberfläche gelangten [5]. Die antiken Wasserbauspezialisten konnten folglich auf ein schon bestehendes natürliches System zurückgreifen, dieses ausbauen, und waren damit nicht auf eine Wasserzufuhr von weiter entfernten Orten angewiesen. Aus der Mutterstadt Korinth wurden dazu die wichtigsten Kenntnisse der Wasserbautechnik nach Syrakus gebracht und dort an ähnliche Voraussetzungen angepasst [6].

Im 5.Jh. v.Chr. stärkten die Deinomeniden ihre Macht durch eine gezielte Umsiedlungspolitik, welche ganze Städte betraf, deren Einwohner teilweise in Syrakus konzentriert wurden, welche in der Folge zur "bevölkerungsmäßig größten Megalopolis des westlichen Mittelmeerraums" heranwuchs [7]. Die Tyrannen von Syrakus hatten die Tragweite des Problems der Wasserversorgung für eine Großstadt erkannt und folgten daher dem Beispiel jener Korinths, welche für ein ambitiöses Wasserversorgungssystem verantwortlich zeichneten [8]. Diese Politik der Infrastrukturmaßnahmen konnte sich auch auf die religiöse Bedeutung der Wassernymphen Arethusa und Kyane stützen, welche gewissermaßen "die mythische Überhöhung eines einfachen geographischen Faktums darstellten" [9]. Darüber hinaus implizierten die neuen Anlagen der "Paradiso"-, "Ninfeo"-, bzw. "Galermi"-Wasserleitungen (Abb.), welche nur durch den Willen und die Finanzierung einer absolutistischen Regierung denkbar waren, den politischen Effekt, das Volk durch die leichte und reichliche Verfügbarkeit von Wasser über eine Situation der Unfreiheit und Abhängigkeit hinwegzutäuschen [10].
Die urbane Rückentwicklung in der Kaiserzeit ist durch die Verteilung der Katakomben, welche teilweise aufgelassene griechische Aquädukte miteinbezogen, im Stadtteil Neapolis, längs und innerhalb der von den Steinbrüchen gebildeten Bogenlinie eindrucksvoll dokumentiert (Abb.).

[1] A. Burns, Ancient Greek Water Supply and City Planning: A Study of Syracuse and Acragas, in: Technology and Culture 15-3, 1974, 389.
[2] Thuk. VII, 86-87 erwähnt 7000 Gefangene.
[3] F. Coarelli, M. Torelli, Sicilia, Bari 19974 (19841), 252-253.
[4] D.P. Crouch, Water Management in Ancient Greek Cities, New York-Oxford 1993, 132-133.
[5] Crouch op. cit., 96.
[6] Crouch op. cit., 133. Vgl. auch Burns op. cit., 405.
[7] R. Senff, Metropolen des Archaischen Griechenland, in: M. Jansen, B. Roeck, Entstehung und Entwicklung von Metropolen, IAS 4, Aachen 2002, 43.
[8] S. Collin Bouffier, L'alimentation en eau de la colonie grecque de Syracuse. Reflexions sur la cité et sur son territoire, MEFRA 99, 2, 1987, 691.
[9] Collin Bouffier op. cit., 691.
[10] Collin Bouffier op. cit., 691.


© Ernst Kanitz
e-mail: ernst.kanitz@libero.it

This article should be cited like this: E. Kanitz, Die Wasserversorgungsinfrastruktur als Indikator der Stadtentwicklung und der Einwohnerzahl antiker Großstädte: Der Fall von Syrakus, Forum Archaeologiae 54/III/2010 (http://farch.net).



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