Forum Archaeologiae - Zeitschrift für klassische Archäologie 54 / III / 2010

SPÄTANTIKE TEXTILIEN IN ÖSTERREICH

Kleidung diente und dient in der Geschichte verschiedenen Zwecken. Eine grundlegende Funktion ist sicher der Schutz vor klimatischen Einflüssen wie Nässe, Kälte oder Hitze. Ein wesentlicher Aspekt der Kleidung ist auch die Repräsentation und die Dekoration des Trägers. Dabei dient die Kleidung auch als wichtiges Kommunikationsmittel: Kleidung macht Aussagen über Alter, Geschlecht, Gruppenzugehörigkeiten (auch ethnische Zugehörigkeit, Religionszugehörigkeit), über sozialen Status etc. (es gibt Berufsbekleidung, Kleidung mit Hinweis auf den Familienstand). Das Gewand, Kleidungsbestandteile und Schmuck haben für die Gruppe aber auch für den Einzelnen identitätsstiftende Funktion.
Als Quellen zu Fragestellung zu Sozialstrukturen und Identität besitzen wir Textilien, Gerätschaften, Bild- und Schriftquellen, wobei in hierbei der Hauptfokus auf den Textilien aus österreichischen Gräberfeldern liegt, da diese die direkteste Aussage zur konkreten Bevölkerung bieten.

Aus dem Zeitraum zwischen dem 3. und 5.Jh. n.Chr. in Österreich sind auch durch die Grundlagenforschungen zum Projekt DressID bisher 124 Textilien bekannt.
Besonders an Fallstudien wie dem spätantiken Gräberfeld von Mautern-Burggartengasse oder dem Frauenberg bei Leibnitz wird mit Methode der Mikrostratigraphie nach Inga Hägg untersucht, wie sich kleidungsbezogene Textilien in den Gräbern finden - etwa an Gürtelschnallen, Fibeln, Armreifen oder Ohrringen. Zu untersuchen ist auch, mit welchen Kleidungsstücken diese in Zusammenhang zu bringen sind (Mäntel, Tuniken, Schleier...).
Andererseits sind weitere Funktionsbereiche der Verwendung von Textilien fassbar. So finden sich in den Gräbern auch Verpackungen/Verhüllungen von Gegenständen in den Gräbern, sowie "technische Textilien", die etwa beim Aufbau von hölzernen Messerscheiden eine Rolle spielten.
Die eher gleichförmigen, meist leinwandbindigen Textilien von gröberer und feinerer Qualität der Spätantike aus Österreich sind in Hinblick auf Sozialstrukturen nicht sehr aussagekräftig. Eventuell spiegelt die in den Gräbern fassbare Kleidung aus einfachen Stoffen die wirtschaftliche Situation der ausgehenden Spätantike wider.

Das Naturhistorische Museum Wien nimmt am internationalen Forschungsprojekt "DressID - Kleidung und Identität" teil, das unter der Leitung der Curt-Engelhorn-Stiftung für die Reiss-Engelhorn-Museen Mannheim aus den Mitteln des EU "Culture" Programmes finanziert wird. Projektpartner sind neben dem NHMW das Centre for Textile Research, in Dänemark, das Institut KIK IRPA Brüssel in Belgien, das Department für Archäologie der Universität von Kreta, Rethymnon in Griechenland das Departamento de Historia der Universidad Valencia in Spanien sowie das Department of Archaeology der Universität Sheffield in Großbritannien.
Bei diesem Projekt werden - ausgehend vom Römischen Reich mit seinen archäologischen, bildnerischen und literarischen Quellen - kulturelle Identitäten und ihre Widerspiegelung in den Textilien und Trachten erforscht. Das können sowohl individuelle Kleidungsstile als auch ethnische, soziale, religiöse oder politische Gruppen sein. Dabei sind prähistorischen Textilien sind ein wichtiger Schlüssel zur Erforschung der Entwicklung der (lokalen) Trachten, aber auch der dahinterstehenden Handwerkstechnologie.


© Karina Grömer
e-mail: karina.groemer@nhm-wien.ac.at


This article should be cited like this: K. Grömer, Spätantike Textilien in Österreich, Forum Archaeologiae 54/III/2010 (http://farch.net).



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