Forum Archaeologiae - Zeitschrift für klassische Archäologie 54 / III / 2010

TEXTILPRODUKTION IM SÜDLICHEN NORICUM

Die Textilproduktion wird in der archäologischen Forschung selten zur Kenntnis genommen. Dies mag am wenig attraktiven Fundmaterial wie Scherbenwirtel und Webgewichte liegen, oder mehr noch an der Tatsache, dass Textilgeräte allgemein nichts zur Feinchronologie eines Fundortes beitragen können. Sehr wohl aber beleuchten diese Artefakte die Bedeutung der Textilerzeugung als Wirtschaftsfaktor, wenn sie in entsprechender Zahl gefunden werden.
Die Stadt auf dem Magdalensberg, gegründet als Emporium oberitalischer Händler um die Mitte des 1.Jh. v.Chr., erbrachte im Lauf der Jahre eine Vielzahl an Textilgeräten praktisch aus allen Stadien der Textilherstellung, insgesamt 1706 Funde. Halbfabrikate in den lokalen Werkstätten belegen außerdem die Erzeugung einiger Geräte vor Ort. Interessant ist im Fall des Magdalensberges die große Menge an Spinngeräten (62,72% des Gesamtmaterials), weiters auch die große Zahl an Nähnadeln (21,86%). Webereigerät ist mit 12,25% weit weniger häufig, jedoch wurden bislang keine kompletten Sets an Webgewichten aufgefunden, sondern diese kommen meist nur einzeln vor; ein einziger Befund erbrachte 18 Stück, zweimal sind acht bzw. neun Gewichte feststellbar gewesen. Eine kleine Anzahl von Bleitesseren liefert darüber hinaus Hinweise auf Löhne und Preise im Textilgewerbe.
In der Stadt Virunum, die in claudischer Zeit die Stadt auf dem Magdalensberg ablöst, sind Textilgeräte dagegen seltener; die bisherigen Grabungen erbrachten jedenfalls kaum Hinweise zur Textilproduktion. Lediglich im Umfeld einer fullonica am nördlichen Stadtrand waren etwa 30 Webgewichte vorhanden, jedoch keine weiteren Textilgeräte. Aus Virunum stammt darüber hinaus eine größere Anzahl von Bleitesseren, wobei einmal auch ein fullo genannt wird.


In Flavia Solva wurden mehrere hundert Webgewichte ausgegraben; sonstige Textilgeräte sind allerdings eher selten. Neben den Gewichtswebstühlen werden wohl noch andere Webstuhltypen verwendet worden sein, welche im archäologischen Befund nicht erhalten blieben, da sie in allen Teilen aus Holz bestanden. Die große Menge an Gewichten erlaubt die Feststellung, dass die Weberei in Flavia Solva als bedeutender Wirtschaftszweig gesehen werden muss. Darüber hinaus lässt sich mit dem inschriftlich belegten collegium centonariorum auch die Textilproduktion im Billigpreissektor nachweisen. Dutzende Bleitesseren aus der Stadt geben zudem weitere Hinweise. Im nördlich von Flavia Solva gelegenen Kalsdorf konnte ein Hort von über 200 Bleitesseren gefunden werden; Textilgeräte schlagen sich im Kalsdorfer Fundmaterial bislang jedoch nur mäßig nieder, eine fullonica wurde noch nicht ergraben.
Der Gewichtswebstuhl wurde im östlichen Mittelmeerraum im Verlauf des 1.Jh. n.Chr. vom Rundwebstuhl verdrängt. In Noricum ist dies nicht der Fall, denn Webgewichte begegnen noch im 4./5.Jh. n.Chr.

Literatur
K. Gostenčnik, Die Stadt auf dem Magdalensberg, ein Zentrum der Textilwirtschaft im frührömischen Noricum. Carinthia I 199, 2009, 23-59.
R. Wedenig, Römische Webgewichte aus der Steiermark als Schriftträger. In: Akten des 11. österr. Archäologentages, Innsbruck 2006. Ikarus 3, Innsbruck 2008, 323-342.


© Kordula Gostenčnik
e-mail: kgosten@gmail.com


This article should be cited like this: K. Gostenčnik, Textilproduktion im südlichen Noricum, Forum Archaeologiae 54/III/2010 (http://farch.net).



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