Forum Archaeologiae - Zeitschrift für klassische Archäologie 54 / III / 2010

AUSGEWÄHLTE FUNDE AUS DER VILLA URBANA, CARNUNTUM

Während der Grabungskampagnen in der villa urbana, einem römischen Repräsentationsbau in der Zivilstadt Carnuntums, wurden in den Jahren 2006 und 2007 unter anderem zwei große Hortfunde entdeckt, die ausschlaggebend waren, ein umfassendes Projekt zur Publikation der Zivilstadt-Malereien zu starten. Während die Malereifragmente der 2007-Grabung sich noch in Restaurierung befinden, ist die Auswertung der 2006 geborgenen Bruchstücke nahezu abgeschlossen, die fast gänzlich aus einer ca. 3m tiefen Grube von 2,5m Durchmesser innerhalb des Hofes R85 stammen. Im weiteren Verlauf zeigten die Befunde, dass es sich hierbei um einen Brunnen handelt, der nach dem schon mehrfach postulierten Erdbeben Mitte des 4.Jh. n.Chr. [1] verfüllt wurde. Neben einigen anderen Fundgattungen nimmt die Malerei den größten Teil des im Zuge von Aufräumarbeiten darin deponierten Schutts ein, was einen terminus ante quem für das Fundmaterial selbst liefert.
Bald stellte sich heraus, dass im Wesentlichen vier größere Komplexe unterschieden werden können, nämlich sekundär aufgebrachte Wandmalereien, pompejanisch-rote Wandmalereien mit Graffiti, sowie zwei Deckenmalereien. Letztere konnten wegen ihrer Dekorationssysteme, sowie aufgrund der Lattenabdrücke auf den Rückseiten [2] als solche identifiziert werden. Der Hauptteil entfällt auf eine rotgrundige Decke, der geringere Anteil auf eine oktogonale Kassettendeckenimitation (Abb.), bei der sich rote und blaue Innenflächen abwechseln, deren Mitten jeweils eine ockergelb-braune Rosette ziert. Bei kleineren Nachgrabungen im Jahr 2008 wurden mehrere Fragmente dieser Flachdecke direkt in Versturzlage gefunden, was eine eindeutige Raumzuweisung der deponierten Fragmente ermöglichte.

Diese außergewöhnlich gute Befundlage, die detailgenaue Grabungsdokumentation sowie die Vergleichsbeispiele aus Pannonien [3] erlauben es, diese Flachdecke nicht nur einem bestimmten Raum zuzuweisen, sondern auch einer genau definierten Phase. Dieser Umstand ist insofern bemerkenswert, da Deckenmalereien prinzipiell äußerst selten identifiziert werden können, die Forschungslage zu provinzialrömischer Malerei noch nicht sehr weit fortgeschritten ist, und fix datierte Schlüsselmonumente weitgehend fehlen.
Hinzu kommt, dass die beiden Carnuntiner Hortfunde und ihre Dekorationen aus ein und demselben Gebäude innerhalb derselben Ausstattungsphase stammen, was Überlegungen zu Raumnutzung mit Haupt- und Nebenraumdekorationen und den zugehörigen Rangabstufungen erlaubt. Demgemäß kann mit Spannung auf die zukünftigen Ergebnisse der weiteren Grabungskomplexe geblickt werden.

[1] M. Kandler, Eine Erdbebenzerstörung in Carnuntum?, ActaArchHung 41, 1989, 313-336; F. Humer - D. Maschek, Eine Erdbebenzerstörung des 4. Jahrhunderts n. Chr. im sogenannten Peristylhaus der Zivilstadt Carnuntum, AÖ 18/2, 2007, bes. 47 Abb. 2. 53 f. Abb. 11.
[2] Vgl. z. B. W. Podzeit, Die römerzeitliche Wandmalerei aus Westösterreich (unpubl. Diss. Linz 1965) 123, Taf. CXIII, 290; R. Gogräfe, Die römischen Wand- und Deckenmalereien im nördlichen Obergermanien, Reihe C. Archäologische Forschungen in der Pfalz 2 (Neustadt an der Weinstraße 1999) 159-162 Abb. 117 f.
[3] K. Sz. Póczy, Az aquincumi helytartói palota falfestészete - Die Wandmalerei des Statthalterpalastes von Aquincum, BudReg 18, 1958, 122 f. Abb. 29-31. 125 Abb. 33. 128 Abb. 37; A. Kirchhof, Coffered Ceiling-Decoration at Baláca, Pannonia in: L. Borhy (Hrsg.), Plafonds et voûtes à l'époque antique, Actes du VIIIe Colloque international de l'Association Internationale pour la Peinture Murale Antique (AIPMA), Budapest - Veszprém 15.-19.5.2001 (Budapest 2004) 261-270.


© Claudia-Maria Behling
e-mail: claudia@behling.at


This article should be cited like this: C.-M. Behling, Ausgewählte Funde aus der villa urbana, Carnuntum, Forum Archaeologiae 54/III/2010 (http://farch.net).



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