Forum Archaeologiae - Zeitschrift für klassische Archäologie 50 / III / 2009

"EIN TÜCHTIGER JÜNGER DER ARCHITEKTUR"
Heinrich Schliemann und sein Wiener Architekt Josef Höfler

Im Jahr 1882 beschäftigte Heinrich Schliemann - angeregt durch einen Vorschlag des Generaldirektors der Königlichen Museen in Berlin, Richard Schöne - bei seinen Ausgrabungen in Troia erstmals zwei Architekten: Wilhelm Dörpfeld und Josef Höfler. Die Biographie Dörpfelds wurde 1951 von Peter Goessler vorgelegt; auch wenn diese Dörpfeld in stark verklärendem Licht zeigt, so ist sein Lebensweg dadurch immerhin dokumentiert. Ganz anders stellt sich die Situation bei Josef Höfler dar: viel mehr als die Angaben, daß Josef Höfler aus Wien in seiner heimischen Akademie den ersten Preis davongetragen und infolge dessen ein Staatsstipendium zu wissenschaftlichen Reisen in Italien erhalten und 1882 eine Kampagne lang für Schliemann gearbeitet hat, war bisher nicht bekannt. Geburts- und Sterbedatum waren ebenso vergessen, wie auch sein Ausbildungsweg und beruflicher Werdegang im Dunkeln lagen.
Josef Höfler wurde am 2. Februar 1860 in Mödling bei Wien geboren. Im Oktober 1877 begann er an der Akademie der bildenden Künste in Wien Architektur zu studieren. Nach Abschluß seines Studiums bewarb er sich 1880 um den sog. Rompreis, ein Staatsreisestipendium, welches ihm für die Dauer von zwei Jahren zuerkannt wurde. Im Winter 1880/81 trat er die Reise an und absolvierte die obligate Italientour. Während eines Aufenthaltes in Rom erreichte ihn im Dezember 1881 die Einladung Schliemanns. Er nahm mit Freude an und begann im März 1882 unter der Bedingung, nichts über Troia, die Troas oder die dortigen Arbeiten zu publizieren, seine Arbeit in Troia.


Die Vermessung der Grabung durch Höfler und Dörpfeld wurde ab Ende Mai 1882 durch einen der beiden Grabungskommissare, Beder Eddin, verhindert: Beder Eddin befürchtete, daß die Architekten nicht die Mauern Troias zeichnerisch aufnehmen würden, sondern sich vielmehr für die etwa 6 km entfernte Festung Kum Kale interessierten. Bis zum Abschluß der Arbeiten Ende Juli gelang es Schliemann nicht, eine Erlaubnis zur Vermessung der Grabung zu erwirken. Somit fertigten Höfler und Dörpfeld tagsüber im Geheimen Notizen an, die dann am Abend zeichnerisch umgesetzt wurden. - Neben ihrer Arbeit in Troia führten die beiden Architekten gemeinsam mit Schliemann eine Grabung auf dem Ballı Dağ bei Pınarbaşı durch und unternahmen Ausflüge in die Dörfer der Troas, um dort nach Spolien zu suchen. Ferner dürften sie Schliemann beim Ankauf von Antiken beraten haben. Abgesehen von diesen Arbeiten gehörte es zur Pflicht von Höfler und Dörpfeld, nach Schliemanns Diktat Teile seiner Korrespondenz zu übernehmen, wenn er unter Augenschmerzen litt. Schliemann dürfte mit seinen Architekten zufrieden gewesen sein; jedenfalls findet sich in etlichen seiner Briefe die Phrase "[…] wie meine hervorragenden Architekten bewiesen […]".
Nach dem Ende der Arbeiten in Troia und dem Auslaufen seines Stipendiums dürfte sich Josef Höfler nur kurz in Wien bzw. Mödling aufgehalten haben. Schreiben von ihm an Schliemann, verfaßt in den Jahren 1883-1885, belegen, daß er in Ungarn als Architekt tätig war. Nach 1885 ist kein Kontakt zwischen Höfler und Schliemann mehr nachweisbar. Höfler dürfte sich noch einige Jahre in Ungarn aufgehalten haben. Zu einem unbekannten Zeitpunkt kehrte er nach Österreich zurück und wirkte in seiner Heimatstadt als Architekt. Am 13. März 1927 ist er in Mödling bei Wien verstorben.

Literaturhinweise:
P. Goessler, Wilhelm Dörpfeld. Ein Leben im Dienst der Antike, Stuttgart 1951 (Rezension: A. von Gerkan, in: Gnomon 24, 1952, 166-168).
J. Herrmann - E. Maaß - Ch. Andree - L. Hallof (Hrsg.), Die Korrespondenz zwischen Heinrich Schliemann und Rudolf Virchow 1876-1890, Berlin 1990.
E. Meyer (Hrsg.), Heinrich Schliemann. Briefwechsel. Aus dem Nachlass in Auswahl herausgegeben, Bd. II von 1876 bis 1899, Berlin 1958.
G. Saherwala - K. Goldmann - G. Mahr, Heinrich Schliemanns "Sammlung trojanischer Altertümer". Beiträge zur Chronik einer großen Erwerbung der Berliner Museen (BBV N. F. 7), Berlin 1993.
H. Schliemann, Troja. Ergebnisse meiner neuesten Ausgrabungen auf der Baustelle von Troja, in den Heldengräbern, Bunarbaschi und andern Orten der Troas im Jahre 1882, Leipzig 1884.

© Michaela Zavadil
e-mail: Michaela.Zavadil@oeaw.ac.at


This article should be cited like this: M. Zavadil, "Ein tüchtiger Jünger der Architektur". Heinrich Schliemann und sein Wiener Architekt Josef Höfler, Forum Archaeologiae 50/III/2009 (http://farch.net).



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