Forum Archaeologiae - Zeitschrift für klassische Archäologie 50 / III / 2009

VOLLKOMMEN UND BICHROM BEMALTE ÄGINETISCHE KERAMIK DES SPÄTEN MH BIS FRÜHEN SH AUS ÄGINA-KOLONNA

Das hier vorgestellte Material stammt aus einem im Jahr 2001 bei den Salzburger Grabungen in Ägina - Kolonna entdeckten prähistorischen, neun Meter tiefen Brunnenschacht, der sich im Bereich der mykenischen Siedlung am sogenannten Südhang befindet.
Bei der Brunnenfüllung handelt es sich um ein geschlossenes Depot sekundär verlagerten Materials, das zu ca. 95% aus lokal äginetischen Waren besteht. Neben der vollkommen bemalten und der bichromen Keramik, die zwei für diese Zeitstufe überaus typische äginetische Waren darstellen und die durch Handel weite Verbreitung fanden, ist auch die mattbemalte und unbemalte sowie die grobe Küchenkeramik in großer Menge vertreten. Neben der Art der vertretenen Keramik ist der Komplex auch von der Zeitstellung her eng umrissen. Es ist dabei von einem spät mittelhelladisch bis früh späthelladisch I Ansatz (MH III-SH I, sog. "Schachtgräberzeit") auszugehen; eine nähere chronologische Einordnung kann jedoch erst nach Abschluß der Materialauswertung erfolgen.
Die vollkommen bemalte Keramik besteht zum Großteil aus meist karinierten Goblets mit geripptem hohen Fuß und zwei Bandhenkeln (Abb.), die mit einem roten, schwarzen oder farblich wechselnden Überzug versehen sind und die mit einem Durchmesser von teilweise über 30 cm und einem Fassungsvermögen von bis zu fünf Litern beeindruckende Dimensionen erreichen. Gerade an den Goblets lassen sich jedoch auch Zeichen einer Massenproduktion erkennen, worauf etwa bei der Herstellung beschädigte und trotzdem gebrannte Gefäße hindeuten. Weitere belegte Formen sind Kratere mit horizontalen Rundhenkeln und Ausguß, unterschiedliche Arten von Schalen und Schüsseln (teilweise mit Henkel oder Ausguß) sowie Deckel. Die sonst in dieser Ware selten bezeugten geschlossenen Formen sind u.a. mit kleinen enghalsigen Vasen und mit plastischen Leisten versehenen Gefäßen wie einer ungewöhnlichen gerippten Amphora vertreten.


Die bichrom bemalte Keramik wird durch eine große Bandbreite an unterschiedlichen offenen und geschlossenen Vasenformen repräsentiert, wobei hier letztere der Anzahl nach überwiegen. Neben großen Amphoren, Kannen und Ausgußgefäßen zählt dazu auch eine Gruppe von kleinen enghalsigen Vasen, die meist mit vegetabilem Dekor wie etwa Rosetten versehen sind. Zu den offenen Formen gehören Schalen wie etwa ‚Panel Cups', die sich durch ihr Dekorationsschema von den anderen, vom Festland und von den Kykladen bekannten Stücken [1] abheben und so eine eigene, lokal äginetische Gruppe bilden. Die Kratere sind der Form nach den vollkommen bemalten Stücken anzuschließen; sie treten nicht in dem sonst bekannten Typ der "Äginaschüssel" [2] mit charakteristisch umgeknicktem Rand, Ringfuß und gerundetem Körper auf, sondern in einer früher anzusetzenden, karinierten Form mit weniger stark ausgeprägter gerader Lippe (Abb.).
Auch die belegten Malmuster bieten ein breites Spektrum - neben umlaufenden Mehrfachbändern und Wellenbändern sind dies vor allem die unterschiedlichen Arten vegetabilen Dekors wie Rosetten, Blüten, Blätter und Blattbänder, die eine Verbindung zu Kreta bzw. den Inseln nahelegen. Ein interessanter - und in der bisherigen Forschung nur ungenügend beachteter - Aspekt ist die verwendete Malfarbe: Bei einer großen Gruppe von Gefäßen besteht die bichrome Dekoration nicht aus Rot und Schwarz, sondern aus Schwarz und Braun, was wahrscheinlich auf unterschiedliche Brandbedingungen zurückzuführen ist.
Das Material aus der Brunnenfüllung SHB1/06 aus Ägina - Kolonna stellt somit sowohl hinsichtlich der Quantität wie auch hinsichtlich der Qualität eine substantielle Bereicherung des bekannten Bestandes an vollkommen und bichrom bemalter Keramik dar.

[1] Vgl. hierzu J. L. Davis, The Mainland Panelled Cup and Panelled Style, AJA 82, 1978, 216-222.
[2] Beispiele hierfür finden sich bei: M. Lindblom, Early Mycenaean Mortuary Meals at Lerna VI with special Emphasis on their Aeginetan Components, in: F. Felten - W. Gauß - R. Smetana (Hrsg.), Middle Helladic Pottery and Synchronisms. Proceedings of the International Workshop held at Salzburg, October 31st - November 2nd, 2004, Ägina - Kolonna. Forschungen und Ergebnisse I (Wien 2007) 115-135.

© Katharina Pruckner
e-mail: Katharina.Pruckner@sbg.ac.at


This article should be cited like this: K. Pruckner, Vollkommen und bichrom bemalte Äginetische Keramik des späten MH bis frühen SH aus Ägina-Kolonna, Forum Archaeologiae 50/III/2009 (http://farch.net).



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