Forum Archaeologiae - Zeitschrift für klassische Archäologie 50 / III / 2009

ENDE UND NEUBEGINN. DAS HANDWERK VON DER MYKENISCHEN PALASTZEIT BIS IN DIE PROTOGEOMETRISCHE ZEIT

Ein großer Teil insbesondere des spezialisierten Handwerks der mykenischen Palastzeit ist auf das Engste in das Palastsystem eingebunden: der Palast versorgt die Handwerker mit Rohmaterialien, er gibt die Produktionsziele vor, und er nimmt die Produkte entgegen, teilweise kontrolliert er die Produktionsabläufe; viele der Handwerker befinden sich in unterschiedlich abgestuften Abhängigkeitsverhältnissen, die sich in der Versorgung mit Nahrungsmitteln oder Landnutzungsrechten ausdrücken (z. B. die Abhängigen des a-ko-so-ta, eines der vier collectors von Pylos).
Die umfassenden Zerstörungen in Griechenland kurz nach 1200 v. Chr. bedeuteten nicht nur die Zerstörung aller Paläste, sondern sie führten auch zur unumkehrbaren Zerstörung des palatialen Gesellschafts- und Wirtschaftssystems. Das hatte tiefgreifende Auswirkungen auf das Handwerk. Einem gewissermaßen geschützten Bereich gehörten z. B. die mit dem Kriegswesen verbundenen Handwerke der Bronzegießer oder der Schiffsbauer an. Ihr Handwerk bestand weiter. Anderen Handwerkszweigen (besonders den so genannten Luxusindustrien) erging es wesentlich schlechter. Falls es den Handwerkern gelungen war, die unmittelbaren Krisen- und Kriegsfolgen zu überleben, waren sie damit konfrontiert, dass die Auftraggeber weitgehend fehlten, die Versorgung mit Rohmaterialien ausfiel (z. B. Elfenbein aus dem Osten) und darüber hinaus die Versorgung mit Nahrungsmitteln oder Landnutzungstiteln ein Ende fand. Sie konnten ihr altes Handwerk deshalb nicht mehr ausüben. Bei einer längeren Dauer einer solchen Situation bedeutete das zwangsläufig mit dem natürlichen Tod dieser Handwerker auch das Ende der handwerklichen Tradition. Auf diesem Wege dürfte sich innerhalb weniger Jahre das handwerklich-technologische Wissen drastisch verringert haben.
Während der nachpalatialen Periode SH IIIC versuchten die neuen Machthaber in Aufschwungphasen ihren neuen Status und ihre Ansprüche auch in handwerklichen Produkten zu zeigen. Bei Waffen und bei Keramik gelang das sehr gut, bei anderen Handwerkszweigen weitgehend nicht mehr. So erreichen selbst besonders ambitionierte Architekturprojekte wie z. B. das Gebäude T, welches an Stelle des alten Megaron in Tiryns errichtet wurde, bei weitem nicht mehr ein palatiales Niveau (z. B. besitzen sie keine Wandmalereien mehr). Im Bereich der Kleinkunst sind die Produktion und der Gebrauch von Glas- und Fayenceperlen ein instruktives Beispiel für diese Entwicklungen. In SH IIIC zeigt sich hier eine rasante Abnahme von Perlen in den Gräbern. Nur vereinzelt und nur für kurze Zeit erschienen neue Perlentypen. Selbst das Auftreten von Perlen mit einer neuartigen Glasrezeptur blieb nur eine kurze Episode. Im Übrigen wurden die alten Wertgegenstände wie Metallvasen oder Glas- und Goldschmuck Teil der "Keimelia" - der persönlichen Schätze - der neuen Oberschichten (ein gutes Beispiel dafür ist der so genannte Schatz von Tiryns).
In der protogeometrischen Zeit änderte sich das Bild nur geringfügig. So wurde zwar in Lefkandi ein außerordentlich großer Apsidenbau errichtet, in Plan und technischer Ausführung war er jedoch wenig mehr als die Vergrößerung des einfachen Hauses. Ebenso entspricht das vergleichsweise reiche Auftreten von Goldschmuck nur sehr eingeschränkt einem Anstieg des technischen Niveaus.
Echte Neuerungen im Handwerk sind eng verbunden mit dem Auftreten von Kontakten zu den so genannten Phönikern und Zyprern. In Phönikien und auf Zypern ist ein anderes Muster der handwerklichen Entwicklung zu beobachten. Dort überlebten viele handwerkliche Fähigkeiten, analog zum weitgehenden Überleben bronzezeitlicher politischer und gesellschaftlicher Fähigkeiten, und konnten jetzt langsam wieder nach Griechenland zurückwirken.

© Georg Nightingale
e-mail: georg.nightingale@sbg.ac.at


This article should be cited like this: G. Nightingale, Ende und Neubeginn. Das Handwerk von der mykenischen Palastzeit bis in die protogeometrische Zeit, Forum Archaeologiae 50/III/2009 (http://farch.net).



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