Forum Archaeologiae - Zeitschrift für klassische Archäologie 50 / III / 2009

ÄGYPTISCHE STEINGEFÄSSE IN MINOISCHEN UND MYKENISCHEN GRÄBERN

Ägyptische Steingefäße in minoischen und mykenischen Kontexten haben die Forschung vor eine Vielzahl unterschiedlicher Probleme gestellt [1]. Auf Fragen wie jene nach dem eigentlichen Zweck des Importes, nach der Art und Weise der Verhandlung oder nach der Rolle des Importes als Statussymbol in der importierenden Gesellschaft ist es jedoch schwer bis unmöglich allgemein gültige Antworten zu geben, da ägyptische Steingefäße in der Ägäis eine ausgesprochen heterogene Materialgattung bilden. Grabkontexte der minoischen Neupalastzeit und des mykenischen Festlandes sind in diesem Zusammenhang jedoch geeignet, mehrere Problemfelder im Verständnis dieser Importe zu umreißen und deren Relevanz für die Rolle der spätbronzezeitlichen Ägäis im Handelsgefüge des ostmediterranen Raumes zu verdeutlichen.
Das so genannte Königsgrab von Isopata, welches Sir Arthur Evans zu Beginn des 20. Jahrhunderts untersuchte, enthielt nicht nur die umfangreichste Ansammlung ägyptischer Steingefäße in der bronzezeitlichen Ägäis, sondern lässt sich auch für einige Fragestellungen exemplarisch anführen [2]. Obwohl die Hauptkammer des Grabes zum letzten Mal in SM II oder SM IIIA1 benutzt wurde und die Errichtung wahrscheinlich in der frühen Neupalastzeit in MM III oder SM IA angenommen werden kann, befinden sich unter den ägyptischen Gefäßen auch Stücke, welche in das Alte Reich oder gar in die Prä- bzw. Frühdynastik zu datieren sind [3]. Wann und unter welchen Umständen diese zum Zeitpunkt der Niederlegung weit über tausend Jahre alten Gefäße nach Kreta gekommen sind, ist eine Frage, die in der Forschung unterschiedlich beantwortet wurde. Während manche Forscher annahmen, diese Gefäße seien während ihrer Blütezeit in Ägypten nach Kreta gekommen [4], haben andere einen mehr oder weniger organisierten Handel von Antiken zur Zeit der Hyksos oder des Neuen Reichs für dieses Phänomen verantwortlich gemacht [5]. Zwar haben erstere in diesem Zusammenhang immer wieder für das Vorkommen ägyptischer Steingefäße auch in frühbronzezeitlichen Kontexten auf Kreta argumentiert, blieben jedoch schlüssige Belege schuldig, welche auf einen wie immer gearteten Handel zu dieser frühen Zeit schließen lassen könnten.
Mit einem anderen Gefäß aus dem ‚Königsgrab' von Isopata lässt sich ein ganzer Komplex von Fragen nach Zweck des Importes, der weiteren Verwendung und der Rolle Kretas im ostmediterranen Handelsgefüge verknüpfen [6]. Es handelt sich um einen ägyptischen Krug aus Alabaster (Abb.), welcher zyprische Base Ring-Ware nachahmt, in die 18. Dynastie zu datieren ist und in Ägypten ausschließlich aus Grabkontexten bekannt ist. Faszinierend ist die Tatsache, dass dieses ägyptische Imitat einer zyprischen Warengattung über das Niltal hinaus weitere Verbreitung in Syrien/Palästina und eben auch in der Ägäis fand (ein weiteres Gefäß dieser Gattung ist aus dem Kammergrab 102 in Mykene bekannt) [7]. Hier ist vor allem die Frage nach dem Zweck des Importes zu stellen. Wurde in diesem Fall ein zyprisches Produkt nachgefragt und aus für uns nicht mehr nachvollziehbaren Gründen ein Imitat bezogen, oder wurde das Gefäß als genuin ägyptisches Produkt angesehen oder möglicherweise gar nur als Kuriosität erworben? In diesem Zusammenhang ist in Rechnung zu stellen, dass im Gegensatz zu Ägypten oder der Levante im ägäischen Raum zyprische Waren offenbar keine weitere Verbreitung fanden, ein Umstand, der dafür sprechen könnte, dass dieser Gefäßtypus eben nicht als Base Ring-Ware erkannt oder nachgefragt wurde.
Ägyptische Steingefäße in der Ägäis sind also nicht nur für Fragestellungen innerhalb der ägäischen Vorgeschichte oder nach dem Kontakt mit Ägypten von Belang, sondern lassen auch generelle Rückschlüsse auf Natur und Wesen des Handels im ostmediterranen Raum zu.

[1] Ägyptische Steingefäße auf Kreta wurden zuletzt zusammenfassend behandelt von: J. Phillips, Aegyptiaca on the Island of Crete in their Chronological Context: A Critical Review, Contributions to the Chronology of the Eastern Mediterranean 18, Band I (2008) 37-88. Für ägyptische Steingefäße aus spätbronzezeitlichen Kontexten im ägäischen Raum generell siehe die entsprechenden Einträge in: E. Cline, Sailing the Wine-Dark Sea. International Trade and the Late Bronze Age Aegean, BAR International Series 591 (1994).
[2] A. Evans, The Prehistoric Tombs of Knossos. Archaeologia 59 (1905) 526-62.
[3] Phillips a.O. (Anm. 1) Band II, 128-134.
[4] P. Warren, Minoan Stone Vases (1969), 106.
[5] L. Pomerance, The Possible Role of Tomb Robbers and Viziers of the 18th Dynasty in Confusing Minoan Chronology, in: Antichità Cretesi. Studi in onore di Doro Levi (1978) 21-30.
[6] Phillips a.O. (Anm. 1) Band II, 132 Kat.-Nr. 248.
[7] F. Höflmayer, Egyptian Imitations of Cypriote Base Ring Ware in the Eastern Mediterranean, in: Proceedings of the International Congress on "Intercultural Contacts in the Ancient Mediterranean", Cairo, 26 - 29 October 2008 Netherlands-Flemish Institute in Cairo (im Druck).

© Felix Höflmayer
e-mail: felix.hoeflmayer@assoc.oeaw.ac.at


This article should be cited like this: F. Höflmayer, Ägyptische Steingefäße in minoischen und mykenischen Gräbern, Forum Archaeologiae 50/III/2009 (http://farch.net).



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