Forum Archaeologiae - Zeitschrift für klassische Archäologie 50 / III / 2009

ÄGÄISCHE EINFLÜSSE NÖRDLICH DER MYKENISCHEN WELT - AKTUELLER FORSCHUNGSSTAND

Die Beschäftigung mit archäologischen Funden wie etwa importierter Keramik, Waffen, Barren etc., die fern von ihrem Herstellungs-, Verwendungs- und Verteilungsort in fremden Kontexten gefunden wurden, wirft folgende Fragen auf: Wie kamen die Objekte an ihren Fundort? Warum wurden sie importiert? Was repräsentieren sie? Verschiedene Möglichkeiten ihrer Interpretation sind denkbar: Sie können als Indizien für Handelstätigkeit, Güteraustausch, Erforschung fremder Gebiete und Kontakte im allgemeinen gewertet werden, die Rückschlüsse auf den wirtschaftlichen, sozio-politischen und kulturellen Hintergrund zulassen. Die zentrale Frage ist, welcher der oben genannten Punkte am meisten zutrifft.
An Bedeutung gewonnen haben diese Fragen durch das Auftreten mykenischer Keramik, ägäischer Waffen, einer großen Anzahl von Bronzebarren, Zeremonialszeptern etc. im zur Diskussion stehenden Gebiet des südlichen Thrakien, d. h. im Areal südlich des Balkangebirges, das im Osten durch das Schwarze Meer und im Westen durch die Rhodopen, im Süden jedoch durch die Küste der Ägäis begrenzt ist. Südthrakien wurde nie als Teil der mykenischen Welt angesehen. Der Vortrag gibt einen Überblick über den Forschungsstand und wird das Fundmaterial vor dem Hintergrund der Einflüsse zur Zeit der mykenischen Paläste neu bewerten. Darüber hinaus werden die Kontakte zwischen den nördlichen Randgebieten der mykenischen Welt und dem dahinterliegenden Gebiet untersucht und beleuchtet.
In Bezug auf die Funde weist das südliche Thrakien einerseits enge Verbindungen zur Chalkidike, zum Axiostal und zum Golf von Volos auf; Landschaften, die oft als nördliche Peripherie und/oder Grenzgebiet der mykenischen Kultur bezeichnet werden. Andererseits erkennt man Beziehungen zum Balkan, dem Donautal und auch zu Westanatolien. Südthrakien dürfte eine strategische Position innerhalb der Kommunikations- und Austauschnetzwerke zwischen dem Norden (dem Rand der mykenischen Kultur sowie dem Hinterland des Balkan), dem Süden (Thessalien und die mykenischen Palastzentren) und dem Osten (Troia und Westanatolien) innegehabt haben. Aus diesem Grund kann die Beschäftigung mit dieser Landschaft einen interessanten Beitrag zu der Erforschung der interregionalen Beziehungen am Ende der Bronzezeit leisten.

© Diana Doncheva
e-mail: Diana.Doncheva@sbg.ac.at


This article should be cited like this: D. Doncheva, Ägäische Einflüsse nördlich der mykenischen Welt - aktueller Forschungsstand, Forum Archaeologiae 50/III/2009 (http://farch.net).



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