Forum Archaeologiae - Zeitschrift für klassische Archäologie 50 / III / 2009

KRETA UND DIE KYKLADEN: ZU DEN AUSSENBEZIEHUNGEN KRETAS WÄHREND FRÜHMINOISCH IB UND II

Ein Forschungsthema im Rahmen des Projektes "Ägäische Frühzeit. Das neolithische und vorpalatiale Kreta", das vom FWF gefördert und an der Mykenischen Kommission der ÖAW durchgeführt wird, betrifft Kretas auswärtige Beziehungen.
Den Motor für die Außenbeziehungen Kretas zu den Kykladen bildet der Bedarf an Obsidian und Metallen, da es auf der gesamten Insel an Rohstoffen zur Herstellung von Geräten mangelt. Erste Belege für die Verarbeitung von kykladischem Kupfer finden sich auf Kreta in FM I Spät zeitgleich mit der kykladischen Kampos-Stufe. Ab dieser Zeit treten auch von den Kykladen importierte Objekte sowie auf Kreta gefertigte Nachahmungen auf.
Auf den Kykladen ist die Kampos-Gruppe durch zahlreiche Fundorte als eigener Beigabensittenkreis definiert. Diesen Funden stehen an der Nordküste Kretas mittlerweile die Einzelgräber von Hagia Photia und Gournes, die kommunalen Bestattungen in der Pyrgos- und der Eileithyia-Höhle sowie die Siedlungsfunde von Poros-Katsambas und Siteia gegenüber. Sie entsprechen in ihrer Fundzusammensetzung zumindest teilweise den kykladischen Grabkomplexen, umfassen daneben aber auch typische frühminoische Funde. In Hagia Photia ist das kykladische Fundensemble am vollständigsten vertreten, und nur 10% der Funde sind als frühminoisch anzusprechen. Deshalb ergibt sich aus den Beigabensitten, dass in diesen Gräbern Tote bestattet waren, die in enger Beziehung zu den Kykladen standen und sich deutlich von anderen frühminoischen Siedlungsgemeinschaften unterschieden.
Ein Vergleich der Trinkgefäße ergibt auch engere innerägäische Beziehungen im rituellen Bereich. In Hagia Photia, in der Pyrgos-Höhle, in Gournes sowie in Poros-Katsambas werden große Kelche bzw. Fußschalen verwendet, die sowohl kretischen als auch kykladischen Ursprungs sind. Die grauen, geglätteten frühminoischen Kelche sind am Beginn von FM I anscheinend unter südostägäischem Einfluss entstanden. Die Kampos-Fußschalen treten als Form auf den Kykladen erstmalig im späten FK I auf, sind im kykladischen Formrepertoire ein Fremdelement und wurden möglicherweise aus der Nordostägäis übernommen.
In den kretischen Grab- und Siedlungskontexten finden beide Kelchformen nebeneinander Verwendung. Im nordkretischen Hagia Photia wie im südkretischen Hagia Triada sprechen zerschlagene Exemplare im Bereich der Gräber dafür, dass sie im Grabritual bei Trinkzeremonien verwendet wurden. In FM I-zeitlichen Siedlungskontexten werden Depots von zerschlagenen Kelchen in Knossos und in Kalo Chorio als Reste von zeremoniellen Zusammenkünften gedeutet. Da die Kelche in ihrer Größe weit über individuelle Trinkgefäße hinausgehen, weisen sie auf Riten hin, bei denen ein Trinkgefäß von mehreren Personen genutzt wurde. Hiermit ist auf den Kykladen und auf Kreta für die Kampos-Stufe bzw. für FM IB eine gemeinsame Trinksitte zu fassen, die diese beiden Kulturräume verbindet und bei Zusammenkünften auf kommunaler Ebene Verwendung fand. Diese Trinksitten sind in Zusammenhang mit Zusammenkünften zu sehen, die möglicherweise auch der Kontaktnahme und dem Weiterreichen von Handelsgütern dienten.
Mit FM IIA finden sich auf Kreta nur mehr wenige Importe und Nachahmungen kykladischer Objekte. Kykladenidole und Steingefäße in den Gräbern sind als Prestigeobjekte anzusprechen. Fragmente kykladischer Transportgefäße sind Hinweise für den Import kykladischer Güter. Als Teil des Trinksets wurden Saucieren importiert. Ihre geringe Stückzahl deutet darauf hin, dass auch sie nicht wegen ihrer Funktionalität, sondern aufgrund ihres Prestigecharakters importiert und verwendet wurden. Somit dokumentieren die frühkykladischen Funde auf Kreta einen Wandel in Art und Intensität der Beziehungen zu den Kykladen. Während in FM IB mit den Kykladen eng verbundene Bevölkerungsgruppen an der Nordküste Kretas siedelten und von hier kykladische Rohstoffe ins Hinterland weiterreichten, konnten nun die Kykladenbewohner auf Kreta nicht mehr Fuß fassen. Vermutlich fuhren sie weiter kretische Häfen an. Allerdings sprechen die Funde von Prestigegütern dafür, dass die Kreter nunmehr einen wesentlich aktiveren Anteil am Gütertausch hatten.

Link:
http://www.oeaw.ac.at/myken

© Eva Alram
e-mail: eva.alram@oeaw.ac.at


This article should be cited like this: E. Alram, Kreta und die Kykladen: Zu den Außenbeziehungen Kretas während frühminoisch IB und II, Forum Archaeologiae 50/III/2009 (http://farch.net).



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