Forum Archaeologiae - Zeitschrift für klassische Archäologie 46 / III / 2008

ETRUSKISCHE SPIEGEL DER ANTIKENSAMMLUNG DES KUNSTHISTORISCHEN MUSEUMS IN WIEN

Bronzespiegel zählen zu den charakteristischen Schöpfungen der Etrusker. Es handelt sich um Handspiegel, die zwischen dem ausgehenden 6. Jahrhundert bis etwa in das 2. Jh. v.Chr. hergestellt wurden. Zunächst war die Spiegelscheibe mittels Zapfen in einen Griff aus anderem Material wie Holz, Bein oder Elfenbein eingesetzt, in späterer Zeit wurden Scheibe und Griff in einem Stück aus Metall gearbeitet. Die Vorderseite war einst blank poliert und diente als Spiegel, die Rückseiten versah man oft mit gravierten oder ziselierten Bildern - eine Besonderheit der etruskischen Spiegel. Häufig stammen die Themen aus der griechischen Mythologie, wobei die neben die Figuren geschriebenen Namensbeischriften wichtige sprachgeschichtliche Zeugnisse darstellen.
In der Antikensammlung des Kunsthistorischen Museums werden 50 etruskische Bronzespiegel verwahrt. Davon lassen sich vier vor dem Jahr 1852 nachweisen, insgesamt 33 stammen aus dem europäischen Kunsthandel und aus verschiedenen Privatsammlungen, ein kleinerer Teil wurde 1923 aus der Sammlung Este-Catajo bzw. 1940 aus dem ehemaligen Österreichischen Museum für Kunst und Industrie in Wien, dem heutigen MAK, übernommen (8 + 5 Objekte). Diese über Jahrzehnte gewachsene Sammlung soll im Rahmen des Corpus Speculorum Etruscorum (CSE) publiziert werden. Das internationale Publikationsvorhaben wurde 1973 unter der Leitung des Istituto Nazionale di Studi Etruschi ed Italici, Florenz [1], ins Leben gerufen und hat sich zur Aufgabe gesetzt, sämtliche etruskische und praenestinische Spiegel neu zu bearbeiten und nach dem Vorbild des Corpus Vasorum Antiquorum vorzulegen. Von den insgesamt mehr als 100 geplanten Faszikeln sind bisher 27 erschienen.
Die Bearbeitung des Bestandes der Antikensammlung wird mit dem Jahr 2008 wieder aufgenommen. Vorarbeiten dazu wurden bereits in den Jahren 1989 bis 1991 im Rahmen von FWF-Forschungsprojekten geleistet; ein 83 Seiten umfassendes Manuskript der damaligen Bearbeiterin, Dr. Barbara Pitlik, sowie Zeichnungen der Spiegel liegen bereits vor (Stand 1990). Bis auf reliefverzierte Exemplare sind alle Typen etruskischer Spiegel vertreten: 13 Spiegel mit Griffzapfen, 28 Griffspiegel (davon fünf so genannter praenestinischer Form mit birnenförmiger Scheibe), sieben Klappspiegel mit Reliefapplik, ein separat gearbeiteter Spiegelgriff sowie eine derzeit nicht weiter zuordbare Spiegelscheibe. Davon lassen sich drei Exemplare noch in archaische Zeit datieren. Der Großteil der Stücke stammt aus dem vierten Jahrhundert bzw. aus hellenistischer Zeit, darunter besonders die für den Hellenismus typischen Vertreter mit runder Scheibe und Randstufe, die meist Vierfigurenszenen zeigen (8 Spiegel) sowie die Ausläufer der Gattung der Griffspiegel, die so genannten Dioskuren- und "Lasa-" bzw. "Pseudo-Lasa"-Spiegel (jeweils 4 Exemplare).
Die Spiegel sollen nach den Richtlinien des CSE im Faszikel Österreich mit Zeichnungen und photographischen Aufnahmen im Maßstab 1 : 1 sowie Detailaufnahmen und - wo erforderlich - Röntgenaufnahmen publiziert werden. Vier weitere, in österreichischen Museen verwahrte Spiegel sollen ebenfalls aufgenommen werden [2]. In einem Anhang werden auch die insgesamt fünf Fälschungen und drei suspekten Bronzespiegel (Spiegelscheibe vermutlich authentisch, Zeichnung modern) der Wiener Sammlung einbezogen. Ergänzend sind Kommentare zu den insgesamt auf fünf Spiegeln angebrachten Namensbeischriften in etruskischer Sprache sowie technologische Untersuchungen vorgesehen [3].

[1] http://www.istituticulturali.it/moduli/istcult/istituto.jsp?s=2&idIstituto=322.
[2] Jeweils ein Exemplar in: Graz, Landesmuseum Joanneum; Innsbruck, Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum; Wels, Stadtmuseum; Horn, Höbarthmuseum.
[3] Die Inschriften werden von Prof. H. Eichner, Institut für Sprachwissenschaft, Universität Wien, bearbeitet; die technologischen Untersuchungen (Werkzeugspuren, Herstellungstechnik) von Mag. V. Freiberger, Kunsthistorisches Museum Wien, Antikensammlung Restaurierwerkstatt, durchgeführt.

© Karoline Zhuber-Okrog
e-mail: karoline.zhuber@khm.at


This article should be cited like this: K. Zhuber-Okrog, Etruskische Spiegel der Antikensammlung des Kunsthistorischen Museums in Wien, Forum Archaeologiae 46/III/2008 (http://farch.net).



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