Forum Archaeologiae - Zeitschrift für klassische Archäologie 46 / III / 2008

KANN MAN AUS DER VERGANGENHEIT LERNEN?
Etruskische und römische Bewässerungsmethoden als wassersparende Alternative für die moderne Landwirtschaft in Mittelitalien [1]

Ziel des vorliegenden Projektentwurfes ist es, zwei auf den ersten Blick vollkommen unterschiedliche Problemfelder zu verknüpfen: zum einen die Frage nach Positionierung und Möglichkeit eines konstruktiven Beitrags der Altertumswissenschaften innerhalb einer modernen zukunftsorientierten Gesellschaft, welche definitionsgemäß immer weniger dazu bereit ist, in die Vergangenheit zu investieren. Zum anderen das wachsende globale Problem der Desertifikation und Wasserknappheit, welches auch Südeuropa massiv bedroht [2]. Die Verknüpfung der beiden Problemfelder ergibt sich durch die Frage, ob eine vertiefte Kenntnis antiker Feldbewässerungsmethoden zielführend zur Lösung von Problemen der modernen Landwirtschaft herangezogen werden kann [3]. Berührungspunkte zwischen Antike und Moderne finden sich einerseits darin, dass sich die traditionellen drei Grundpfeiler der mediterranen Landwirtschaft, Weinbau, Olivenkulturen und Getreideanbau in Umbrien, Latium und der Toskana über Jahrtausende hinweg unverändert in ihrer Bedeutung erhalten haben [4]. Andererseits war man sich auch in der Antike durchaus der Begrenztheit der Wasserreserven bewusst [5] und verfügte seit den Etruskern über komplexe wassertechnische Systeme, wie Tiefbrunnen (Orvieto) und Be- bzw. Entwässerungsstollen (Cuniculi) belegen [6] (s. Abb.).

Da heute weltweit ca. 70% der Süßwasserreserven in die künstliche Bewässerung der Landwirtschaft fließen, würde sich jegliche Sparmaßnahme in diesem Bereich äußerst positiv auf den Umgang mit den Wasserressourcen auswirken. Besonderes Augenmerk soll auf die Anlage unterirdischer Bewässerungskanäle nach antikem Muster gelegt werden, da die Verdunstung großer Wassermengen bei der oberirdischen Feldbewässerung eine enorme Verlustquelle darstellt. In etruskischer Zeit wurden lange Tunnelsysteme in den weichen Tuff geschlagen, die teilweise als Bewässerungskanäle und teils als Entwässerungskanäle für Drainagen und Melioration dienten [7]. Vielleicht könnte gerade dieses Charakteristikum bei unveränderten geologischen Voraussetzungen auch für die moderne Landwirtschaft Mittelitaliens genützt werden, um durch eine Rückkehr zu wassersparenden traditionellen Methoden der Vergangenheit [8] den verdunstungsbedingten Wasserverlust einzudämmen. Durch Auswertung der Beschreibungen antiker Quellen zur Landwirtschaft [9] und zur Wassertechnik [10] sowie archäologischer Befunde soll ein Katalog konkret in der modernen Landwirtschaft einsetzbarer antiker Bewässerungsmethoden erstellt, und in der Folge in Absprache mit Bodenkulturspezialisten und Landwirten auf eine zielführende Anwendbarkeit in der heutigen künstlichen Bewässerung in Mittelitalien geprüft werden. Ein positives Resultat würde beweisen, dass Gegenwart und Zukunft durchaus aus der Vergangenheit und ihren technischen Errungenschaften lernen können.

[1] Dieses Projekt ist Resultat einer Zusammenarbeit des Verfassers mit den Gremien Italiens und Griechenlands der International Water Association (IWA).
[2] P. Laureano, Atlante d'acqua (2001) 365.
[3] Laut DAI-Forschungscluster, www.dainst.org/index_6755_de.html, wäre zu prüfen, "inwieweit das Wissen über antike Wasserbautechniken für die Lösung gegenwärtiger wasserwirtschaftlicher Probleme herangezogen werden könnte".
[4] C. Ampolo in G. Barbieri (Hrsg.), L'Alimentazione nel mondo antico. Gli Etruschi (1987) 11.
[5] P. Fedeli, La natura violata. Ecologia e mondo romano (1990) 58-66.
[6] S. Judson, A. Kahane, BSR 31, 1963, 74ff.
[7] F. Ravelli, P. Howarth, Irrigazione e drenaggio XXXVI, 2, 1989, 1ff.
[8] P. Laureano a.O. 253.
[9] Cato, De agricultura; Varro, Rerum rusticarum, I-III; Columella, De re rustica, I-XII; P. Rutilius Aemilianus, Opus agriculturae; Vergilius, Georgica; Plinius, Naturalis Historia, XIV-XIX.
[10] Vitruvius, De architectura, VIII, besonders VIII, 5 und Frontinus, De aquis urbis Romae, I-II.

© Ernst Kanitz
e-mail: ernst.kanitz@libero.it


This article should be cited like this: E. Kanitz, Kann man aus der Vergangenheit lernen? Etruskische und römische Bewässerungsmethoden als wassersparende Alternative für die moderne Landwirtschaft in Mittelitalien, Forum Archaeologiae 46/III/2008 (http://farch.net).



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