Forum Archaeologiae - Zeitschrift für klassische Archäologie 46 / III / 2008

DIE SOG. PHALLOS-STEINE IN KLEINASIEN

Die sog. Phallos-Steine in Kleinasien, auch Pilzsteine (mushroom stones) und Knaufmonumente (toadstools) genannt sind eine Denkmälergruppe monolither bearbeiteter Steine, sehr häufig aus vulkanischem Material, die wahrscheinlich ab dem 7./6. Jh. v.Chr. bis in hellenistische Zeit, vielleicht auch teilweise noch, zumindest solche im sog. "Kugel-Schaft-Typus", während der römischen Kaiserzeit, als anikonische Grabcippi verwendet wurden. Seit den Feldforschungen der Gelehrten des 19. Jahrhunderts, von denen sie manchmal im Zusammenhang mit Tumuli beobachtet werden konnten, blieben sie wohl aufgrund ihrer anspruchslosen Formen völlig unzureichend dokumentiert und erklärt. Auf der Grundlage eines von der Verf. nach der publizierten Evidenz neu erstellten und über 80 Exemplare umfassenden Kataloges werden das Verbreitungsgebiet, bekannte Kontexte, z.B. die Aufstellung am Tumulus, sowie das Formenrepertoire und punktuelle Datierungsansätze vorgestellt, die durch eine zukünftige sorgsamere Beachtung von Maßen, Materialien, Kontextdaten und fotografischer Dokumentation zu präzisieren sein werden.
Im Corpus der ostgriechischen Grabreliefs von Pfuhl-Möbius fällt gegenüber den üblichen rechteckigen Reliefstelen des Hellenismus und der Kaiserzeit ein Denkmal aus Daskyleion-Ergili [1] (Abb.) besonders aufgrund seiner außergewöhnlichen Form auf. Vor dem Hintergrund der Tradition der sog. Phallossteine stellt dies kein Rätsel mehr dar. Ein älterer sog. Phallosstein wurde anlässlich seines sekundären Gebrauchs durch die Einarbeitung von Reliefs zu einem Grabmonument einer Frau umgestaltet, wobei jedoch die ursprüngliche Form weitgehend erhalten blieb. Durch den Stil der figürlichen Darstellungen ist die Zweitverwendung in das 2.Jh. v.Chr. datiert.
Das Reliefbild des kugeligen Abschnittes zeigt eine frontal sitzende Frau, deren Füße auf einem Fußschemel ruhen und eine ihr von links nahende, kleinere Dienerinnenfigur mit einem Wollkorb. In den Schaft der so als Vorderseite des ehemals rundansichtigen Denkmals festgelegten Fläche wurde ein weiteres rechteckiges Bildfeld eingefügt, um hier in Relief eine Herme auszuarbeiten, die auf das Leben als Agon verweist. An den Seiten des Hauptbildes im kugeligen Abschnitt sind jeweils in flachem Relief und zur Mitte orientiert eine Frau mit Flügel bzw. eine mehrfach geringelte Schlange und ein männliche Figur, ebenfalls mit Flügel dargestellt. Die Figuren symbolisieren Psyche, die unsterbliche Seele und Eros, die göttliche Liebe, die sich miteinander verbinden wollen. Psyche kommt einige Male auf hellenistischen Grabreliefs Kleinasiens in Schwellensituationen zwischen Diesseits und Jenseits vor. Die Schlange, kein mit Eros und Psyche in selbstverständlichem Zusammenhang stehendes, jedoch insbesondere von den hellenistischen Totenmahlreliefs vertrautes Tier, bildet den symbolischen Verweis auf die Heroisierung der Verstorbenen. Das "Rahmenprogramm" mit Psyche, Eros und der Schlange multipliziert den Heroisierungswunsch.

[1] E. Pfuhl - H. Möbius, Die ostgriechischen Grabreliefs (1977-1979) Nr. 893 Taf. 133.

© Eva Christof
e-mail: eva.christof@uni-graz.at


This article should be cited like this: E. Christof, Die sog. Phallos-Steine in Kleinasien, Forum Archaeologiae 46/III/2008 (http://farch.net).



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