Forum Archaeologiae - Zeitschrift für klassische Archäologie 46 / III / 2008

DIE "GESELLSCHAFT ZUR FÖRDERUNG DEUTSCHER WISSENSCHAFT, KUNST UND LITERATUR IN BÖHMEN" UND IHRE ARCHÄOLOGISCHE EXPEDITION NACH LYKAONIEN, OST-PAMPHYLIEN UND ISAURIEN (KLEINASIEN) IM JAHRE 1902

Im Jahre 1890 war in Prag die "Gesellschaft zur Förderung deutscher Wissenschaft, Kunst und Literatur in Böhmen" (weiter im Text nur mit "Gesellschaft" benannt) gegründet worden. Der Hauptzweck dieser Gesellschaft war die Unterstützung von "deutsch-böhmischen" und in den tschechischen Länden lebenden, deutschen Forschern, Künstlern und Schriftstellern, hauptsächlich mittels der Vergabe von Geldspenden, der Veröffentlichung verschiedener Publikationen und Präsentation der Werke der bedeutenden Forscher oder Künstler. Die Mitglieder der Gesellschaft waren die bedeutenden Persönlichkeiten des wissenschaftlichen und kulturellen Lebens der ehemaligen tschechischen Länder - z.B. die Künstler oder Universitätsdozenten der Deutschen Universität in Prag.
Angeregt wurde die Kleinasiatische Expedition kurz vor 1900 vom damaligen Direktor des Österreichischen Archäologischen Instituts Professor Otto Benndorf (1838-1907), der korrespondierendes Mitglied der Gesellschaft war. Die Teilnehmer waren führende deutsch-böhmische Fachwissenschaftler der österreichischungarischen Monarchie unter der Leitung des Altphilologen Professor Heinrich Swoboda (1856-1926), Professor für griechische Altertumskunde und Rektor der Deutschen Universität Prag:
Carl Ludwig Patsch (1865-1945), Professor der Slawistik an der Universität Wien; 1908-1918 Leiter des 1. K. und K. Instituts für Balkanforschung in Sarajevo,
Julius Jüthner (1866-1945), klassischer Philologe und seinerzeit Professor in Freiburg in der Schweiz, danach Dozent an der Universität Czernowitz in der Bukowina (heutiger Cernivci in der Ukraine),
Fritz Knoll (1872-1940), Bauingenieur und Expeditionsfotograf.

Die eigentliche archäologische Expedition hatte, zu Pferde mit einem Tross von weiteren Reittieren, von Konya in der Türkei ausgehend, im Jahre 1902 vom 4. April bis 28. Juni (der Rückkunft nach Konya) stattgefunden. Während dieser wissenschaftlichen Reise wurden mehrere hundert Fotografien, Skizzen, Pläne und Abklatsche der Inschriften gemacht. Kartiert und aufgenommen wurden prähistorische, hethitische sowie griechische, römische, byzantinische und islamische Denkmäler. Einer der großen Erfolge der Expedition war die erste wissenschaftliche Untersuchung und Beschreibung der Überreste der Siedlungsstelle "Palaia Isaura" (lateinisch: Isaura Vetus - Altes bzw. Alt-Isaura). Die Stadt aus hellenistischer, römischer und byzantinischer Zeit liegt auf dem Berg Zengibar Kalesi, etwa 10 km östlich der Stadt Boskir (Silistat). Unlängst identifizierte Klaus Belke das Alte Isaura als Leontópolis, benannt nach Kaiser Leon I. (457-474), der die Stadt neugründete und die in byzantinischer Zeit als Zentrum der gesamten Gegend Isaurien fungierte. Die Dokumentation von Alt-Isaura stellt sicherlich den Höhepunkt der Expedition dar, was sich auch in der Menge der erhaltenen Originalfotografien von 20 Stück auf 5 Bildtafeln niederschlägt - dies sind soviel wie von keinem anderen von der Expedition besuchten Ort.
Im Jahre 1903 ist der "Vorläufige Bericht" erschienen; die Abschlusspublikation wurde erst im Jahre 1935 publiziert. Hier wird Alt-Isaura in 20 Originalfotografien auf fünf Bildtafeln vorgestellt - das sind soviel wie von keinem anderen von der Expedition besuchten Ort. Im Vorwort dieser Abschlusspublikation wird sogar erwähnt, dass im Archiv der Gesellschaft in Prag noch unpublizierte Fotos, Skizzen und Pläne sowie Abklatsche der Inschriften deponiert sind. In den letzten zwei Jahren haben die drei Autoren in verschiedenen Archiven in München (A. Zäh) und Prag (T. Alusik und J. Kostenec) mit Archivalien und Nachlässen der Gesellschaft und deren Mitglieder gearbeitet. Als Ergebnis dieser Arbeit wird in der Kleinasiatischen Kommission der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien das Buch "Wissenschaftlicher Nachlaß der Deutsch-Böhmisch archäologischen Expedition nach Lykaonien, Ost-Pamphylien und Isaurien (Kleinasien) durchgeführt im Jahre 1902" (herausgegeben von J. Kostenec und A. Zäh) publiziert werden, das auch die erhaltenen Expeditionsfotografien mit Kommentaren - manche werden zum ersten mal veröffentlicht - umfassen wird.

© Tomáš Alušík, Jan Kostenec, Alexander Zäh
e-mail: ala@c-mail.cz


This article should be cited like this: T. Alušík - J. Kostenec - A. Zäh, "Gesellschaft zur Förderung deutscher Wissenschaft, Kunst und Literatur in Böhmen" und ihre archäologische Expedition nach Lykaonien, Ost-Pamphylien und Isaurien (Kleinasien) im Jahre 1902, Forum Archaeologiae 46/III/2008 (http://farch.net).



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