Forum Archaeologiae - Zeitschrift für klassische Archäologie 42 / III / 2007

SKANDALE - BETRÜGEREIEN, BESTECHUNGEN UND FEHLENTSCHEIDUNGEN IN DER ANTIKE

You know the old proverb - "Everything in turn,
except scandal, whose turn is always."
(R. D. Blackmore, Springhaven. Ch. 18. [1887])

Der ,Skandal'-Berichterstatter Pausanias - Bestechungen und Betrug im antiken Olympia

Pausanias hat im Zuge seiner Beschreibung der Wettkampfstätte Olympia auch die zu den einzelnen Athletenstatuen und anderen Monumenten bekannten Geschichten aufgezeichnet. Diese übernahm er von seinem ,Touristenführer' [1] und den zahlreichen Inschriften. Dabei schildert er auch einige Skandale des antiken Olympia. Denn die Geschichte des antiken Wettkampfes war keineswegs arm an Betrügereien, Bestechungen und Verstößen gegen die heiligen Gesetze, ganz ähnlich den Spielen der Neuzeit. Dabei waren die antiken Hüter der Regeln ähnlichen Problemen wie die modernen Institutionen ausgesetzt. Vor allem in der Kaiserzeit nahm mit der Anzahl der Spiele und der Ausbildung der Berufsgruppe der Sportler auch die Zahl der Betrügereien zu. Der Sport war zu einem Geschäft geworden, geheime Absprachen an der Tagesordnung, der ursprüngliche Charakter der Spiele als Fest zu Ehren der Götter vergessen. Eine ähnliche Entwicklung erlebten auch die modernen Olympischen Spiele und vor allem der moderne Sport: Vom Kräftemessen zum Geschäft. Bei den antiken Olympischen Spielen gab es außer dem Siegeskranz keine Siegesprämie. Aber es muss festgehalten werden, dass schon in der griechischen Frühzeit bei Wettkämpfen Prämien vergeben wurden. Bei den von Homer im 23. Gesang der Ilias geschilderten Leichenspielen zu Ehren des Patroklos stehen die Siegespreise im Zentrum. Schließlich wurden in historischer Zeit die siegreichen Athleten von ihrer Polis hoch geehrt und reich beschenkt. Ein idealistisches Kräftemessen gab es also nie, trotzdem entstand erst im Laufe der Jahrhunderte der Beruf des Athleten, der durch seine Siege leben konnte und vor allem musste. Davor stammten die Teilnehmer an den Spielen meist aus aristokratischen Kreisen, die sich eine durchaus kostspielige Anreise nach Olympia leisten konnten. Mit der Zeit bemühte man sich, auch nichtadlige, begabte Athleten zu fördern. So setzte Solon für Athener Prämien bei einem Olympiasieg aus. Schließlich konnten sich die jungen Sportler bei den zahlreichen kleineren, aber mit Preisen dotierten Wettkämpfen bewähren und zeigen, ob sie die notwendigen Vorraussetzungen für eine Teilnahme an der großen Spielen besaßen [2].
Als einer der Skandale am Schnittpunkt der Entwicklung von Amateur- zu Profitum sind in moderner Zeit die vor allem in Österreich bis heute präsenten Ereignisse um Karl Schranz zu nennen. Dieser wurde von den Olympischen Spielen in Sapporo 1972 wegen Verstoßes gegen die Amateurregeln ausgeschlossen, da er mit Werbung Geld verdient hatte [3].
Einen ähnlich gelagerten Fall gab es in der Antike am Ende des 1. Jahrhunderts n.Chr. Apollonios von Alexandria konnte die feststehende Frist, die die Athleten verpflichtete, 30 Tage vor dem Beginn der Spiele in Olympia zu erscheinen, nicht einhalten. Er gab an, dass ihm ungünstige Wetterbedingungen eine rechtzeitige Ankunft verwehrt hatten. Die Hellanodiken akzeptierten diese Begründung. Sein Gegner Herakleides aus Alexandria erhob aber Einspruch und konnte beweisen, dass sich Apollonios bei einem anderen Wettkampf befunden hatte, um Geld zu verdienen. Daraufhin wurde Apollonios und andere disqualifiziert und Herakleides kampflos zum Sieger erklärt [4].
Wie viele andere Szenen des realen Lebens wurden auch Skandale und Betrügereien in die Mythologie übernommen. Ein Betrug wird am Ostgiebel des Zeustempels in Olympia angedeutet. Da Oinomaos, Sohn des Ares und König von Elis, prophezeit worden war, durch den Freier seiner Tochter Hippodameia zu sterben, forderte er die Werber auf, sich im Wagenrennen mit ihm zu messen. Da Ares seinem Sohn Oinomaos Pferde geschenkt hatte, die diesen unbesiegbar machten, ließ er den Freiern zwar einen Vorsprung, doch hatte er sie in der Regel bald eingeholt, um sie dann mit einem Speer zu durchbohren. Als Pelops um die Hand der Hippodameia warb, war er sich dieser Gefahr bewusst, weshalb er Myrtilos, den Wagenlenker des Oinomaos, bestach. Dieser tauschte die Achsenbolzen am Wagen des Oinomaos durch Wachsstücke aus. Als Oinomaos nun Pelops nachjagte, gaben diese nach. Der König starb. Myrtilos wurde anschließend von Pelops um seine Belohnung betrogen und ermordet. Aus diesem Blickwinkel betrachtet sind die Olympischen Spiele also auf einem Skandal begründet [5].
Zurück zu Pausanias, der u. a. auch einen Skandal im Umfeld eines siegreichen Athleten schildert. Dieser, Peisirodos, stammte aus einer berühmten Olympionikenfamilie. Da sein Vater gestorben war, verkleidete sich dessen Mutter Kallipateira oder Pherenike als Gymnast (Trainer), um ihn zu betreuen, und setzte sich damit über das Verbot hinweg, dass verheiratete Frauen an den Olympischen Spielen die Altis nicht betreten durften. Als ihr Sohn gewann, sprang sie über die Abschirmung und entblößte sich dabei. Die vorgesehene Strafe, das Hinabstoßen vom Fels Typaion, wurde ihr aufgrund der sportlichen Verdienste der Familie erlassen, die Gymnasten mussten seitdem aber ebenso wie die Athleten nackt teilnehmen [6].
Eine Reihe von Skandalen ist mit Bestechungsaffären verbunden, an die bis heute die Basen westlich des Stadioneinganges erinnern. Diese trugen bronzene Zeusstatuen, im Volksmund laut Pausanias als Zanes bezeichnet, die aus den Strafgeldern der gegen die Wettkampfregeln verstoßenden Athleten errichtet wurden. Sie erinnerten auf dem Weg ins Stadion die Sportler an ihren Eid an Zeus sowie die Hellanodiken an ihre Pflicht [7] und sollten zur Abschreckung und damit zur Verhinderung künftiger Frevel dienen. Epigramme schilderten die näheren Umstände der Errichtung und brandmarkten somit die Betrüger. Der Inhalt einer Inschrift mag an das vorher Gesagte erinnern: Das erste Epigramm will besagen, daß man einen Sieg in Olympia nicht mit Geld, sondern mit Schnelligkeit der Füße und Körperkraft erringen soll. [8] Schon zur Zeit des Pausanias waren nicht mehr alle warnenden Texte erhalten, doch schildert er uns einige der Episoden, die zur Aufstellung der insgesamt 17 Statuen in Olympia und einer im Gymnasion von Elis geführt hatten. Darunter fallen Absprachen, Bestechungen, etc. Die Strafgelder waren sicher sehr hoch, da Pausanias die Statuen mit berühmten Künstlern verbindet.
Die ersten 6 Zanes wurden nach einem Skandal während der 98. Olympiade (388 v.Chr.) errichtet. Eupolos aus Thessalien bestach seine Mitkonkurrenten im Faustkampf, darunter einen ehemaligen Olympiasieger. Die Inschriften der Statuen besagten, dass sie zu Ehren der Gottheit und zur Abschreckung für frevelnde Athleten dienen sollten, einen olympischen Sieg mit Geld zu erkaufen.
Eine größere bzw. politische Dimension nahm der Bestechungsfall des Atheners Kallippos bei der 112. Olympiade (332 v.Chr.) in der Disziplin des Fünfkampfes an. Die Eleer belegten den Initiator sowie auch dessen mit Geld bestochenen Gegner mit Geldstrafen. Athen versuchte mit einer Gesandtschaft zugunsten des eigenen Bürgers und damit zugunsten des eigenen Ansehens zu intervenieren. Als die Strafe nicht erlassen wurde, weigerten sich die Athener, diese zu zahlen, und blieben den Olympischen Spielen in der Folge fern. In der Regel genügte die sakrale Autorität der Olympischen Spiele, um Entscheidungen durchzusetzen, in diesem Fall unterstützte jedoch auch das Orakel und damit das Heiligtum von Delphi die Eleer. Da Delphi ebenfalls eines der vier panhellenischen Kranzspiele veranstaltete, lag ein geregelter Ablauf und die Einhaltung der Gesetze auch in ihrem Interesse. Das delphische Heiligtum verweigerte den Athenern also in der Folge Orakel, die in bedeutenden politischen und alltäglichen Belangen unverzichtbar waren. Die Athener beugten sich schließlich dem Urteil und zahlten die Strafe. Mit dieser wurden weitere 6 Statuen errichtet. Eine der Inschriften paraphrasiert Pausanias folgendermaßen: […] die vierte will sagen, daß es beim Wettkampf in Olympia um Tüchtigkeit und nicht um Geld geht [9].
Pausanias beschreibt auch weitere Skandale, u. a. einigten sich bei der 226. Olympiade (125 n.Chr.) die um den Sieg kämpfenden ägyptischen Faustkämpfer auf eine bestimmte Summe. Auch diesen wurde eine hohe Geldstrafe auferlegt.
Am Ende der Beschreibung der Zanes brandmarkt Pausanias vor allem den Frevel und damit die fehlende Scheu vor dem Gott der Spiele bei einem Eleer selbst, Damonikos, der an der 192. Olympiade (12 v.Chr.) versuchte, durch Bestechung des Vaters des anderen Athleten seinem Sohn den Sieg zu erkaufen. Nachdem der Betrug erkannt wurde, musste der Vater eine Strafe zahlen, aus welcher ebenfalls Statuen bezahlt wurden. Eine davon wurde im Gymnasion von Elis, die andere auf der Altis vor der Echohalle errichtet [10]. Die Unerhörtheit des Vorfalls ist dadurch hervorgehoben, dass dieser am Ende der Beschreibung des Pausanias steht und somit die ansonsten chronologische Reihenfolge durchbricht [11].
An den Olympischen Spielen sollten nur die Besten teilnehmen. Auch dieses Faktum ist im Zusammenhang mit der Bedeutung der Wettkämpfe und vor allem des Gottes, in dessen Namen sie abgehalten wurden, zu sehen. Man wollte Zeus mit Spielen auf hohem Niveau ehren. An dieser Stelle sei der von Pausanias erwähnte Skandal um Theagenes von Thasos erwähnt. Dieser, einer der größten Athleten der Antike, trat bei den Olympien im Faustkampf und Pankration an. Er konnte zwar seinen Gegner im ersten Wettkampf, Euthymos, besiegen, aber aufgrund von Erschöpfung nicht mehr im Pankration antreten. Die Hellanodiken verurteilten ihn zu einem Talent Strafe an den Gott, sowie zu einem Talent für den besiegten Gegner Euthymos [12]. Für die Hellanodiken war das Nichtantreten des Theagenes wohl eine Beleidigung an der Gottheit gewesen, da der Ablauf gestört und der Sieg im Pankration kampflos dem Dromeus aus Mantineia zufiel [13].
Pausanias schildert die Gründe für diese Entscheidung der Hellanodiken nicht, weshalb wir sie nur vermuten können. Dagegen besteht nach Pausanias beim Verhängen des Bußgeldes zugunsten des Euthymos Erklärungsbedarf. Die Entscheidung wird durch den Eindruck der Hellanodiken, dass Theagenes nur aus Missgunst gegen Euthymos im Faustkampf angetreten sei, gerechtfertigt. Zwar zahlte Theagenes die ihm auferlegte Buße an den Gott, weigerte sich aber das Talent an seinen ihm im Faustkampf unterlegenen Gegner auszubezahlen. Es kam schließlich zu einem Vergleich, da Theagenes in der Folge nie mehr in Olympia im Faustkampf antrat und damit Euthymos den Sieg ermöglichte [14].
Die Korruption nahm im Laufe der Zeit immer mehr zu, vor allem in der römischen Kaiserzeit - ein Zustand, den Philostrat beklagt. Als Beispiel schildert er einen Vorfall bei den Isthmischen Spielen, wo der Sieg im Ringen bei den Knaben erkauft wurde. Der Sieger zahlte seinem Kontrahenten aber nicht die verabredete Summe, weshalb der Betrogene die Forderung eidlich und lautstark im Poseidonheiligtum bekräftigte [15]. Lassen wir Philostrat abschließend selbst zu Wort kommen: denn die einen verkaufen gar ihren Ruhm, wie ich glaube, weil sie viel brauchen, die anderen müssen sich einen mühelosen Sieg kaufen, weil sie ein weichliches Leben führen [16].

Doping? - Vorbereitung auf den Wettkampf

Die Bedeutung der Ernährung und damit der Vorbereitung des Athleten auf einen Wettkampf war bereits in der Antike bekannt. Die Trainer stellten regelrechte Ernährungspläne für ihre Sportler zusammen [17]. So betont Philostrat in seinem Gymnastikos die Bedeutung der richtigen Nahrung entsprechend der praktizierten Disziplinen und dem Alter des Athleten [18]. Pausanias rät Läufern zur vorwiegenden Ernährung mit Fleisch, eine Diät, die der Läufer Dromeus an Stelle des frischen Käses einführte [19]. Schwerathleten und vor allem Ringer mussten nicht nur eine ausgezeichnete Technik besitzen, sondern verschufen sich durch ihre Körperfülle einen zusätzlichen Vorteil. So soll Milon von Kroton am Tag 20 Minen (= 8,68 kg) Fleisch, genauso viel Weizenbrot und ca. 10 Liter Wein zu sich genommen haben. Angesichts dieser Tatsache verwundert die Darstellung fettleibiger Athleten auf manchen Vasen nicht [20].
Der Athlet musste, wie bereits dargestellt wurde, im olympischen Eid versichern, dass er sich sorgfältig auf die Spiele vorbereitet hatte [21]. Die Endphase des Trainings bestand aus 30 Tagen im Gymnasium von Elis [22]. Erschien ein Athlet nicht rechtzeitig, durfte er ohne eine glaubhafte Entschuldigung für das Fernbleiben nicht teilnehmen [23]. Diese Frist hatte einerseits den Zweck, die geeignetsten Athleten für die Wettkämpfe herauszufinden [24], andererseits deren Training sowie die damit verbundene Ernährung zu überwachen [25]. Dabei dürften die Athleten in unterschiedlichen Bereichen trainiert haben. Pausanias erwähnt das Plethrion, wo die Hellanodiken die Ringkämpfer ihrem Alter und ihrer Kampfesweise entsprechend gegeneinander antreten ließen [26]. In einem kleineren, anschließenden Gymnasionsbezirk trainierten die Kämpfer mit den leichten Lederriemen, in einem dritten Bezirk die Epheben (Knaben) [27]. Im Gymnasion selbst trainierten die Läufer, Fünfkämpfer und Athleten der schweren Disziplinen, die die Hellanodiken zu unterschiedlichen Tageszeiten gegeneinander antreten ließen [28]. Tagsüber hielten sich die Hellanodiken in einer Säulenhalle auf der Agora in Elis auf [29].
Vor den 30 Tagen Vorbereitung auf die Olympischen Spiele, also in dem im Eid angesprochenen Zeitraum von 10 Monaten, wurden die Athleten von eigenen Trainern betreut. Bei diesen handelte es sich oft um ehemalige, erfolgreiche Sportler mit Erfahrung [30]. Philostrat unterscheidet die Paidotriben, die Gymnasten und die Mediziner. Diese zeichneten ihre Grundlagen und Methoden oft schriftlich auf, doch ist von den zahlreichen Schriften nur wenig erhalten [31]. Die Paidotriben konzentrierten ihre Tätigkeit auf die Praxis. Sie waren die Übungsleiter [32]. Die Gymnasten hatten sowohl Erfahrung im Training als auch medizinische Kenntnisse [33]. So waren diese im Bereich der Diät und Massage kompetent. Die Mediziner unterschieden sich nur in den Methoden, sie konnten Heiltränke etc. verabreichen. Schließlich waren sie allein für die Wundbehandlung (Sporttraumatologie) zuständig [34]. Für die Massage waren die Aleiptes verantwortlich [35]. Soweit die Einteilung des Philostrat, der auch über Trainingsmethoden spricht und das sog. Tetradensystem kritisiert. Dabei diente der erste Tag zur Vorbereitung, dem ein Tag intensiven Trainings, dann Erholung und dann mittelmäßige Belastung folgte. Philostrat lehnt vor allem das starre Konzept des Übungsprogrammes ab und erwähnt den Tod eines Athleten, den der Trainer trotz Unwohlseins einige Tage nach seinem Sieg zu stark belastete [36]. Schließlich nennt er verschiedene Möglichkeiten des Trainings, wie Gewichtheben, das Ziehen des Pfluges, Wettlauf mit Tieren, Schwimmen etc. Diese Übungen mussten selbstverständlich entsprechend den Anforderungen der jeweiligen Wettkampfart ausgewählt werden. Neben dem Training waren aber vor allem die natürlichen Anlagen des Athleten von Bedeutung [37].
Dass eine enge Bindung zwischen Trainer und Athlet bestand, wird dadurch deutlich, dass die Namen der Betreuer oft in den Siegesliedern, aber auch auf den Inschriften erscheinen [38].

Magie - Die Verfluchungstafeln

In der Antike verließen sich einige Sportler nicht nur auf die eigenen Kräfte, sondern versuchten sich der Hilfe der Götter zu versichern. Dabei gab es zwei Möglichkeiten: Man erbat den eigenen Sieg und die Verleihung der dafür notwendigen Kräfte oder man verfluchte seinen Gegner. Da die Verfluchung in der Antike ein schweres Vergehen war, nennen die zahlreichen uns erhaltenen Tafeln nie den Namen des Verfassers, aber dafür notwendigerweise den seines Opfers. Vor allem in der römischen Kaiserzeit und dann im Zusammenhang mit Zirkusspielen begegnen uns solche Texte. Dabei wurden diese nicht nur von den Athleten, sondern auch vor allem von deren Anhängern verfasst, da diese auf die Siege ihrer Lieblinge hohe Summen setzten. Angesichts der mehrfachen Meldungen von Wettskandalen in den unterschiedlichsten Bereichen des Sports, u. a. im Fußball, eine uns heute nicht unbekannte Situation. Aber auch Verfluchungen und magische Kräfte haben angesichts der Fußballweltmeisterschaft 2006 ihren Weg in die internationale Presse gefunden. Vor allem die Angst vor magischen Praktiken, etwa die Anwendung von Voodoo, bestand.

Die Texte der antiken Verfluchungen wurden vor allem auf Blei verfasst, das leicht bearbeitet und zusammengerollt werden konnte. Durch das Rollen und Falten sollte der Text bindend bzw. an die Götter übergeben werden [39]. Betrachten wir ein Beispiel einer solchen antiken Verfluchungstafel näher (Abb. 1). Die Tafel stammt aus einem römischen Gräberfeld bei Hadrumentum (Sousse) und wird in das 3.Jh. n.Chr. datiert. Auf der Vorderseite zeigt die Tafel einen in einem Boot stehenden Dämonen. In dem Kahn sind drei Namen zu erkennen (Noctivagus, Tiberis, Oceanus) bei denen es sich vermutlich um die drei zu verfluchenden Pferde handelt. In der Rechten hält die Gestalt ein Gefäß, das J. Tremel als Urne deutet, in der Linken eine Fackel. Auf der Rückseite ist eine Inschrift zu erkennen, die folgendermaßen übersetzt wird: Ich beschwöre dich, Dämon, wer du auch bist, und vertraue dir von dieser Stunde, von diesem Tag, von diesem Augenblick an, dass du die Pferde der Grünen und der Weißen quälst (und) tötest, dass du die Wagenlenker Clarus und Felix und Primukus und Romanus tötest und zerschmetterst und keinen Hauch ihnen mehr lässt; ich beschwöre dich bei dem, der dich losgemacht hat zu (deinen) Zeiten, dem Gott des Meeres (und) der Luft IAÔ IASDAÔ OORIÔ. AÊIA. [40]
Der Text ist an Dämonen gerichtet, deren Namen wir auf der Vorderseite lesen können. Der Autor war also bemüht, möglichst viele Wesen zu nennen, um die Chance der Erhörung seiner Bitte zu erhöhen. Um die Verfluchung der Pferde und Lenker für diese bindend zu machen, dienen die am Ende des Textes der Rückseite angebrachten Buchstabenfolgen. Durch diese magische Praktik sollten die Dämonen zur Tat verpflichtet werden. Von Bedeutung ist die explizite Nennung der Opfer. Oft werden diese mit dem Namen der Mutter genannt, damit es zu keinen Verwechslungen bzw. Unstimmigkeiten kommen konnte. In diesem Fall geschah dies nicht. Der Hinweis auf die Weißen und Grünen lässt uns den Kontext besser verstehen, da damit die Zirkusparteien gemeint sind. Neben diesen gab es noch die Roten und Blauen, aus deren Kreis sich der Verfasser rekrutieren musste. Dies ist vor allem im Zusammenhang mit dem vorher erwähnten Wettwesen im Umfeld der Rennen zu verstehen. Auch hier wird der Verfasser nicht genannt, was angesichts der geforderten Tötung der Lenker nur allzu verständlich ist. Gleichzeitig wird dadurch aber auch die Schwere des Vergehens bewusst.
Manche Athleten versuchten durch Amulette ihre eigene Leistungsfähigkeit zu erhöhen. Von solchen sind einige Beispiele erhalten [41]. Neben Orakeln [42] spielte aber auch die Traumdeutung eine wesentliche Rolle. So nehmen Athleten betreffende Träume im Traumbuch des Artemidor einen überraschend großen Raum ein. Sicherlich ein Zeichen des Stellenwertes des Sports im antiken Leben. Als Beispiel sei der Traum eines Schwerathleten angeführt, der träumte, dass er goldene Hände hätte. Obwohl er sich siegessicher war, verlor er den Wettkampf. Dann wurde ihm auch der Sinn des Traumes verständlich, da seine Hände tatsächlich so schwer wie Gold gewesen waren [43].

Moderne ,Skandale' - Fremde Antike?

Die in den einzelnen Kapiteln zahlreich angeführten Vergleiche zum modernen Sportgeschehen zeigen die manchmal erschreckende Aktualität des antiken Wettkampfwesens. Noch heute identifiziert man sich mit seinen Sportlern. Die einzelnen Staaten lassen es sich viel Geld kosten, um ihre Athleten zu fördern und mit diesen bei Großveranstaltungen Werbung für das eigene Land machen zu können. Manche gehen auch den einfachen Weg und werben Spitzensportler ab. Wie sehr auch die Bevölkerung hinter ihren Landsleuten steht, konnte 2006 die Begeisterung für die Fußballweltmeisterschaft in Deutschland zeigen. Davor war die Fußballwelt von der Bestechungsaffäre um Juventus Turin erschüttert worden. Diese stellt aber nur den Höhepunkt eines noch immer aktuellen Problems dar: den Wettskandalen.
Skandale, Betrügereien, Bestechungen. Aus dem Dargestellten wird deutlich, dass Fairness in der Antike keineswegs unumstößliche Tugend war. Bereits die Unsportlichkeiten anlässlich der Leichenspiele des Patroklos zeigen, dass der Sieg das vorrangige Ziel war [44]. Abschließend sei ein Zitat des Plutarch erwähnt: Wie sehr liegt den Läufern doch der schnelle Start mehr am Herzen als die Gerechtigkeit! [45]

Die Auflösung der Kurzzitate entnehmen Sie bitte der Bibliographie.
[1] Paus. V 10, 7; 20, 4; 21, 8.
[2] Weeber 2000, 66-89.
[3] Das Problem des Amateurstatus bei den Olympischen Spielen der Neuzeit hat diese seit ihrer Gründung verfolgt, s. dazu Weeber 2000, 66-72.
[4] Paus. V 21, 19 f.; Decker 1995, 123.
[5] Ein ähnlicher Mythos ist mit den Pythischen Spielen in Delphi verbunden. Soph. El. 680-763 erwähnt den Tod des Orestes bei einem nicht ganz zufälligen Unfall während eines Wagenrennens.
[6] Paus. V 6, 7-8; VI 7, 2; Philostr. Gymn. 17; Decker 1995, 136-138.
[7] Paus. VI 20, 8.
[8] Paus. V 21, 4.
[9] Paus. V 21, 7.
[10] Zu den Zanesbasen und mit diesen in Zusammenhang stehenden Skandalen vgl. Paus. V 21, 2-17; Paus. VI 20, 8; Weeber 2000, 116-120.
[11] Decker 1995, 151.
[12] Antike Maßangaben stellen uns regelmäßig vor Probleme. In diesem Fall muss es beispielsweise offen bleiben, ob es sich um 1 Talent Silber oder Gold handelt, wobei ersteres aufgrund der Angemessenheit der Strafe wahrscheinlicher erscheint.
[13] Ein kampfloser Sieg war möglich, doch meint Philostrat, dass ein solcher Akoniti-Sieg (,Sieg ohne Staub') nur bei den Ringern geachtet wurde, da dort bereits im Training wie im Wettkampf gekämpft wurde. Beim Faustkampf oder beim Pankration bestand ein zu hohes Verletzungsrisiko, um bereits im Vorfeld der Spiele ernsthaft zu kämpfen. Durch diese Bemerkung wird aber auch deutlich, wie schwer das Training für die Ringer war und zumindest in dieser Disziplin tatsächlich einen Ausscheidungskampf bedeutete. Palaiologos meint, dass Theagenes im Pankration deshalb nicht antrat, da dort sein Gegner nicht kampflos zum Sieger erklärt worden wäre. Deshalb würde sich dann auch die Strafe erklären lassen (Yalouris 2003, 129f.).
[14] Paus. VI 6, 4-6; VI 11, 4.
[15] Philostr. Gymn. 45; Decker 1995, 152.
[16] Philostr. Gymn. 45.
[17] Yalouris 2003, 122f.
[18] Philostr. Gymn. 43f. 46. 50-51.
[19] Paus. VI 7, 10.
[20] Decker 1995, 87 Abb. 33; Weeber 2000, 168-170.
[21] Paus. V 24, 9.
[22] Der Zeitrahmen von 30 Tagen war sicherlich nicht bereits zu Beginn der Spiele festgelegt, doch bestand dieser wahrscheinlich ab dem 5. Jahrhundert v.Chr., s. dazu N.B. Crowther, The Olympic Training Period, Nikephoros 4, 1991, 161-166, bes. 162.
[23] Paus. VI 23, 1; Decker 1995, 147.
[24] So schreibt Philostr. Gymn. 11: denn ist die Teilnahme am Wettkampf in Olympia eine gewaltige Leistung, so erscheint das Training noch schwieriger; s. J. Jüthner Philostratos, Über Gymnastik, Sammlung wissenschaftlicher Kommentare zu griechischen und römischen Schriftstellern (1909) 143.
[25] Yalouris 2003, 132-134. Crowther meint, dass der genaue Zweck aus den Quellen nicht erschlossen werden kann, doch schlägt auch er u. a. die Auslese der Athleten bzw. deren optimale Vorbereitung als Grund vor (Crowther [Anm. 22] 165f.).
[26] Paus. VI 23, 2.
[27] Paus. VI 23, 4-5.
[28] Paus. VI 24, 1. - Crowther (Anm. 22) 163 vermutet, dass es sich dabei um drei Bereiche eines Gymnasiums handelt. Andere gehen von drei Gymnasien aus (Yalouris 2003, 133).
[29] Paus. VI 24, 2-3.
[30] Philostr. Gymn. 14f.; Paus. VI 10, 5.
[31] Einzig der bereits erwähnte Text des Philostrat ist uns überliefert; er war jedoch ein Laie und arbeitete nicht als Trainer.
[32] Decker 1995, 144.
[33] Philostr. Gymn. 14f. 25f.
[34] Philostr. Gymn. 14f. - Zu den Kompetenzen vgl. die Graphik bei Decker 1995, 145.
[35] Mind and Body 1989, 35; Yalouris 2003, 124-126.
[36] Philostr. Gymn. 54.
[37] Philostr. Gymn. 25-42.
[38] Pind. O. VIII 3; Decker 1995, 143-150; Miller 2004, 20-24. 186-195.
[39] Zu Fluchtafeln vgl. J. Tremel, Magica agonistica. Fluchtafeln im antiken Sport, Nikephoros Beih. 10 (2004) bes. 132 Nr. 36 Abb. 13 (auf S. 295); Decker 1995, 155f.
[40] Tremel a. O. 132.
[41] Decker 1995, 156.
[42] So schildert Pausanias eine Begebenheit, wonach ein Athlet aufgrund eines Orakels bereits seine Siegesstatue anfertigen und am Tag seines Sieges in der Altis aufstellen ließ (Paus. VI 8, 3; Decker 1995, 153).
[43] Artemidor, Oneirokritika V 48; weitere Beispiele mit Verweisen bei Decker 1995, 153-155.
[44] Weeber 2000, 133-137.
[45] zitiert nach Weeber 2000, 123.

© Stefan Seitschek
e-mail: stefan_seitschek@yahoo.de

This article should be cited like this: S. Seitschek, Skandale - Betrügereien, Bestechungen und Fehlentscheidungen in der Antike, Forum Archaeologiae 42/III/2007 (http://farch.net).



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