Forum Archaeologiae - Zeitschrift für klassische Archäologie 42 / III / 2007

RECHT UND ORDNUNG

Der ,olympische' Eid

Ähnlich den heutigen olympischen Athleten mussten auch ihre antiken Pendants einen Eid leisten. In Olympia geschah dies vor der Statue des Zeus Horkios (Schwurgott), die im Buleuterion (Rathaus) stand und in jeder Hand ein Blitzbündel hielt. Zur zusätzlichen Abschreckung befand sich vor den Füßen der Statue eine Bronzetafel mit vor Missachtung der Regeln warnenden Versen. Der Schwur war mit einem Eberopfer verbunden, bei dem sich die Athleten im Angesicht des Zeus dazu verpflichteten, daß sie sich keinen Verstoß gegen die olympischen Wettkämpfe zuschulden kommen lassen werden [1]. Außerdem schworen sie, dass sie sich in einem Zeitraum von 10 Monaten durch intensives Training vorbereitet hatten. Da an den Skandalen in einigen Fällen das Umfeld des Sportlers, das ,Betreuerteam', beteiligt war bzw. diese ausgelöst hatten, mussten auch die männlichen Verwandten und die Gymnasten, also deren Trainer, den Eid leisten. Gleichzeitig ordneten sie sich damit den Regeln und der Autorität des Zeus unter. Der griechische Dichter Pindar (um 518 - nach 446 v.Chr.) nennt die Regeln Gesetze des Zeus [2]. Ein Verstoß war daher ein Frevel gegen die Gottheit, der entsühnt werden musste.

Die Hellanodiken - Aufgaben, Ruf, Darstellungen

Die Hellanodiken waren die Kampfrichter der Olympischen Spiele und überwachten die einzelnen Wettkämpfe. Bereits in der Ilias tritt Achilles in der Funktion des Kampfrichters auf [3]. Zu Beginn ein erbliches Amt, wurden die Kampfrichter später aus den elischen Bürgern gewählt. Dabei rekrutierten sich die Hellanodiken weiterhin meist aus aristokratischen Kreisen. Neben der finanziellen Unabhängigkeit und damit der Möglichkeit zur Konzentration auf die Aufgabe bei den Spielen, bedeutete dies auch eine geringere Anfälligkeit für Bestechungen [4]. Pausanias erwähnt bei Beschlüssen oft, dass diese von den Eleern gefasst wurden [5]. Diese Hinweise beziehen sich auf die Hellanodiken. Ihre Zahl nahm kontinuierlich zu [6], schließlich gab es ab der Mitte des 4. Jahrhunderts v.Chr. zehn Hellanodiken. Davon waren jeweils drei für das Pentathlon, die Wagen- und Pferderennen und die übrigen Disziplinen zuständig. Der zehnte führte den Vorsitz [7]. Die Richter betraten das Stadion durch den Durchgang im Westen und hatten ihren Sitz bei der südlichen Tribüne [8] (Abb. 1. 2). E. Meyer schließt daraus, dass es für die Start- und Zielschwellen besondere Linienrichter gegeben haben muss [9]. Die Entscheidungen wurden bei Uneinigkeit mit einer einfachen Mehrheit gefällt. In Elis residierten sie in dem sogenannten Hellanodikeion in der Nähe des Gymnasions, wo sie sich 10 Monate lang auf die Wettkämpfe vorbereiteten. Dabei wurden sie durch die Nomophylakes (Gesetzeswächter) mit den Regeln vertraut gemacht [10].
Nicht nur die Athleten, sondern auch die Hellanodiken mussten einen Eid vor der Statue des Zeus Horkios bei einem Eberopfer leisten. Pausanias, ein griechischer Reiseschriftsteller des 2.Jhs. n.Chr., erwähnt dabei ihre Aufgabe, das Alter der Knaben und der Fohlen einzuschätzen und damit über deren Teilnahme bzw. Form zu entscheiden. Die Kampfrichter mussten sich zusätzlich verpflichten, ihr Urteil dem Recht entsprechend zu fällen und vor allem keine Geschenke anzunehmen. Außerdem sollten sie die Gründe der Zulassung geheim halten [11]. Die Geheimhaltung der Entscheidung ist vor allem interessant. Eine auf einem Bronzestreifen angebrachte Inschrift aus Isthmia scheint dieses Bild zu bestätigen. Deren Übersetzung lautet folgendermaßen: Ich, Marios Tyrannos, lasse den Semakos nicht zu [12]. Dies wird dahingehend interpretiert, dass einer der Kampfrichter Semakos von den Knabenagonen ausschloß. Die Abstimmung erfolgte also im Geheimen bzw. anonym mittels Stimmzettel. Dieser Einzelfund lässt darauf schließen, dass solche Tafeln vermutlich nach der Abstimmung zerstört wurden, um die Urteile geheim zu halten [13].
In Olympia gab es die Männer- und Knabenklasse. Bei anderen Wettkampfstätten sind uns noch weitere Altersstufen überliefert [14]. Die Zulassungsentscheidung war notwendig, da es keine verlässlichen Aufzeichnungen über das tatsächliche Alter der jungen Sportler gab. Deshalb musste man aufgrund ihrer Physis entscheiden [15]. Dies ist der Grund, warum jüngere Athleten manchmal wegen ihrer körperlichen Entwicklung bereits bei den Männeragonen antreten mussten. So musste der Rhodier Nikasylos trotz seiner 18 Jahre am Ringen bei den Erwachsenen teilnehmen, wo er auch siegte [16]. Pherias von Ägina wurde von der 78. Olympiade (468 v.Chr.) ausgeschlossen, da er als zu jung angesehen wurde. In der darauffolgenden siegte er im Ringkampf der Knaben [17]. Agesilaos gelang es, einen älteren Sportler in die Knabenklasse einzuschleusen, um diesem bessere Siegchancen zu ermöglichen. Es handelte sich dabei um den Geliebten eines persischen Gastfreundes [18]. Es gab aber nicht in allen olympischen Disziplinen einen Wettkampf der Knaben. So erwähnt Pausanias, dass der Fünfkampf nur einmal für diese Altersklasse veranstaltet wurde [19].
Neben dem Alter gab es weitere Kriterien zu erfüllen, um zu den Spielen zugelassen zu werden. Die Athleten mussten freie Bürger, Griechen und ohne ungesühnte Blutschuld sein [20]. Bezüglich der griechischen Abstammung sei auf die umstrittene Teilnahme des Makedonenkönigs Alexanders I. verwiesen, dessen Dynastie der Argeaden schließlich genealogisch zweifelhaft von Argos abgeleitet wurde. Herodot verweist auf diese Entscheidung der olympischen Gremien als Beweis für die griechische Abstammung der Königsdynastie. Diese Passage kann als Beleg für die Autorität eines olympischen Urteils dienen [21].
Die Hellanodiken überwachten die einzelnen Wettkämpfe und ihre Abhaltung unter den festgesetzten Regeln. Verstöße wurden durch von ihnen verhängte Strafen geahndet. Den Kampfrichtern oblag die Entscheidung über Sieg und Niederlage. Anschließend bekränzten sie den siegreichen Athleten. Einen Sonderfall stellt der Boxendkampf im Jahre 492 v.Chr. dar, als Kleomedes aus Astypalaia Ikkos aus Epidaurus tödlich verwundete. Nach Beratungen der Hellanodiken wurde der Sieg Ikkos zugesprochen, da man Kleomedes den Einsatz unfairer Griffe vorwarf [22]. Außerdem betont Pausanias, dass es den Hellanodiken erlaubt war, auch während des Kampfes die Athleten mit einer Rute zu züchtigen, etwa bei einem unerlaubten Griff. Ein Zitat des griechischen Historikers Herodot belegt, dass ein Frühstart beim Laufen Rutenschläge als Strafe zur Folge hatte [23]. Solche Situationen werden nicht nur in der Literatur erwähnt [24], sondern auch auf Vasen dargestellt [25]. Schwerere Vergehen, die nicht immer sportlicher Natur sein mussten, konnten mit Auspeitschung und Vertreibung von der Altis bestraft werden.
Pindar bezeichnet in seiner 3. olympischen Ode die Entscheidungen der Kampfrichter als reines Urteil [26]. Auch Plutarch lobt das gerechte Urteil der Hellanodiken [27]. Trotz mancher Rückschläge war man um den Ruf der Kampfrichter und damit auch der Olympischen Spiele bemüht. So erwähnt Pausanias die Scheu vor einem Frevel und die abschreckende Wirkung der Aura dieser Spiele [28]. Den Kampfrichtern war der olympische Rat übergeordnet. Bei diesem konnte gegen ein Urteil der Hellanodiken geklagt werden. Einen solchen Fall schildert uns Pausanias bezüglich des Leon von Ambrakia. Die drei Kampfrichter waren über den Sieger im Laufwettbewerb uneins. Zwei erklärten den Eupolemos von Elis als Sieger, nur einer Leon von Ambrakia. Dieser fühlte sich betrogen und erhob beim olympischen Rat Einspruch. Leon wurde Recht gegeben, die zwei Hellanodiken, die gegen ihn entschieden hatten, zu einer Geldbuße verurteilt [29]. Da es sich in der Vorstellung der Griechen bei der Erklärung des Siegers aber um einen heiligen Schiedsspruch im Einvernehmen mit der Gottheit handelte, konnte dieser nicht zurückgenommen werden. Eupolemos von Elis blieb also Sieger. Auch die wegen Bestechung verurteilten Athleten blieben in den offiziellen Siegerlisten, mussten jedoch empfindliche Strafen hinnehmen, aus denen Standbilder des Zeus errichtet wurden [30]. Angesichts der Tatsache, dass die Hellanodiken ihren eigenen Landsmann zum Sieger erklärten, schadete diese Entscheidung sicher dem Ruf der Kampfrichter. Dass diese von dem Rat, dem die Folgen sicher bewusst waren, trotzdem getroffen wurde, zeigt, dass es sich um eine berechtigte Klage des Leon handelte.
Wie bemüht man um möglichst gerechte Urteile war, kann eine bei Herodot geschilderte Episode illustrieren. Eine elische Gesandtschaft reiste nach Ägypten, um sich dort Rat zu holen. Dieser bestand dann vor allem darin, elische Bürger von den Spielen auszuschließen, um eine größtmögliche Objektivität der Kampfrichter zu erreichen [31]. Die ägyptischen Priester meinten: Da lasse es sich nicht unterbinden, daß sie den kämpfenden Mitbürger bevorzugten und den Fremden benachteiligten. [32] Angesichts des bereits geschilderten Vorfalls ein nicht unberechtigter Rat, der aber nicht befolgt wurde.
In diesem Zusammenhang ist ein weiterer Vorfall zu nennen. Der Hellanodike Troilos ließ unter seinem Namen ein Gespann antreten, das dann auch gewann. Sein Sieg bestätigte zwar bei der nächsten Olympiade die Überlegenheit seiner Pferde, doch setzten die Hellanodiken fest, dass es den Kampfrichtern verboten sei, sich an den Wettkämpfen zu beteiligen [33]. Betrachtet man die unten dargestellten Bestechungsfälle und den dazugehörigen großen Zeitraum, muss man dennoch festhalten, dass die Regeln der Olympischen Spiele geachtet wurden. Der griechische Schriftsteller Philostrat (2./3.Jh. n.Chr.) nimmt diese als einzige von dem Verfall der Spiele seiner Zeit aus. Dies mag weniger durch die größere Ehrfurcht vor Zeus, als durch die schärfere Überwachung der Hellanodiken zu erklären sein [34].
Zu einer der Aufgaben der Hellanodiken gehörte es nach Pausanias auch, die olympischen Siegerlisten zu führen [35]. Angesichts der Tatsache, dass diese über Sieg und Niederlage bei den einzelnen Disziplinen entschieden, scheint dies nur folgerichtig. Auch auf diese Listen und allfällige Unstimmigkeiten weist Pausanias hin [36].
Auf den Vasen erscheinen bei Darstellungen von Athleten bzw. sportlichen Wettkämpfen oft ältere, zumeist bärtige Männer, die den geregelten Ablauf überwachen. Dabei kann es sich um Gymnasten oder Paidotriben, also die Trainer der Sportler handeln, aber auch um die Abbildung von Kampfrichtern. Diese letzte Gruppe, in Olympia die Hellanodiken, wird durch das Halten eines gegabelten, in zwei Enden auslaufenden Stabes gekennzeichnet. In einigen Szenen werden die Kampfrichter mit erhobenen Ruten gezeigt, um die Athleten zu trennen bzw. für einen unfairen Griff zu bestrafen [37]. Eine um 490 v.Chr. hergestellte rotfigurige Schale in London zeigt eine solche Szene. Ein Kampfrichter hebt seinen Stock, um die beiden Ringer zu trennen. Grund hierfür ist der Griff des einen Athleten in die Augen seines Gegners - ein klarer Regelverstoß (Abb. 3). Eine ähnliche Szene ist auf einer in Caere entdeckten, um 530 v.Chr. zu datierenden Bandhenkelamphore aus der Werkstatt des Nikosthenes zu sehen. Auf dem Bildfries am Bauch sind zwei Boxgruppen dargestellt. Im Zentrum sind zwei mit Chiton und Mantel bekleidete Kampfrichter zu erkennen. Diese überwachen den Kampf und halten über die Athleten ihre Stöcke, um bei einem Regelverstoß eingreifen zu können (Abb. 4).


Während der verpflichtenden 30-tägigen Vorbereitungszeit der Sportler in Elis beaufsichtigten die Kampfrichter diese [38]. Dabei besaßen sie eine solche Autorität, dass sie selbst die Trainer mit der Peitsche züchtigen konnten, falls diese etwas gegen ihren Befehl unternahmen [39].
Zusammenfassend ist festzuhalten: Während der Spiele gehörte es zu den Aufgaben der Hellanodiken, über die Zulassung der Athleten in die einzelnen Altersklassen zu entscheiden, sie wählten den Sieger und bekränzten ihn. Außerdem überwachten sie die Wettkämpfe und konnten Vergehen sofort ahnden. Bei einem Frevel trafen sie die Entscheidung über die Strafe.
Im Laufe der Kaiserzeit wurden die Hellanodiken durch den Alytarchen (oberster Polizeibeamter) ersetzt [40].

Sanktionen

Für die Verhängung von Strafen in Olympia waren, wie erwähnt, die Hellanodiken in erster Instanz zuständig. Über ihr Urteil konnte beim Rat der Eleer, sozusagen die zweite Instanz, Berufung eingelegt werden. Einen solchen Fall stellt die bereits dargestellte Klage des Leon vor dem olympischen Rat dar.
Bei kleineren Verstößen während des Kampfes schritten die Hellanodiken mit ihren Ruten ein. Bei schwereren Vergehen wurde die Auspeitschung angeordnet. Diese Körperstrafen wurden von den Mastigophoren (Peitschenträger) oder Rhabduchen (Stockträger) vollstreckt. Außerdem konnten die Hellanodiken die Sportler von den Spielen ausschließen. Als weitere Maßnahme konnten hohe Geldstrafen verhängt werden, die zu einem Teil dem Gott, zum anderen den Geschädigten übergeben wurden. An dieser Stelle ist auf die Zanes zu verweisen, Bronzestatuen des Zeus, die aus den Bußgeldern der verurteilten Athleten errichtet wurden (Abb. 5). Konnte ein Sportler die geforderte Summe nicht aufbringen, haftete die Polis, also die Heimatstadt [41].
Es gab aber auch Ordnungshüter (alytai), die die Hellanodiken bei ihrer Arbeit unterstützten, deren Leiter den Titel ,Alytarch' trug. Diese sorgten für Ruhe innerhalb des Publikums und der Altis [42].
Die Olympischen Spiele, wie auch andere, waren mit einem allgemeinen Waffenstillstand (Ekecheiria) verbunden, der von Gesandten der Altis (Spondophoren, Theoroi) in den griechischen Poleis verkündet wurde. Dieser bezog sich vor allem auf die Athleten und Teilnehmer, die bei ihrer Anreise unter dem Schutz des Gottes standen. Auch das Gebiet von Elis stand unter einem solchen [43]. Verstöße gegen diesen Waffenstillstand wurden in der Regel mit dem Ausschluss der Polis und ihrer Athleten geahndet. So besetzte Sparta 420 v.Chr. die elische Festung Phyrkos und die Stadt Lepreon. Als sich Elis beschwerte und den Spartanern ein Bußgeld auferlegt wurde, meinte Sparta, dass die Festboten den Waffenstillstand in der spartanischen Heimatpolis noch nicht verkündet hätten und dieser damit noch nicht in Kraft getreten wäre. Da die Spartaner die Städte nicht räumten, wurden sie von den Olympischen Spielen ausgeschlossen. Bei diesen Spielen trat das Gespann des Spartaners Lichas unter dem Namen Thebens an und gewann. Als Lichas den Sieger für alle sichtbar bekränzte, sahen die Hellanodiken darin einen Verstoß und ließen ihn auspeitschen. Ein Skandal, der noch genauer betrachtet werden wird [44].
Das Verhalten von Elis selbst in diesem Konflikt mit Sparta war äußerst bedenklich. Man hatte seine neutrale Rolle aufgegeben und sich im Zuge des Peloponnesischen Krieges mit Athen verbündet, die alte Schutzmacht Sparta aber übergangen. Nun nutzte Elis seine Rolle als Hüterin der Olympischen Spiele, um Druck auf die lakonische Stadt auszuüben. So entspann sich ein diplomatischer Poker: Nur unter der Vorraussetzung, dass Sparta in Olympia und damit vor ganz Griechenland eine unrechte Vorgehensweise eingesteht, war Elis zu Kompromissen bereit [45]. Anzumerken ist, dass vermutlich kein klarer Verstoß der Spartaner vorlag, da ansonsten kaum verhandelt worden wäre [46].
Der eben geschilderte Skandal des Lichas kann illustrieren, wie eng die Bindung zwischen der Polis und den olympischen Teilnehmern war. Zwar verwechselt Pausanias die als Reaktion geschilderte militärische Aktion Spartas mit den Ereignissen um 364 v.Chr. [47], doch zeigt diese zumindest, dass eine solche bzw. eine Antwort auf die Bestrafung des Bürgers erwartet wurde [48].

,Nationen'-Wechsel - Der Athlet als Repräsentant seiner Heimat

Bei der Nennung zur Teilnahme an den Olympischen Spielen musste der Sportler den eigenen und den Namen der Polis angeben. Die antiken Sportler traten demnach bei den bedeutenden Wettkämpfen auch als Repräsentanten ihrer Heimat auf, ihr Ruhm anlässlich eines Sieges fiel auf ihre Polis zurück. Der Ruhm mehrfacher Sieger bei den bedeutenden Spielen war weithin bekannt. Ein Ruhm, der stets eng mit der Heimatpolis verbunden war, die ihre Athleten mit Geschenken und auch Statuen ehrte [49]. Zahlreiche von Pausanias beschriebene Siegerstatuen der Altis nennen in den Inschriften die Heimatstadt der geehrten Athleten als Stifter, die damit den eigenen Namen und den ihres Bürgers vor dem großen Publikum der Spiele in Olympia oder anderer bedeutender Wettkampfstätten verherrlichte [50]. So spricht man von unschätzbaren PR-Dienste[n] der Olympiasieger [51].
Daneben wurde der Ruf der Olympiasieger auch für politische Angelegenheiten genutzt, beispielsweise setzte man diese als Gesandte ein. Dass ein Olympiasieg bis in die römische Kaiserzeit von politischer Relevanz war, zeigt die Farce um Nero, der seine zweifelhaften Siege durch Triumphzüge in Italien feiern ließ [52].
Die Bindung des griechischen Bürgers an seine Stadt war in der Antike sehr eng und von größerer Bedeutung als heute. Wie aus der oben geschilderten Bestechungsaffäre des Kallippos hervorgeht, übernahm in einigen Fällen die Polis auch die Verantwortung für den Athleten und bezahlte dessen Strafe. Trotz dieser engen Verbundenheit entschieden sich manche Athleten, für eine andere Polis anzutreten. Dabei war vor allem Geld ein Hauptgrund für solch einen Entschluss, wie es vor allem die sizilischen Tyrannen berühmten Athleten anboten. Ein anderer Grund war oft der Ausdruck des Dankes für eine gebotene Hilfeleistung. Im Gegensatz zu heute war ein ,Polis'- bzw. ,Nationen'-Wechsel in der Antike leichter möglich. Der Athlet musste lediglich bei seiner Nennung die Polis angeben, unter deren Namen er antreten wollte [53]. Ein Antritt für die Heimatstadt war die Regel, aber keineswegs verpflichtend. Der Wechsel eines berühmten Sportlers war, da selten, stets Diskussionsthema. Wurde er von seiner ,neuen' Polis und ihren Bürgern geehrt, bedeutete ein solcher Schritt Schimpf und Schande in der Heimat.
Pausanias schildert solche Fälle von ,Nationen'-Wechsel. Astylos von Kroton etwa wurde Anfang des 5. Jahrhunderts v.Chr. von Gelon, dem Tyrannen von Syrakus, abgeworben und gewann unter dem Namen dieser Polis. Kroton stürzte daraufhin seine Ehrenstatue und funktionierte sein Haus zu einem Gefängnis um [54]. Sotades errang in der 99. Olympiade (384 v.Chr.) den Sieg im Langlauf für Kreta. Bei der nächsten Olympiade trat er für Ephesos an, da er von der Stadt Geld erhalten hatte. Daraufhin verbannten ihn die Kreter [55]. Aber nicht jeder erlag den Abwerbungsversuchen. So versuchte Dionysios I. von Syrakus Antipatros von Milet, der 388 v.Chr. im Faustkampf der Knaben in Olympia gewonnen hatte, zu kaufen. Dieser ließ sich jedoch nicht durch die reichen Geschenke beeinflussen [56]. Politische Wirren zwangen Ergoteles aus Knossos, zweifacher Periodonike im Langlauf, seine Heimat zu verlassen. Er fand in Himera (Sizilien) seine neue Heimat, für die er in der Folge antrat [57].
In diesem Zusammenhang muss nochmals auf die Episode des Lichas verwiesen werden. Der Ausschluss von den Olympischen Spielen aufgrund des Verhaltens seiner Heimatpolis Sparta und vor allem das Antreten des eigenen Wagens für die Stadt Theben sind interessant, da diese Fakten ebenfalls zeigen, dass die Polis gewählt werden konnte. Inwiefern es bekannt war, dass das Gespann dem Lichas gehörte, kann nicht mehr geklärt werden, doch forderte das für alle sichtbare Bekränzen des Siegers durch den Spartaner die Hellanodiken heraus, die eine Bestrafung des Übermütigen folgen ließen. Zwar ließ Lichas eine Siegesstatue errichten, doch wurde in den olympischen Siegerlisten der Name Thebens verzeichnet [58].

Die Auflösung der Kurzzitate entnehmen Sie bitte der Bibliographie.
[1] Paus. V 24, 9 (Übersetzung E. Meyer).
[2] Yalouris 2003, 127.
[3] Ilias, 23. Gesang; Decker 1995, 120f.
[4] Decker 1995, 121; Weeber 2000, 121; Yalouris 2003, 90.
[5] Paus. V 21, 3.
[6] Paus. V 9, 4-6.
[7] Paus. V 9, 5.
[8] Paus. VI 20, 8. 10.
[9] E. Meyer, Pausanias. Beschreibung Griechenlands, Bd. 2 (1954, 1967) 639.
[10] Paus. VI 24, 1-4.
[11] Paus. V 24, 10.
[12] Zitiert nach Decker 1995, 125.
[13] Decker 1995, 124-126; Wünsche - Knauß 2004, 251.
[14] So erwähnt Pausanias bei der Schilderung des Athleten Artemidoros aus Tralles die bei den Wettkämpfen in Smyrna vorhandene Altersstufe der ,Bartlosen', die es in Olympia nicht gab (Paus. VI 14, 3). Für die Nemeen vgl. Paus. VI 6, 3; Miller 2004, 14.
[15] Miller glaubt an eine Trennung bei einem Alter von 17 Jahren. Auch er betont aber, dass die Entscheidung in jedem Fall aufgrund der Physis des Athleten getroffen wurde, s. Miller 2004, 14; Weeber 2000, 127f.; Yalouris 2003, 127.
[16] Paus. VI 14, 1-2.
[17] Paus. VI 14, 1.
[18] Plut. Ages. 13; Xen. Hell. IV 1, 40; Weeber 2000, 128.
[19] Paus. VI 15, 8; Philostr. Gymn. 13.
[20] Philostr. Gymn. 25; Decker 1995, 122; Weeber 2000, 190-197; Yalouris 2003, 75-79. 114-116.
[21] Hdt. V 22; Thuk. II 99, 3; Decker 122f.; Weeber 2000, 192f.
[22] Paus VI 9, 6; Weeber 2000, 129.
[23] Hdt. VIII 59; Decker 1995, 123.
[24] z.B. Paus. VIII 40, 1-2; Philostr. Eik. II 6; Philostr. Gymn. 21: Bei diesem Vorfall wurde Arrhichion von Phigalia, ein Pankratiast und zweifacher Olympiasieger, von seinem Gegner die Luft abgeschnürt. Arrhichion konnte diesem mit letzter Kraft die Zehe brechen, weshalb sein Gegner aus Schmerzen aufgab. In diesem Moment verstarb der zweifache Olympionike, dem post mortem der Siegeskranz verliehen wurde. - Weitere Beispiele: Weeber 2000, 179-187.
[25] Miller 2004, 17 (dort Verweise auf Darstellungen); Weeber 2000, 124.
[26] Pind. O. III 21.
[27] Plut. Lykurg 20.
[28] Paus. V 21, 16f.
[29] Paus. VI 3, 7.
[30] Weeber 2000, 118.
[31] Hdt. II 160; Diod. I 95; Decker 1995, 121.
[32] Hdt. II 160, 4 (Übers. Josef Feix).
[33] Hdt. II 160, 4 (Übers. Josef Feix).
[34] Philostr. Gymn. 1-2. 45; Decker 1995, 152; Weeber 2000, 120f.
[35] Paus. VI 8, 1.
[36] z.B. Paus. VI 13, 10.
[37] Wünsche - Knauß 2004, 252.
[38] Paus. VI 23, 1; N.B. Crowther, The Olympic Training Period, Nikephoros 4, 1991, 161- 166; Decker 1995, 147; Weeber 2000, 126f.
[39] Philostr. Gymn. 54.
[40] Decker 1995, 122.
[41] Weeber 2000, 122-125.
[42] Decker 1995, 118. 123; Yalouris 2003, 116-119.
[43] Weeber 2000, 138-148; Yalouris 2003, 110f.
[44] Paus. VI 2, 2-3; Thuk. V 49; Xen. Hell. III 2, 21; Decker 1995, 116-118.
[45] Xen. Hell. III 2, 21-26; Thuk. V 49.
[46] Weeber 2000, 152.
[47] E. Meyer, Pausanias. Beschreibung Griechenlands, Bd. 2 (1954, 1967) 624.
[48] Decker 1995, 118; Weeber 2000, 125f. 149-154.
[49] Yalouris 2003, 145-149.
[50] z.B. Paus. VI 13, 2.
[51] Weeber 2000, 58.
[52] Weeber 2000, 27-32. 36-47. 57-63.
[53] Weeber 2000, 126.
[54] Paus. VI 13, 1; Decker 1995, 152.
[55] Paus. VI 19, 7.
[56] Paus. VI 6, 2; Decker 1995, 152.
[57] Paus. VI 4, 11; Pind. O. XII; Decker 1995, 152.
[58] Paus. VI 2, 2-3.

© Stefan Seitschek
e-mail: stefan_seitschek@yahoo.de

This article should be cited like this: S. Seitschek, Skandale - Betrügereien, Bestechungen und Fehlentscheidungen in der Antike, Forum Archaeologiae 42/III/2007 (http://farch.net).



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