Forum Archaeologiae - Zeitschrift für klassische Archäologie 42 / III / 2007

SIEGREICHE ATHLETEN IN DER ANTIKE

Einführende Bemerkungen

Der Bezeichnung ‚Athlet' liegt das griechische Wort áthlon zugrunde, das soviel wie ,(Kampf-)Preis, Belohnung' bedeutet - demnach trugen bereits die antiken Sportler die zweckgerichteten Absichten ihres Tuns für jeden ersichtlich im Namen. Allein aus etymologischer Sicht ist somit die von Jacob Burckhardt begründete und in späteren Zeiten von vielen Altertumswissenschaftlern, z.B. von Viktor Ehrenberg eifrig rezipierte These von dem ,agonalen Menschen' widerlegt [1]. Laut Burckhardt verfolge der Athlet vorrangig des 7. und 6.Jhs. v.Chr. in keiner Weise einen praktischen oder gewinnbringenden Nutzen, sondern sei nur an dem Wettbewerb an sich interessiert; er präsentiere sich mehr prozess-, weniger ergebnisorientiert [2]. Daraus resultierte die in der Forschung lang dominierende Annahme, dass sich die Geschichte des griechischen Sports in zwei deutlich voneinander geschiedene Phasen unterteilt: in die ,Heile Welt der Frühzeit' und in die ,Dekadenz der Spätzeit'. Dabei begegnen einem zu allen Zeiten maßloser Ehrgeiz, Gewinnsucht und Habgier. Schon Homer erwähnt im 23. Gesang seiner ‚Ilias' anlässlich der Beschreibung der Leichenspiele zu Ehren des Patroklos, dass Achilles die Sportler mit diversen Gaben zu motivieren pflegte: Aber Achilles hemmte das Volk, und hieß es im großem Kreise sich setzen; brachte darauf zu Preisen des Kampfs dreifüßige Kessel, Becken und Ross' und Mäuler und mächtige Stier' aus den Schiffen, schöngegürtete Weiber zugleich, und blinkendes Eisen. [3]
Der Ursprung sportlicher Aktivität ist mit großer Sicherheit in den alten Hochkulturen Mesopotamiens und vor allem Ägyptens begründet; beim Athletentum an sich jedoch handelt es sich um eine explizit griechische Institution. Die Anfänge sind in der minoischen Kultur zu suchen, die bereits in Form der sogenannten ,Stierspringer' speziell trainierte und gekleidete Sportler aufwies, die unter anderem auch das Boxen praktizierten [4]. Die eigentliche Entwicklung begann in geometrischer Zeit mit dem vermehrten Aufkommen der Poleis und vor allem unter dem Einfluss der eingewanderten Dorer, die einen sehr ausgeprägten Sinn für Wettkampf besaßen. Es entstanden zahlreiche lokale, informelle athletische Wettbewerbe, die zu unterschiedlichen Anlässen ausgerichtet wurden. Diese entwickelten sich mit der Zeit zu großen panhellenischen Agonen, die zahlreiche Sportler und Zuschauer aus aller Welt anzogen und den Siegern immer wertvollere Preise in Aussicht stellten [5].
philotimía und areté sind jene Stichworte, mit denen die Motivation der Athleten in der Antike, an derartigen Agonen teilzunehmen, erklärt wird: Die Befriedigung der eigenen Ruhmesbegierde, die Steigerung der eigenen Wirkung auf die Außenwelt, die Erfüllung des Geltungsbewusstseins und der Erwerb von gesellschaftlichem Ansehen und Anerkennung kennzeichnen die Antriebskraft eines Sportlers. Aus dem ausgeprägten Bedürfnis, sich in einem Wettbewerb mit anderen zu messen, resultierte laut Karl-Wilhelm Weeber in der Antike jener spezifisch aristokratische Geltungsdrang [...], der oft genug an Hybris grenzt [...]. Es ist, negativ ausgedrückt, eine fast krankhafte Sucht, sich zu profilieren [6].
Für die Griechen war der Wunsch, Sieger oder der Beste zu sein, sehr charakteristisch - das spiegeln zahlreiche Einzelnamen wider, die Elemente wie νικη, αριστον oder πρωτος enthalten. In der antiken Welt hatte nämlich, zumindest bei den äußerst prestigeträchtigen Kranzspielen in Olympia, Delphi, Nemea und Isthmia, der zweite oder dritte Platz keine Bedeutung; ausschließlich der Sieger wurde geehrt und in den offiziellen Listen vermerkt; über den Namen des Unterlegenen wusste man nur dann Näheres, wenn dieser ein berühmter Athlet war, ein zweiter Platz wurde - wenn überhaupt - nur im Privaten erwähnt und zelebriert. Bei den Wertagonen dagegen wurde auch ein schlechter Platzierter berücksichtigt. Eine Niederlage konnte den Sportlern in ihrer Heimatpolis Spott und Hohn einbringen, oftmals aber wurde sie angesichts der hohen Teilnehmerzahlen und geringen Erfolgsaussichten nicht als Schmach empfunden [7].
Der Ruhm, den die gesamte Welt im Falle eines Sieges den Athleten zollte, war schier unendlich, wie zahlreiche literarische Bemerkungen illustrieren. Pindar spricht folgende Worte in Olympia über den heiligen Hain: Nimmer verlöschenden Ruhm hat, wer deine herrliche Zier als Krone trägt. [8] Und Platon bemerkt, dass die Wächter in seinem utopischen Staat ein noch glückseligeres Leben führen als die Olympiasieger [9].

Ehrungen im Falle eines Sieges

Einen Sieg davonzutragen, war ein absolut erstrebenswertes Ziel im Leben eines antiken Sportlers, für dessen Verwirklichung zahlreiche Bemühungen unternommen wurden. Zu erwähnen sind von Seiten der Athleten selbst Spezialdiäten und eine besonders asketische Lebensweise, mit denen sie versuchten, den Körper auf die bevorstehenden Strapazen vorzubereiten, des Weiteren Befragungen von Orakeln, Ablegung von Gelöbnissen, Traumdeutung und das Vertrauen auf Zaubermittel; von Seiten der Polis hingegen kam es gelegentlich sogar zum ‚Kauf' eines Sieges von einem Sportler bei ausbleibendem Erfolg der eigenen Wettkämpfer [10].
Im Folgenden werden verschiedene im Idealfall zu erwartende Ehrungen aufgelistet, beschrieben und interpretiert. Dadurch wird anschaulich gemacht, wie gravierend sich das Leben eines Athleten im Falle eines Sieges bei einem prestigeträchtigen Agon verändern konnte.
Am Festspielort selbst erhielten die Sportler nur einen relativ geringen Teil an Ehrungen, Auszeichnungen und Erkenntlichkeiten. Als Höhepunkt des letzten Wettkampftages oder auch unmittelbar nach dem jeweiligen Wettstreit erfolgte die feierliche öffentliche Verkündigung des Sieges (anakeryxis) mit anschließender Bekränzung (stépsis oder tainíosis). Vor der gesamten Prominenz aus Politik und Geistesleben rief ein Herold Namen, Vatersnamen und Herkunft der Sieger aus, was sowohl für die Wettkämpfer selbst als auch für deren Heimatstädte ein sehr erhebender Moment gewesen sein muss; anschließend verlieh der Wettkampfrichter (hellanodíke) dem siegreichen Athleten einen Kranz. Auf einer Kylix aus der Sammlung Fondation Thétis, die um 490/480 v.Chr. datiert wird, ist dieser Vorgang dargestellt (Abb. 1).
Seit dem späteren 5.Jh. v.Chr. gehörte als weiterer offizieller Siegespreis ein Palmenzweig dazu, der schon bald als Inbegriff des Siegespreises wahrgenommen und von den Römern übernommen wurde [11]. Auf die Siegerehrung folgte eine feierliche Prozession der Sieger und Gesandten einzelner Staaten; in Olympia stimmte man zu diesem Anlass ein dem Archilochos zugeschriebenes Siegeslied auf Herakles und seinen Gefährten Iolaos an, um die Sieger zu ehren. Dieser Umzug führte an verschiedenen Altären vorbei, an denen man den Göttern Dankesopfer für den Erfolg darbrachte [12]. Eine attisch schwarzfigurige Halsamphora aus dem British Museum in London (GR 1856.12-26.220), die in den Zeitraum 500-480 v.Chr. datiert wird, zeigt einen solchen bekränzten Athleten, der gerade eine Libation an einem Altar vornimmt und die Flüssigkeit mit einer Phiale bzw. einer Oinochoe über diesen ausschüttet; ihm gegenüber steht der Gott Hermes in Form einer Herme. Dies ist nicht verwunderlich, da Hermes neben Herakles als Patron des Gymnasiums galt (Abb. 2).
Den offiziellen Abschluss bildete in Olympia ein festliches Mahl im Prytaneion, zu dem die Veranstalter einluden; mit Freunden ließ man diesen außergewöhnlichen Tag auf privaten Feiern außerhalb des Heiligtums ausklingen. Die Namen der Sieger wurden überdies in offiziellen Siegerlisten verewigt, womit ihnen ein bleibendes Andenken und unvergänglicher Ruhm garantiert war [13].
Ein siegreicher Athlet bekam zudem das aufgrund des erheblichen finanziellen Aufwandes oft nicht in Anspruch genommene Sonderrecht zugebilligt, eine Statue im Heiligtum als Dank an den sieggewährenden Gott aufstellen zu dürfen, unter der Voraussetzung, dass die Heiligtumsverwaltung die Gestaltung, das Aussehen und den genauen Aufstellungsort genehmigt hatte [14]. Dieses Recht wurde ausdrücklich als Kampfpreis verstanden. Auch Plinius der Ältere betont das Besondere und Außergewöhnliche an diesem Privileg: Bildnisse von Menschen pflegte man nur darzustellen, wenn sie sich aus einem herausragendem Grund einer dauernden Erinnerung verdient gemacht hatten; zuerst waren es die Sieger in den heiligen Wettkämpfen und vor allem in Olympia, wo die Sitte bestand, allen, die dort gesiegt hatten, Standbilder zu widmen, denen aber, die dort dreimal als Sieger hervorgegangen waren, porträtähnliche Bildwerke zu errichten. [15]
Diese Siegerstatuen kamen Ende des 7.Jhs. v.Chr. auf und wurden zunehmend zu aufwendigen Monumenten der persönlichen Repräsentation des Dargestellten - die Schöpfer dieser Bildwerke waren nicht selten die berühmtesten Künstler ihrer Zeit wie etwa Myron, Polyklet oder Lysipp [16]. Das Kennzeichnende einer solchen Arbeit war die angebrachte Weihinschrift: Sie besaß Wiedererkennungswert, nannte Namen, Herkunft, Kampfart und Zeitpunkt des Sieges und enthielt sehr oft interessante Details aus dem Leben des Athleten, die der Statue eine persönliche Note verliehen [17].
Ähnlich der heutigen Situation war ein Sieg bei einem bedeutsamen Agon auch für die Heimatstadt von großer Wichtigkeit [18]. Die gesamte Bevölkerung nahm daran regen Anteil; ihre Begeisterung und ihr Engagement für die Athleten zeigte sie mittels hoher ideeller und materieller Ehrungen, mit denen sie die Sieger bedachte und durch welche auch eine Art Dank für die glänzende Repräsentation der Polis zum Ausdruck gebracht werden sollte.
Die siegreichen Wettkämpfer empfing man mit einer offiziellen Delegation feierlich vor den Toren der Stadt und geleitete sie auf einem Prunkwagen in die Polis; auf dem Weg dorthin wurden sie von ihren Landsleuten gefeiert, bejubelt und ununterbrochen mit Blumen, Bändern, Granatäpfeln, Zweigen und Kränzen beworfen (phyllobolía) [19]. In der Stadt selbst hielt man ein großes Festmahl ab. Ein athenischer Olympionike bekam ab der Zeit Solons, d. h. ab dem frühen 6.Jh. v.Chr., eine Geldprämie von 500 Drachmen als Belohnung, ein erfolgreicher Sportler bei einem anderen panhellenischen Wettbewerb immerhin noch 100 Drachmen [20]. Zudem wurden die Athleten seit archaischer Zeit oft mit einem Standbild geehrt, das auf prominenten Plätzen oder in öffentlichen Gebäuden, Tempeln oder heiligen Bezirken aufgestellt sein konnte [21]. Diese Statuen glichen sicherlich denjenigen, die man am Wettkampfort selbst weihen durfte.
Durch weitere Maßnahmen und Ehrungen wurden die siegreichen Sportler auf dieselbe Stufe mit den höchsten Würdenträgern, verdientesten Bürgern und Wohltätern der Polis gestellt: Sie durften beispielsweise bis an ihr Lebensende auf Staatskosten im Prytaneion speisen (sítesis), eine der höchsten Auszeichnungen, die eine Polis zu vergeben hatte. Sie nahmen bei allen Staatsfestspielen in der Ehrenloge (prohedríe) Platz, genossen in manchen Städten sogar Steuerfreiheit (atelíe), was natürlich eine erhebliche finanzielle Erleichterung mit sich brachte, und wurden nicht selten Ehrenbürger oder Ehrenmitglieder im Rat. Damit nicht genug: Äußerst berühmte und beliebte Athleten erhielten zudem noch sogenannte ,isolympische' Ehrungen - das heißt, dass sie auch von anderen Poleis das Ehrenbürgerrecht und damit einen weiteren Sonderstatus verliehen bekamen [22].
Mit einem Sieg in einem sportlichen Wettstreit gingen offensichtlich ein kometenhafter sozialer Aufstieg und ein Wandel der Lebensweise einher - die Wahrnehmung durch die anderen Menschen, das Auftreten und Umfeld veränderten sich und schufen unbegrenzte Perspektiven und Möglichkeiten. Diese Aussichten machten den Status eines siegreichen Athleten so reizvoll und begehrenswert.
Ebenso waren aber auch spontane, emotionale Ehrenbekundungen möglich und üblich, und zwar sowohl durch das Publikum vor Ort als auch durch Freunde, Verwandte oder Mitbürger. In Sparta durfte beispielsweise ein erfolgreicher Athlet als besondere Ehre neben dem König in der Schlacht kämpfen [23].
Der Beifall, mit dem die Zuschauer die Athleten anfeuerten und der bei Bekanntgabe des Siegers sich häufig zu Jubelstürmen steigerte, ist nicht erst heute von großer Bedeutung und eine wichtige Motivationshilfe. Zu den privaten und persönlichen Ehrungen gehörte auch, dass den Wettkämpfern um Arme, Beine, Kopf und Körper lange Stoffbinden (diádema, stémma, stepháne, tainía) - auch als ‚Siegerbinden' bekannt - gebunden wurden. Die Bemalung einer um 480/470 v.Chr. angesetzten Amphora aus St. Petersburg (Nr. B5576) stellt einen siegreichen Athleten mit eben diesen Siegerbinden in sehr anschaulicher Weise dar (Abb. 3). Die Bedeutung dieser Binden war lange unklar, nun herrscht aber weitgehend Einigkeit darüber, dass "diese Binden Auszeichnungen darstellten, die die siegreichen Athleten bei ihrer Rückkehr in ihre Heimatstädte erhielten. [...] Die purpurfarbene Binde hingegen kann man vielleicht am besten als ein Symbol für das Prestige bezeichnen, das ein siegreicher Athlet nun in seiner Heimatstadt besaß" - sie war demnach ein weiteres Ehrenzeichen [24].
Um sein Andenken zu sichern, ließ man seinen Erfolg und Ruhm in Siegesliedern (Epinikien) festhalten, die entweder vom Athleten selbst oder von Verwandten bei renommierten Dichtern in Auftrag gegeben wurden und eine sehr kostspielige Angelegenheit waren. Die Chorgesänge, die man aus Zeitmangel erst in der Heimat vortrug, steuerten einiges zur Selbstverherrlichung des Siegers bei. Sie vereinigten in der Regel drei Grundelemente, nämlich Angaben zur Person (Name des Siegers/seines Vaters, Heimat, Fest, Disziplin, Altersklasse), eine mythische Anekdote und Gnomik [25]. Im Zeitraum zwischen 520 und 440 v.Chr. entstanden die berühmten Siegeslieder der Lyriker Simonides, Pindar und Bakchylides. Zwei Beispiele sollen derartige Preisgesänge auf Sieger vor Augen führen. Ein Epigramm des Simonides lautet etwa: Korkyra ist meine Heimat, Philon mein Name; des Glaukos Sohn bin ich und Sieger im Faustkampf an zwei Olympien. [26]
Während Simonides in diesem Epigramm einen bestimmten Sieger anspricht, huldigt Pindar im folgenden alle Olympioniken: Wer dort siegt, im Leben hat künftig er stets / süßester Heiterkeit Beglückung, weil / den Kampfpreis er errang. [27]
Darstellungen von Siegeszeremonien fanden einen großen Niederschlag in der Vasenmalerei. Zahlreiche Beispiele, vor allem in der attischen Produktion, zeigen uns folgende, äußerst beliebte athletische Motive: Die Ehrenrunde (periágermos), das Überschütten mit Blumen, Bändern und anderen Geschenken (phyllobolía), die Ausrufung des Namens der Sieger durch den Herold (anakeryxis), die Bekränzung (stépsis oder tainíosis) und die Vergabe des Preises (apódosis épathlon).
Am Übergang vom 5. zum 4.Jh. v.Chr. verschwand jedoch die phyllobolía aus dem Repertoire und an ihre Stelle tritt das Motiv des stephanoúmenos, des Bekränztwerdens [28]. Für eine Selbstbekränzung von agonalen Siegern fehlen literarische Belege.

Ansehen und Kult der Athleten

Das hochentwickelte Athletentum übte zunehmend Einfluss auf die Gesellschaft und deren Struktur aus. Mit der voranschreitenden Professionalisierung des Sportwesens stieg auch die Zahl der Agone und damit die Präsenz der Athleten in der Alltagswelt. Man schätzt, dass es in der römischen Epoche mehr als 300 solcher Wettbewerbe gab [29].
Das hohe Ansehen des Sports ganz allgemein und das der Sieger im Speziellen kommt vermutlich am eindrücklichsten in den offiziellen Siegerlisten zum Ausdruck, die seit dem 3.Jh. v.Chr. im wesentlichen die Grundlage der griechischen Chronologie bildeten - diese basierte nämlich hauptsächlich auf der Zählung der Olympischen Spiele ab 776 v.Chr. und auf der Nennung der Athleten, die im Stadionlauf gesiegt hatten. Erstmals fertigte der Sophist Hippias aus Elis um 400 v.Chr. ein solches Verzeichnis an; später war unter vielen anderen auch Aristoteles an der Erstellung derartiger Auflistungen beteiligt [30].
Aber auch in den literarischen Quellen fanden die Athleten ihren Niederschlag. Neben den bereits angesprochenen lyrischen Epinikien sind politische Reden und Gerichtsreden zu nennen, in denen Sportler erwähnt werden. Einen wichtigen Platz nehmen sie zudem bald in philosophischen Untersuchungen ein, wie zum Beispiel bei Platon [31].
Die gesellschaftlich bedeutsame Stellung der Sportler bedingte jedoch auch in nicht geringem Maße das Interesse vieler Künstler nach Abbildung der ideal geformten Athletenkörper. Dabei ist im Laufe der Zeit eine Tendenz nach realistischer und naturalistischer Darstellung der menschlichen Gestalt festzustellen. Die Schnelligkeit, Geschicklichkeit und Beweglichkeit der Athleten versuchte man künstlerisch umzusetzen: Viele der Siegerstatuen präsentierten die Wettkämpfer in Aktion, d. h. bei der Ausübung ihrer Disziplin, wie berühmte, zumeist nur in römischen Kopien erhaltene Werke zeigen (wie den Diskobol des Myron). Die Ponderation, die der Bildhauer Polyklet aus Argos perfektionieren sollte, wurde ein wichtiges Merkmal der griechischen Plastik [32].
Vorbilder und Patrone der Sportler waren Apollon und dann Herakles, der sich seit dem 6.Jh. v.Chr. zu Apollon gesellte und der für den Sport zuständige Heros bis in die Spätantike hinein blieb. Herakles wird durch einen Wesenszug charakterisiert, den man mit dem griechischen Wort philoponía umschreiben kann, nämlich die bedingungslose Bereitschaft um eines höheren Zieles willen alle körperlichen und seelischen Belastungen auf sich zu nehmen - das machte ihn zum Vorbild. Ab der Mitte des 1.Jhs. v.Chr. bildeten sich zunehmend überregionale athletische Interessensgemeinschaften, die oftmals den Namenszusatz ‚Gemeinschaft der Herakles-Verehrer' enthielten [33].
Bei manchem antiken Ausnahmetalent ging die Bewunderung so weit, dass er als Sieger mit einer mythischen Person - in der Regel wegen des agonistischen Sieges, manchmal aber auch wegen anderer gemeinsamer Eigenschaften - verglichen und so regelrecht heroisiert wurde; ihm wurde ein eigener Kult eingerichtet [34]. Erhalten sind nur sehr wenige authentische zeitgenössische Berichte über die kultische Verehrung von Athleten; es existieren vermehrt Erzählungen aus späterer Zeit.
Exempla solcher Athletenkulte stellen der des Euthymos aus Lokroi Epizephyrioi, des Theogenes aus Thasos, des Kleomedes aus Astypalaia, des Euthykles aus Lokroi Epizephyrioi, des Diognetos aus Kreta oder des Orsippos aus Megara dar. Diesen Erzählungen kann man Folgendes entnehmen [35]: Alle heroisierten Athleten waren extrem erfolgreiche, teilweise ungeschlagene und mehrfach siegreiche Sportler in gymnischen Disziplinen bei den Olympischen Spielen; allerdings erhielten sie nach dem Erfolg nicht die erhoffte Ehrenstellung. Als Folge des Streites zwischen Sieger und Gemeinschaft geschah ein kollektives Unglück (loimós), worauf - meist vom Delphischen Orakel - die Einrichtung eines Kultes für den missachteten Sportler gefordert wurde; die Kultgemeinschaft entsprach also der politischen Gemeinschaft [36].
Archäologisch fassbar sind teilweise heute noch diverse Siegerstatuen göttlich verehrter Athleten - Auskünfte über die Ausübung und Beschaffenheit des Kultes lassen sie aber natürlich nicht zu, genauso wenig wie die literarischen Aussagen. Interessant ist, dass laut Volksglauben von vielen dieser Statuen Heilkräfte ausgegangen sein sollen [37]. Solche Kulte wurden vornehmlich im 5.Jh. v.Chr. eingerichtet und waren nicht auf eine bestimmte Region der griechischen Welt beschränkt, sie waren eine panhellenische Erscheinung [38]. Ihre Funktion darf man wohl in der Stärkung des Zusammenhalts innerhalb der Bürgergemeinschaft suchen - solche heroisierten Athleten waren Bezugsfiguren für die gesamte Bürgerschaft.
Resümierend betrachtet war die Heroisierung von Olympioniken das Produkt einer Umbruchphase, in der die Rolle eines Athleten als Integrationsfigur für die gesamte Polis zwar schon angelegt war, jedoch die Eingliederung des herausragenden individuellen Erfolgs in die Gemeinschaft von Spannungen geprägt wurde [39].

Sportkritik

Athleten waren zu keiner Zeit unumstritten; und vor allem in der Literatur stößt man auf Kritik und negative Bewertungen der antiken Sportwelt. Die Liste der Kritiker ist lang und enthält u. a. Xenophanes, Euripides, Isokrates, Platon, Aristoteles, Xenophon und Philostrat. In den homerischen Dichtungen, aufgezeichnet im 8.Jh. v.Chr., wird als wichtigste Eigenschaft eines Menschen seine Leistungsfähigkeit als Krieger genannt. Das tritt im Streit zwischen Odysseus und Euryalos bei den Phäakenspielen offen zu Tage [40]. Sport war damals definitiv ein Privileg des Adels, und so gab es kaum kritische Äußerungen zu diesem Phänomen.
Der aufklärerische Intellektuelle Xenophanes von Kolophon (ca. 580-485 v.Chr.) griff im 6.Jh. v.Chr. die ungerechtfertigt hohen Belohnungen für Olympiasieger wie Prohedrie oder kostenlose Speisung im Prytaneion scharf an. Für ihn bestand das entscheidende Kriterium für den Wert einer Gruppe darin, der Polis von Nutzen zu sein. Das waren die Athleten seiner Meinung nach nicht. Es fehlte ihnen die Bereitschaft, ihre überlegenen Fähigkeiten zur Stärkung der Eunomia - wie er es tat - einzusetzen [41]. Man kann bei Xenophanes eindeutig Gesellschaftskritik heraushören. Auch sein Studienfreund Pythagoras (gestorben 497/96 v.Chr.) sah das Sportwesen als eine Provokation von Neid und Ehrgeiz an: Der bestimmende Charakterzug eines Athleten sei die Gier nach Macht und Ruhm.
Euripides (ca. 485-406 v.Chr.) attackierte die Wettkämpfer in der klassischen Epoche nicht weniger heftig und bösartig, indem er die Athleten als das größte Übel von Griechenland beschimpfte. Er veröffentlichte eine ausführliche Darstellung der Lebensweise und Psyche der Athleten, in der er von einer Zerstörung des natürlichen Gleichgewichtszustandes sprach und eine Ruhmes- bzw. Siegessucht bei jenen diagnostizierte [42].
Platon (428/27-349/48 v.Chr.) stellte in seiner ,Politeia' drei Anforderungen an den Sport: Sport solle Kraft und Schnelligkeit ausbilden, der Diätetik entsprechen mit dem Ziel einer Stabilisierung des Gesundheitszustandes und überdies ein Mittel zur Ausbildung des muthaften Seelenteils sein.
Auch in römischer Zeit verstummten die kritischen Stimmen nicht, wie Äußerungen von Seneca, Plinius oder Quintilian zeigen, aber eine wirklich ernsthafte Auseinandersetzung mit dem inzwischen sehr grausamen Sportwesen existierte nicht. Erst die Christen griffen den Sport wieder maßgeblich unter folgenden Aspekten an: Sport sei Bestandteil des heidnischen Götzendienstes, im allgemeinen sinnlos und äußerst brutal; hier offenbart sich die Leibfeindlichkeit des Christentums [43].
Aber nicht nur von Seiten der Intellektuellen hagelte es Kritik, auch aus medizinischer Sicht wurden Bedenken angemeldet: Die Athleten seien teilweise gewaltige Fleischkolosse, die in ihrem Beruf, dem Wettkampfsport, sicher Ausgezeichnetes zu leisten imstande waren, trotzdem aber sei diese Zwangsdiät ungesund, unnatürlich, ja gefährlich. Sokrates (um 470-399 v.Chr.) sah keine Ästhetik mehr in den einseitig ausgebildeten und trainierten Körperteilen, und Philostrat schreibt, dass die Athleten vollgepfropft wie libysche oder ägyptische Mehlsäcke herumsitzen, völlig verweichlicht und infolgedessen für den Kriegsdienst untauglich [44] sind.
Das große Problem des antiken Sports war seine Einbindung in das System der Polis: Jeder Bürger musste sich am Gemeinwohl effektiv beteiligen und das vor allem in Form der Absolvierung des Kriegsdienstes - durch die gesamte antike Geschichte zogen sich zahllose kriegerische Auseinandersetzungen und Zwistigkeiten, die die Existenz der einzelnen Stadtstaaten regelmäßig bedrohten. Deshalb legte man verständlicherweise verstärkt Wert auf die Verteidigungsfähigkeit bzw. auf die Wehrfähigkeit der eigenen Bevölkerung. Aus dieser Notwendigkeit heraus resultierte der in der Literatur am häufigsten erhobene Vorwurf gegen die Athleten, dass sie sich durch ihre egozentrische Lebensweise [sic., d.h. durch ihre regelmäßigen Trainingseinheiten und zahlreichen Auslandsaufenthalte und Reisen,] den Gemeinschaftsaufgaben entzögen; darüber hinaus seien die Verlockungen des Sieges - Reichtum, Einfluss und Ruhm - so groß, dass darüber alle ethischen Normen in Vergessenheit gerieten [45].
Die abschätzige Bewertung von Athleten wird auch in zahlreichen Epigrammen fassbar. Diese Kurzgedichte, ursprünglich Aufschriften an Weihgeschenken oder Grabmälern, entwickelten sich schließlich zu einer eigenständigen Kunstform. Das Spektrum, aus dem die Schriftsteller bei der Erstellung solcher Gedichte schöpfen konnten, war groß und umfasste Missgeschicke ebenso wie Erfolglosigkeit, ungewöhnliche Techniken oder auch die physische Konstitution der Athleten. Vor allem der römische Satiriker Lucillius benutzte diese Form in der Mitte des 1.Jhs. n.Chr. als geeigneten Rahmen, um Athleten und das gesamte Sportwesen bissig zu karikieren. Die beliebteste Zielscheibe seiner verbalen Attacken waren die Faustkämpfer, die durch ihre starken Verletzungen und körperlichen Entstellungen besonders Anlass zum Spott gaben, wie die drei folgenden Beispiele, die wohl mit ihrem Witz und ihrer Ironie ihre eigene Sprache sprechen und nicht kommentierbedürftig sind, abschließend vermitteln können [46]:

Sieh' dir Olympikos an, mein Kaiser! Einst hatte er alles,
Nase, Brauen, Kinn, Ohren und Lider wie wir.
Seit er sich aber als Boxer hat eintragen lassen, fehlt alles;
Selbst sein väterlich Gut ging ihm verloren dabei.
Denn es zeigte sein Bruder sein Bild dem Richter, und dieser,
der keine Ähnlichkeit fand, hat ihn als Fremden erklärt. [47]

Keiner der Ringer ist schneller als ich zur Erde gefallen,
keiner der Läufer ist so langsam gelaufen wie ich,
ganz bis zum Ziele auch bin ich nicht recht mit dem Diskos gekommen,
dafür bracht ich beim Sprung aber die Füße nicht hoch,
und mit dem Speere wirft besser ein krüppeliger Junge. So ward ich
Erster im Fünfkampf: ich bin fünfmal im Kampfe besiegt. [48]

Geh' mit solch einem Rüssel, Olympicos, niemals zu einem
Brunnen und schau' auch nie in einen spiegelnden Fluß.
Siehst du dein wirklich Gesicht wie Narkissos dereinsten im Wasser,
bist du dahin; du erschrickst, Freund, vor dir selber zu Tod. [49]


Wenngleich die Sportkritik in der gesamten Antike nicht verstummte, so blieb sie doch in ihrem Einfluss auf die breite Masse wirkungslos. Die Stadien waren zu jeder Zeit sehr gut gefüllt und die Zuschauer begeisterte Fans.

Die Auflösung der Kurzzitate entnehmen Sie bitte der Bibliographie.
[1] Weeber 2000, 94f.
[2] J. Burckhardt, Griechische Kulturgeschichte IV (1957) 90.
[3] Hom. Il. 23, 255-260, Übersetzung nach Weeber 2000, 96.
[4] Miller 2004, 21f.
[5] Miller 2004, 26f.
[6] Weeber 2000, 98f.
[7] Buhmann 1972, 6ff.
[8] Pind. O. VIII 11f.
[9] Plat. rep. V 465d.
[10] Buhmann 1972, 31ff. - s. dazu auch den Beitrag von S. Seitschek.
[11] R. Krumeich, Lohn der Mühen und Dank an die Götter: Wettkampfpreise, Ehrungen und Siegerstatuen, in: Sportschau 2004, 188f.
[12] Buhmann 1972, 55.
[13] Krumeich (Anm. 11) 188.
[14] D. Potsi - U. Sinn - M. Rodenkirchen, Auszeichnung der Sieger, in: Sinn 1996, 52.
[15] Plin. nat. XXXIV 16.
[16] Krumeich (Anm. 11) 192.
[17] Buhmann 1972, 66ff.
[18] s. Buhmann 1972, 50: "Die politische Bedeutung eines Staates soll sogar manchmal von der Zahl der Siege bei panhellenischen Festen abhängig gewesen sein, wie Fälle wie Sparta oder Kroton zeigen."
[19] Buhmann 1972, 104.
[20] Krumeich (Anm. 11) 191.
[21] Buhmann 1972, 107.
[22] Buhmann 1972, 111-114.
[23] Buhmann 1972, 119.
[24] D. Potsi - U. Sinn - M. Rodenkirchen, Auszeichnung der Sieger, in: Sinn 1996, 52.
[25] Buhmann 1972, 115ff.
[26] Paus. VI 9, 9.
[27] Pind. O. I 97ff.
[28] M. Blech, Studien zum Kranz bei den Griechen (1982) 126.
[29] Weeber 2000, 103.
[30] Krumeich (Anm. 11) 188f.
[31] Miller 2004, 232.
[32] Miller 2004, 228f.
[33] U. Sinn, Göttergleiche Verehrung, in: Sinn 1996, 84ff.
[34] Sinn a.O. 88.
[35] M. Bentz - Chr. Mann, Zur Heroisierung von Athleten, in: R. von den Hoff - S. Schmidt (Hrsg.), Konstruktion von Wirklichkeit: Bilder in Griechenland des 5. und 4. Jhs. v. Chr. (2001) 230-232.
[36] ebenda 232f.
[37] Das Faktum, dass bei der Statue des sog. ,Thermenboxers' die rechte Hand abgegriffen ist, könnte damit erklärt werden, dass es Glück und Gesundheit brachte, die Hände berühmter Faustkämpfer zu berühren, vgl. B. Rieger, Disziplinen in der griechischen Antike, in: Sportschau 2004, 13.
[38] Bentz (Anm. 35) 237.
[39] Bentz (Anm. 35) 240.
[40] Hom. Od. VIII 216-218.
[41] Buhmann 1972, 137.
[42] Buhmann 1972, 137.
[43] F. Knauß, Nicht nur für Ölzweig und Ehre, in: Wünsche - Knauß 2004, 302.
[44] nach Buhmann 1972, 37.
[45] U. Sinn, Öffentliche Kritik, in: Sinn 1996, 96.
[46] N. Valenzuela-Montenegro, Antike Spottgedichte, in: Sinn 1996, 102.
[47] Lucil., Anthologia Graeca 11,75.
[48] Lucil., Anthologia Graeca 11,84.
[49] Lucil., Anthologia Graeca 11,76.

© Marie Röder
e-mail: marie.roeder@gmx.de

This article should be cited like this: M. Röder, Siegreiche Athleten in der Antike, Forum Archaeologiae 42/III/2007 (http://farch.net).



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