Forum Archaeologiae - Zeitschrift für klassische Archäologie 38 / III / 2006

SIEDLUNGSARCHÄOLOGIE UND BERGBAUFORSCHUNG IM MONTAFON, VORARLBERG

Im Westen Österreichs widmet sich im Montafon ein interdisziplinäres Forschungsprojekt Fragen der ältesten Besiedlungsgeschichte einer Tallandschaft und der postulierten prähistorischen Nutzung der Kupfer- und Eisenerze in einer inneralpinen Siedlungskammer. Gegenstand der Forschungstätigkeiten sind die Anfänge und die Motivationen der Besiedlung einer Gebirgslandschaft, die Aufschlüsse über die soziokulturellen Verhältnisse und die Interaktionen zwischen Siedlungskammern liefern. Grundlagen für die neuen Forschungen bildeten zunächst mehrere Einzelfunde der Bronze- und Eisenzeit wie Beile und Lanzenspitzen, die eine Begehung und Nutzung dieser inneralpinen Talschaft und ihren Wege- und Passverbindungen anzeigen. Es geht um die Frage, inwieweit die Subsistenzwirtschaft - Weidenutzung, Sammelwirtschaft und Ackerbau, von Tätigkeiten im Bergbau ergänzt wurden. Mittlerweile ist durch archäologische Ausgrabungen, vegetationsgeschichtlichen Prospektionen und vegetationsgeschichtliche Untersuchungen eine Besiedlung der Tallandschaft seit etwa 3000 v.Chr. nachgewiesen (Pollenanalysen), wobei archäologisch gewonnene Siedlungsspuren bis jetzt in die jüngere Frühbronzezeit (ca. 18./17. Jh. v.Chr.) zurückreichen. Insbesondere die intensive bronzezeitliche Besiedlung wird im Rahmen einer Arbeitshypothese und allgemeiner Überlegungen auch im Vergleich mit anderen inneralpinen Siedlungskammern und Bergbaurevieren, mit den reichen Kupfererzvorkommen im Silbertal und am Bartholomäberg in Verbindung gebracht. Seit 2000 werden im Rahmen des interdisziplinären Forschungsprojekts im Montafon archäologische Ausgrabungen und Prospektionen, vegetationsgeschichtliche sowie archmäometallurgische Untersuchungen in Bartholomäberg und in Silbertal durch das Institut für Prähistorische Archäologie der Universitäten in Berlin (ab 2006 Universität Frankfurt), Innsbruck und Tübingen durchgeführt [1].


Eine bronzezeitliche Burg
Die archäologische Erforschung des Montafons begann im Jahre 2000 mit ersten Ausgrabungen im Friaga Wald in Bartholomäberg (Abb. 1), die einer Höhensiedlung in Spornlage mit Besiedlungsphasen der jüngeren Frühbronzezeit, der Mittelbronzezeit und der älteren Eisenzeit galten. Eine erste Besiedlung erfolgte im 18./17. Jahrhundert v.Chr. am Ende der frühen Bronzezeit. Zwischen den zerklüfteten Felsen wurden bis zu 0,4 Meter mächtige Planierschichten aus rötlich-braunem Lehm aufgebracht, um ebene Flächen (Podien) für die Häuser zu schaffen. Für die Errichtung von Holzbauten wurde teilweise der Fels abgearbeitet und Steinreihen gelegt, die als Fundamente dienten. Über die Größe und Bauweise der Häuser können kaum Angaben gemacht werden. In den Planierschichten fanden sich Keramik der Frühbronzezeit, wobei es sich nur um Wandscherben handelte, die nicht näher eingeordnet werden können.

Am Beginn der mittleren Bronzezeit wurde der Platz im 16. Jahrhundert v.Chr. stark ausgebaut, künstliche Terrassierungen geschaffen und eine Befestigungsmauer errichtet. Das mittlere Plateau besitzt eine im Gelände eine deutlich erkennbare Terrassierungsmauer, die eine bis zu 30 Meter breit und 12-13 Meter tiefe Fläche schuf. In der 0,3 Meter mächtigen, dunkel- bis schwarzbraune Kulturschicht lagen viele Funde. Wichtig sind zwei Feuerstellen und eine 5 Meter lange Fundamentvorlage aus Steinplatten einer Hauswand. Die Rückwand der Blockbauten bildete die Terrassierungsmauer. Diese Art von Fundament ist typisch für die Blockbauten im alpinen Raum. Die künstlich befestigte Terrasse bot etwa sechs bis acht Häusern (Größe etwa 5 x 4 Meter) Platz, die entlang der Terrassenmauer errichtet wurden (Abb. 5).

Die Nordflanke des Hügels wurde gegen die Bergseite von einer etwa 80 Meter langen Steinmauer geschützt (Abb. 2-3), deren Versturz heute noch als flacher Wall zu erkennen ist. Die Mauer wurde in Zweischalentechnik trocken gemauert und besitzt auf der Kuppe eine Breite von 3,0 Meter, an der Flanke 2,0 Meter. Die Anbindung der Kulturschichten zeigt, dass sie nach der ersten frühbronzezeitlichen Besiedlungsphase (Abb. 4) am Beginn der mittleren Bronzezeit im 16. Jahrhundert v.Chr. errichtet wurde. Diese massive Befestigungs- oder Burgmauer, die die Siedlung gegen die Bergseite schützte, charakterisiert die Anlage als befestigte, bronzezeitliche Burgsiedlung, die eine der ältesten bronzezeitlichen Burgen in den Alpen darstellt (Abb. 5).


Eine zweite bronzezeitliche Siedlung am Boda Weg
Im Zentrum der großen Bergterrasse der Platta befinden sich im Bereich des Bodawegs mehrere Terrassen, die im Sommer 2003 durch Studenten im Zuge der Geländeprospektion mit einem Bohrstock abgebohrt wurden. Dabei wurden auf einer Distanz von 20 - 40 Metern an verschiedenen Stellen schwarze Kulturschichtreste mit Holzkohlen gefunden. An zwei Holzkohleproben konnten Radiokarbondatierungen durchgeführt und absolute Kalenderdaten anhand der dendrochronologischen Jahrringkurve ermittelt werden. Sie datieren in das 14./13. Jahrhundert v.Chr., in die mittlere oder späte Bronzezeit. Im Sommer 2005 wurde damit begonnen, die Siedlung möglichst großflächig auszugraben, um Einblicke in die Siedlungsstrukturen zu erhalten. Typische Keramikfunde zeigen, dass der Platz in der mittleren bzw. späten mittleren Bronzezeit besiedelt war.
Die Topographie dieses zweiten Platzes zeigt, dass es sich um einen Siedlungsnachweis einer offenen, wahrscheinlich nicht befestigten Siedlung handelt. Spannend ist im Hinblick auf die Frage der Entwicklung der bronzezeitlichen Besiedlung dieser Befund deshalb, weil in Sichtweite der befestigten Siedlung im Friaga Wald nach der Aufgabe der mittelbronzezeitlichen Siedlungsphase offenbar eine neue Siedlung an einem anderen Platz gegründet wurde. Hier könnte eine kleinräumige Siedlungsverlagerung im Zuge der bronzezeitlichen Besiedlung der Platta vorliegen.


Montanarchäologie - Ältester Bergbau im Montafon
Im Rahmen des interdisziplinären Forschungsprojekt [2] werden neben vegetationsgeschichtlichen Untersuchungen an Mooren auch montanarchäologische Untersuchungen mit dem Ziel durchgeführt, bronzezeitlichen Bergbau ausfindig zu machen. Im Rahmen des Forschungsprojekts werden umfangreiche Prospektionen und Begehungen nicht nur zur Sondierung von Mooren durchgeführt, sondern auch alle bekannten Bergbauspuren begangen, um Spuren, Hinweise und Anhaltspunkte für "alte" Bergbauspuren zu erhalten, die älter als die meist gut erhaltenen und gut erkennbaren hoch- und spätmittelalterlichen Bergbaue sein könnten. Erste montanarchäologische Ausgrabungen wurden im Jahre 2003 im hinteren Silbertal im Gafluna Tal in einem kleinen Untertagebau mit Feuersetzspuren durchgeführt.
Im Sommer 2005 erfolgte eine weitere montanarchäologische Untersuchung auf dem Kristberg im Silbertal in einem Pingenfeld (Erz-Abbaugruben) (Abb. 6), die Aufschlüsse zum Alter dieser Bergbauspuren ergeben sollen. Dabei wurde durch zwei Pingen ein langer Profilgraben gezogen, um Form und Tiefe dieser kleinräumigen Abbautätigkeiten zu erschließen [3]. Bei den so genannten Pingen handelt es sich um oberflächennahen Tagebau, bei dem meist kurze Schächte in den Boden getrieben und der Aushub kreisförmig um den Schacht abgelagert wurde. Der Bergbau galt der Suche nach Eisenerz. Unter den Halden der Pingen wurden bei den Ausgrabungen auf der alten Oberfläche zahlreiche Holzkohlen gefunden, die jetzt datiert werden konnten. Zwei Radiocarbon-Datierungen (AMS C14-Datierungen in Wien) an Holzkohlen datieren diese Bergbauspuren in das 11./12. Jahrhundert n.Chr., also in das Hochmittelalter. Es handelt sich somit um die ältesten archäologisch belegten Bergbauspuren im Montafon und in Vorarlberg. Jedoch weist die Nennung von acht Eisenschmelzöfen im churrätischen Reichsurbar aus dem Jahre 842 auf eine ältere Vergangenheit des Bergbaus im Raum Bludenz - Klostertal und Montafon hin. Es ist das Ziel der weiteren montanarchäologischen Untersuchungen, ältere Bergbauspuren etwa aus der Bronzezeit zu finden. Die Ausgrabungen werden daher im Sommer 2006 im Umfeld der umfangreichen mittelalterlichen Bergbauspuren am Bartholomäberg und auf dem Kristberg fortgesetzt.
Im Zusammenhang mit Prospektionen und montanarchäologischen Ausgrabungen werden auch Schlacken, Schlackenhalden oder Verhüttungsplätze gesucht. Dabei ist der Blick nicht nur auf das Kupfererz und auf die Bronzezeit gerichtet, sondern ebenso auf die Frage der Nutzung der Eisenerze in keltischer Zeit, aus der immerhin auch einige Einzelfunde (zwei Lanzenspitzen, eine Fibel) und intensive Siedlungsniederschläge in den Moorprofilen und auf dem Siedlungshügel im Friaga Wald in Bartholomäberg vorliegen. Nicht zuletzt hat auch Elmar Vonbank vor dem Hintergrund der umfangreichen keltischen Eisenartefakte von Bludenz-Unterstein bereits 1966 den Verdacht geäußert, dass die Eisenerze des Davenna-Stocks (also Klostertal, Silbertal und Bartholomäberg) bereits in keltischer Zeit abgebaut und genutzt worden sein könnten.

Die Fortsetzung der vegetationsgeschichtlichen und archäometallurgischen Untersuchungen sowie der archäologischen Ausgrabungen im Umfeld der bronze- und eisenzeitlichen Siedlungskammer am Bartholomäberg werden eine Rekonstruktion der Siedlungsvorgänge und der soziokulturellen Verhältnisse in dieser inneralpinen Mikro-Siedlungskammer ermöglichen. Darüber hinaus gilt es die Motive der prähistorischen Besiedlung zu erkunden, die zum einen sicherlich in der Nutzung der Weiden und Hochweiden gelegen hat, zum anderen kann von der Gewinnung von Erzen seit der frühen oder mittleren Bronzezeit, also seit der ersten Hälfte des 2. Jahrtausends, ausgegangen werden. Deshalb werden die montanarchäologischen Untersuchungen fortgeführt, um zusammen mit naturwissenschaftlichen Datierungen sowie archäometallurgischen Untersuchungen die Grundlagen für weitergehende Überlegungen zu verbessern.


Bibliographie
R. Krause, Siedlungsarchäologie und Bergbauforschung: Ein interdisziplinäres Projekt zur Erforschung der inneralpinen Tallandschaft im Montafon/Vorarlberg (Österreich). In: Jahrbuch Vorarlberger Landesmuseumsverein 2001 (Bregenz 2001) 43-61.
R. Krause, Bronzezeitliche Burgen in den Alpen. Befestigte Siedlungen der frühen bis mittleren Bronzezeit. In: B. Horejs u.a. (Hrsg.), Interpretationsraum Bronzezeit. Festschr. B. Hänsel. UPA 121 (Bonn 2005) 389-413.
R. Krause, Zur bronzezeitlichen Siedlungskammer im Montafon. Neue Ausgrabungen in Bartholomäberg, Bez. Bludenz. Jahrb. Vorarlberger Landesmuseum (in Druck 2006).
R. Krause, K. Oeggl, E. Pernicka, Eine befestigte Burgsiedlung der Bronzezeit im Montafon, Vorarlberg. Interdisziplinäre Siedlungsforschungen und Montanarchäologie in Bartholomäberg und in Silbertal. In: Archäologie Österreichs 15/1, 2004, 4-21.
K. Oeggl, Vegetations- und Siedlungsgeschichte im Montafon. Rheticus 3, 2003, 49-59.
K. Oeggl, W. Kofler, N. Wahlmüller, Pollenanalytische Untersuchungen zur Vegetations- und Siedlungsgeschichte im Montafon. In: J. Rollinger und R. Rollinger (Hrsg.), Montafon 1: Mensch - Geschichte - Naturraum. Die lebensweltlichen Grundlagen. Schruns 2005 (= Band 1 der Reihe "Das Montafon in Geschichte und Gegenwart", hrsg. von A. Rudigier) 183-207.
A. Schmidl, W. Kofler, N. Oeggl-Wahlmüller, K. Oeggl, Land use in the Eastern Alps during the Bronze Age - An archaeobotanical case study of a hilltop settlement in the Montafon (Western Austria). In: Archaeometry 47,2 (2005) 455-470.

[1] Für die Finanzierung und Unterstützung des Forschungsprojekts zur frühen Besiedlungsgeschichte des Montafons danken wir der Vorarlberger Landesregierung, den Abteilungen für Wirtschaft, Wissenschaft und Kultur, die das Forschungsprojekt in 2005 und 2006 durch das Programm EFRE der Europäischen Union zur Hälfte finanziert haben. Weitere großzügige Unterstützungen erhalten wir von Herrn Prof. Dr. h.c. Reinhold Würth, Firma Adolf Würth GmbH & Co.Kg, Künzelsau, dem Stand Montafon, dem Vorarlberger Landesmuseumsverein sowie der Vorarlberger Volksbank. Herrn Dr. Andreas Rudigier, Leiter der Montafoner Museen beim Stand Montafon, danken wir sehr herzlich für die organisatorische Betreuung unserer Arbeiten und für viele Hilfestellungen. Ebenso möchten wir die Bürgermeister von Bartholomäberg und von Silbertal, die Herren Martin Vallaster und Willi Säly, in diesen Dank einschließen. Ohne ihr Engagement und ihre Unterstützung zusammen mit den örtlichen Bauhöfen wären die Ausgrabungen in dieser Form nicht möglich gewesen
[2] Projektpartner:
Priv.-Doz. Dr. Rüdiger Krause, Institut für Prähistorische Archäologie der Freien Universität Berlin (ab 2006 Institut für Archäologische Wissenschaften der Universität Frankfurt)
Univ.-Prof. Dr. Klaus Oeggl, Institut für Botanik der Universität Innsbruck
Univ.-Prof. Dr. Ernst Pernicka, Institut für Vor- und Frühgeschichte der Universität Tübingen
Mag. Johannes Pöll, Abteilung Bodendenkmalpflege des Bundesdenkmalamtes in Tirol in Innsbruck
Martin Schaich M.A., Firma ArcTron, Ingenieurbüro für 3D-Vermessung und Archäologie, Altenthann
Dr. Andreas Rudigier, Stand Montafon
Bürgermeister Martin Vallaster, Gemeinde Bartholomäberg
Bürgermeister Willi Säly, Gemeinde Silbertal
[3] Wir danken dem Forstfond vom Stand Montafon mit Herrn Forstingenieur Bernhard Maier sowie Herrn Bürgermeister Williy Säly, Gemeinde Silbertal, für Ihre freundliche Unterstützung und wichtigen Hilfestellungen! Ebenso danken wir Herrn Adolf Zudrell vom Höhengasthof Kristberg für freundliche Hilfestellungen und logistische Unterstützung.

© Rüdiger Krause
e-mail: SekreVFG@em.uni-frankfurt.de

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