Forum Archaeologiae - Zeitschrift für klassische Archäologie 30 / III / 2004

EINE KLIMAKATASTROPHE UM 200 N.CHR. UND IHRE ARCHÄOLOGISCHE NACHWEISBARKEIT

180 n.Chr. fand auf der unbewohnten Nordinsel von Neuseeland ein gewaltiger Vulkanausbruch statt, der zu den größten Eruptionen in historischer Zeit zählt. Der Vulkan Taupo hat rund 80-100km3 Aschen, Dämpfe und Gase bis in die Stratosphäre geschleudert und rund 20000km2 mit Aschen bedeckt. Heute zeugt ein rund 620km2 großer Calderensee von diesem paroxysmalen Ereignis.


Ein Ausbruch des Vulkans Tambora (Abb. 1) fand im Jahr 1815 statt. Umfang und chemische Zusammensetzung des Eruptionsmaterials sind vergleichbar. Aus den "Jahren ohne Sommer" - 1816 und 1817 - die liegt genug Datenmaterial vor, das beweist, dass erst nach etwa 30-40 Jahren die normalen Jahresdurchschnittstemperaturen wieder erreicht wurden und dass die alpinen Gletschervorstöße von 1850 ihre Ursachen fast 40 Jahre früher hatten (Abb. 2).
Da es aus der Römerzeit keine direkten Wetteraufzeichnungen gibt, müssen archäologische Befunde als indirekte Beweise für eine vergleichbare lang anhaltende Wetterverschlechterung dienen.
Im Barbaricum nördlich der Donau wird "nach den Markomannenkriegen (163-180 n.Chr.)" eine Siedlung zunächst durch einen Hochwasserdamm geschützt in der ersten Hälfte des 3.Jh.s aber ganz aufgegeben. Auch andere Siedlungen im freien Germanien werden auf höhere Positionen verlegt, sowohl in Niederösterreich als auch in der Nordslowakei (Adler, Pieta). Auch die Feddersen Wierde, eine Wurtensiedlung, deren Bestand durch stetiges Erhöhen des Niveaus gesichert werden musste, wird in der zweiten Hälfte des 2.Jh.s und dem beginnenden 3.Jh. stärker erhöht als vorher und nachher. Innerhalb des Imperium Romanum wird das im Bau befindliche Legionslager bei Albing nach einer Abkommandierung der legio II Italica (freundl. Hinweis H. Ubl) nicht fertig gestellt, sondern an einer höher gelegenen Stelle in Lorch/Lauriacum neu errichtet. Ein ähnlicher Fall könnte bei dem nicht bezogenen Lager der legio III Italica in Abusina/Eining (Bayern) vorliegen, das dann in Regensburg erbaut.
Auch Baumaßnahmen, die auf eine schlechtere und kältere Witterung zurückzuführen sind, können nachgewiesen werden. So werden ab dieser Zeit auch die Wohnräume von Privathäusern beheizt, gelegentlich werden auch Heizanlagen nachträglich eingebaut. Sogar im klimatisch bevorzugten Mittelmeerraum werden Heizungen eingebaut, wie in Ephesos in einigen Räumen der Wohneinheit 6 des Hanghauses 2 (Abb. 3) [1].
In Ephesos wird auch die Prozessionsstraße von der Stadt zum entfernten Artemision mit einer Halle überdeckt, die vor einigen Jahren an mehreren Stellen angegraben worden ist. Hier kennen wir den Stifter einen reichen ephesischen Bürger und römischen Ritter T. Flavius Damianos. Aus seiner Biographie geht hervor, dass er diese Halle bauen ließ, damit nicht "der Göttin die Verehrer ausbleiben, wenn es regnet" [2].
Getreidespeicher hatten zunächst nur erhöhte Böden, wenn sie aus Holz errichtet waren. Ab Antoninisch-Severischer Zeit werden auch gemauerte neu gebaute horrea mit suspensurae versehen, gelegentlich werden die Böden nachträglich erhöht [3].
Eine durch vermehrte Niederschläge höhere Bodenfeuchtigkeit, könnte dieses Phänomen erklären. Ähnlich könnte die Bodenfeuchtigkeit mit ein Grund dafür gewesen sein, dass die Sperranlage des Obergermanisch-Raetischen Limes in dieser Zeit vom "Pfahl", einer Holzpfostenkonstruktion zu einer Steinmauer umgebaut wurde (freundlicher Hinweis von E. Künzl).
Auch in der literarisch überlieferten Geschichte können manche Hinweise gefunden werden. Zwar gehören die üblen Vorzeichen zur literarischen Gewohnheit, einen "schlechten Herrscher" wie Commodus (180-192) zu charakterisieren, der in den zeitgenössischen Darstellungen keine guten Ruf hat, doch sind "caligo" (Nebel, Lufttrübung) und dadurch verursachte "Haarsterne", die unscharf oder zitternd am Nachthimmel standen, wohl nicht zufällig unter diesen "portenta". Dass derselbe Kaiser auch zusätzlich zur ägyptischen eine afrikanische Getreideflotte organisiert, wird zwar nur im Zusammenhang mit seiner Eitelkeit berichtet, ist aber doch eher ein Zeichen von Vorsorge für die Hauptstadt Rom. Auch noch unter Septimius Severus (193-211), der als Politiker, Feldherr und Organisator stets anerkannt wurde, gibt es eine seltsame Uneinheitlichkeit in der Grenzpolitik des Imperiums. In den Wüstengebieten des Ostens wird die Provinz Mesopotamia neu eingerichtet und andere Provinzen werden reorganisiert. Ebenso wird in Africa die Grenze weiter in die Wüste hinausgeschoben und die "limitanei" in befestigten Gehöften angesiedelt.

Limitanei-Gehöft, Libyen (Abb. 4)

Dort sind die Bodenqualitäten durchaus für die Landwirtschaft geeignet, wenn nur genug Wasser zur Verfügung steht. Im Gegensatz dazu wird in Britannien zwar eine Expedition rund um die Insel durchgeführt, aber letztlich die Grenze am Hadrianswall eingerichtet, der schon 80 Jahre früher erreicht worden war. Der nördlicher gelegne Antoninenwall wird aufgegeben. Unter dem Nachfolger Caracalla (211-217) werden am Obergermanisch-Raetischen Limes die Alemannen zurückgeschlagen und bestraft, aber kein Versuch wird unternommen, eine neue Provinz zu erobern. All das wirkt weniger widersprüchlich, wenn man für diese Jahrzehnte eine fühlbare Verschlechterung des Wetters mit mehr Niederschlag und tieferen Temperaturen annimmt. Das erklärt den Vorstoß in Wüstengebiete, die unter diesen Bedingungen fruchtbar werden können, es erklärt die Unruhe der Völker außerhalb des Imperiums, deren Stammeswirtschaften durch eine oder zwei Missernten zusammenbrechen konnten, da der Ausgleich des riesigen Wirtschaftsraumes des Imperium Romanum fehlte. Es erklärt auch, dass das Imperium diese hungernden Länder nicht eroberte, die noch versorgt hätten werden müssen.

Gewiss soll nicht die "Wandlung der römischen Welt" oder die "Reichskrise des 3. Jh.s" ausschließlich mit der hier behandelten Klimadelle erklärt werde. Aber als eine von vielen Ursachen kann sie doch verstanden werden.

Bibliographie:
W. Vetters, Der Taupo und das Klima in Europa um 200 A.D., in: H. Friesinger - J.Tejral - A. Stuppner (Hrsg.), Markomannenkriege - Ursachen und Wirkungen. VI. Internat. Symposium "Grundprobleme der frühgeschichtlichen Entwicklung im nördlichen Mitteldonaugebiet", Wien 23. - 26. November 1993, Spisy Archeologického Ústavu AV CR Brno (1994) 457-461.
H. Zabehlicky, Kriegs- oder Klimafolgen in archäologischen Befunden?, in: H. Friesinger - J. Tejral - A. Stuppner (Hrsg.), Markomannenkriege - Ursachen und Wirkungen. VI. Internat. Symposium "Grundprobleme der frühgeschichtlichen Entwicklung im nördlichen Mitteldonaugebiet", Wien 23. - 26. November 1993, Spisy Archeologického Ústavu AV CR Brno (1994) 452-469.
M. Kandler - W. Vetters - H. Zabehlicky, Fragile towns in the north of the ancient Roman empire. A Geo-ecological impact for the last quarter of the 2nd cty A.D. and earthquakes, in: La città fragile in Italia. Atti Primo convegno del gruppo nazionale di Geologia applicata con la partecipazione dell'International Association engeneering Geology (I.A.E.G.) Sezione Italiana Giardini Naxos (ME) 11-15 Giugno 1995, Preprint (Geologia applicata e Idrogeologia XXX, 1995) 561-568.
W. Vetters - H. Zabehlicky, Eine Klimakatastrophe um 200 n.Chr. und ihre archäologische Nachweisbarkeit, in: Archäologie - Naturwissenschaften - Umwelt. Beiträge der AG "Römische Archäologie" auf dem 3. Deutschen Archäologenkongreß in Heidelberg, BAR Int. Ser. 929 (2001) 9-12.
W. Vetters - H. Zabehlicky, The northern, southern and eastern frontiers and the climate c. AD 200, in: P. Freeman - J. Bennett - B. Hoffmann (Hrsg.), Limes XVIII. Proceedings of the XVIIIth International Congress of Roman Frontier Studies held in Amman, Jordan (September 2000), BAR Int. Series 1084(I) (2002) 67-70.
W. Vetters - H. Zabehlicky, Der lange Winter der Römer, in: 6. Deutsche Klimatagung. Klimavariabilität, Potsdam, September 2003, Schriften der Alfred-Wegener-Stiftung 2003/6 (2003) 453-455.

[1] H. Thür, Die Bauphasen der WE 4 (und 6), in: F. Krinzinger (Hrsg.), Das Hanghaus 2 in Ephesos. Studien zur Baugeschichte und Chronologie, Archäologische Forschungen 7 = Denkschriften der ÖAW 302 (2002) 41-66, bes. 62 Anm. 167.
[2] D. Knibbe, Topographica Ephesiaca. Damianosstoa, Androklosgrab - Olympieion und Korressos. 1. Philostrat und die Überdachung des außerstädtischen Verlaufes der Via Sacra Ephesiaca durch T. Flavius Damianus, ÖJh 71, 2002, 207-219.
[3] G. Rickman, Roman granaries and store buildings (1971) 293f.

© Wolfgang Vetters, Heinrich Zabehlicky
e-mail: wolfgang.vetters@sbg.ac.at
heinrich.zabehlicky@oeai.at

This article should be cited like this: W. Vetters - H. Zabehlicky, Eine Klimakatastrophe um 200 n.Chr. und ihre archäologische Nachweisbarkeit, Forum Archaeologiae 30/III/2004 (http://farch.net).



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