Forum Archaeologiae - Zeitschrift für klassische Archäologie 22 / III / 2002

ZUR VEXILLUMTRÄGERIN AUF DEM SOG. PARTHERDENKMAL VON EPHESOS [1]

Unter allen Personifikationen der Reliefs des sog. Partherdenkmals sticht die Vexillumträgerin heraus (Abb. 1). Die Figur trägt lange anliegende Hosen, einen Chiton und einen Mantel [2]. In ihrer rechten Hand hielt sie ursprünglich das namensgebende Vexillum, das mit Mondsichel und Stern verziert ist (Abb. 2).


Die zweite Figur dieser Platte ist gleichfalls in einer solchen Hosentracht gezeigt (Abb. 1). Die anliegende Hose steckt in geschnürten Schuhen (Abb. 3). Der Flußgott zu ihren Füßen ist stark zerstört, deutlich zu erkennen ist jedoch noch der Delphin in seiner rechten Hand. Unter dem Flußgott weisen Reliefreste auf ein Seetier. Delphin und Seetier symbolisieren ein Meeresgewässer.
Die Vexillaria ist bislang verschiedentlich interpretiert worden. F. Eichler und W. Oberleitner deuteten die Figur aufgrund des Vexillums mit Mondsichel und Stern als Personifikation der Stadt Carrhae [3]. P. Liverani sah in der Figurengruppe Carrhae und Edessa mit dem Fluß Euphrat dargestellt [4].
C.C. Vermeule vermutete in der Figur vage die Stadt Ephesos selbst [5]. E. Diez nahm diese Interpretation auf und erkannte in der amazonenähnlichen Tracht der Figur einen Bezug zu den mythischen Städtegründerinnen [6].
Anders als auf der immer wieder als Vergleich herangezogenen Basis von Pozzuoli, auf der die inschriftlich benannte Personifikation von Ephesos in der Amazonentracht, im Kleid der Artemis als Jägerin, mit kurzem Chiton, Stiefeln und zusätzlich einer Mauerkrone zu sehen ist [7], zeigt sich die Figur des Partherdenkmals in orientalischer Hosentracht. Amazonen werden als Gegnerinnen der Griechen häufiger in kurzem Chiton und Stiefeln als in Hosentracht dargestellt [8].
Unter Berücksichtigung der zweiten Figur, die auch in Hosentracht gezeigt ist und bei der auch zusätzlich die geschnürten Schuhe erhalten sind, wird ein ethnischer Charakter der beiden Figuren deutlich.
Die Handelsstadt Ephesos war nach Westen orientiert und es ist kaum vorstellbar, daß sie sich in der Tracht orientalischer Ethnien, wie etwa Parther, Armenier oder auch Daker präsentiert. Es drängt sich selbstverständlich die Frage auf, warum Amazonen als mythische Städtegründerinnen von Ephesos und mit starkem Bezug zu Artemis nicht auch das "mythische" Gewand der Gottheit als Jägerin, den kurzen Chiton, Stiefel und vielleicht auch eine Mauerkrone tragen.
Im weiteren kann man eine deutliche Differenzierung aller Personifikationen des sog. Partherdenkmals durch ihre Kleidung erkennen [9]. Außerdem zeigen sie idealisierte physiognomische Züge, die auch an vielen anderen Figuren der Mitte des 2.Jhs. n.Chr. zu beobachten sind [10].
Die Stadt Carrhae erhielt unter Marc Aurel das Münzrecht, eine Deutung der Figur als ebensolche Stadtpersonifikation kann also nur unter Voraussetzung der Datierung des Monumentes nach 166 n.Chr. erfolgen [11]. Mondsichel und Stern begegnen auch oft auf Münzbildern arsakidischer Könige [12]. Außerdem ist das kosmische Symbol traditionellerweise mit dem Königtum Pontus verwachsen. Zahlreiche Prägungen pontischer Könige, beispielsweise des Mithradates Eupator (Abb. 4), tragen dieses Emblem. Zudem findet man auf dem bekannten Figurengefäß aus Amisos am Schwarzen Meer Mondsichel und Sterne, die eine kosmische Gottheit bezeichnen [13].
Betrachtet man das Reliefprogramm losgelöst von den Partherkriegen des Lucius Verus, so relativieren sich auch die bisherigen Deutungen der Personifikationen.
Generell läßt sich feststellen, daß die Ikonographie der Personifikationen des Partherdenkmals mehr an die von Provinzen oder Ethnien als an die von Städten erinnert. Dies zum einen wegen des Fehlens einer Mauerkrone, zum anderen wegen der unterschiedlichen Trachten. Ein Vergleich mit den sog. Hadrianeumsprovinzen verdeutlicht dies. Bewußt sind die weiblichen Figuren am Hadrianeum durch ihre verschiedene Tracht kenntlich gemacht. Vertreterinnen östlicher Gebiete sind in Hosentracht dargestellt [14]. Die Münzserien der Kaiser Hadrian und Antoninus Pius zeigen die Provinzfiguren ebenso in ihren Trachten differenziert [15].

Die ephesische Vexillaria personifiziert vermutlich das pontische Gebiet, die zweite Figur vielleicht Armenien. Ob die den beiden weiblichen Figuren zugeordnete Flußpersonfikation den Halys, einen anderen Fluß oder vielleicht sogar ein Meeresgewässer symbolisiert, vermag ich nach meinem derzeitigen Forschungsstand noch nicht zu klären [16].

[1] Dieser Beitrag ist während meiner Tätigkeit im Rahmen des Hertha Firnberg - Programmes des Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung in Wien im Auftrag des Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft und Kultur (T86 - AWI) entstanden und stellt einen Aspekt des am 9. Österreichischen Archäologentag in Salzburg (6.-8.12.2001) gehaltenen Referates über "Ethnische Personifikationen in der Bildpropaganda der Kaiserzeit" dar. Mein herzlicher Dank gilt M. Aurenhammer für die Durchsicht des Manuskripts und K. Gschwantler für die Publikationserlaubnis der Abb. 1-3.
[2] Die Figurengruppe befindet sich im Ephesosmuseum in Wien, Inv. AS I 1665 und AS I 1662. Von den Armen der Vexillaria ist beidseitig nur ein Teil des Oberarmes erhalten, das rechte Bein ist unterhalb des Knies weggebrochen, vom linken Bein fehlt ein Stück des Unterschenkels mit dem Fuß. Die Figur trug aufgrund der Hosentracht ursprünglich Schuhe.
[3] F. Eichler, Das sogenannte Partherdenkmal von Ephesos, Bericht über den VI. Internationalen Kongreß für Archäologie, Berlin 1939 (1940) 493: Carrhae unter Vorbehalt, da Mondsichel und Stern auch Münzzeichen anderer Städte sind. W. Oberleitner u.a., Funde aus Ephesos und Samothrake. Katalog der Antikensammlung II (1978) 84f. Nr. 70 Abb. 64.
[4] P. Liverani, `Nationes´ e `civitates´ nella propaganda imperiale, RM 102, 1995, 237f. 240; ders., Il monumento Antonino di Efeso, RIA 19-20, 1996-97, 169ff.
[5] C.C. Vermeule, Roman Imperial Art in Greece and Asia Minor (1968) 107 Abb. 39.
[6] E. Diez, Die Repräsentantinnen der Stadt Ephesos, in: Lebendige Altertumswissenschaft, Festschrift für H. Vetters (1985) 217f. betont den starken Bezug der Amazonen zu Artemis.
[7] Le collezioni del Museo Nazionale di Napoli (1989) 116f. Nr. 101b mit Abb.
[8] LIMC I 1 (1981) 586ff. s.v. Amazonen (Devambez [+] - Kauffmann-Samaras); G. Koch - H. Sichtermann, Römische Sarkophage. Handbuch der Archäologie (1982) 138ff. 390ff.
[9] Vgl. etwa die Tracht der als Vertreterin Alexandrias aufgefaßten Figur und die in "westlichem Gewande" erscheinenden Figuren der sog. Ährenkorbplatte: Oberleitner a.O. 83f. Nr. 69 Abb. 63; 85f. Nr. 73 Abb. 65.
[10] Eine Anlehnung an Bildnisse von Amazonen oder porträthafte Züge sind nicht nachvollziehbar.
[11] BMC 25 Arabia, Mesopotamia, Persia (1922) S. LXXXVIIII; 82ff. Taf. XII 3 - XIII 5.
[12] Vgl. beispielsweise M. Alram, Stand und Aufgaben der arsakidischen Numismatik, in: J. Wiesehöfer (Hrsg.), Das Partherreich und seine Zeugnisse. Kolloquium Eutin 1996, Historia Einzelschriften 122 (1998) Taf. 2, 18 - 24 (Orodes II.); Taf. 3, 26 (Phraates IV.).
[13] L. Summerer, Das pontische Wappen. Zur Astralsymbolik auf den pontischen Münzen, Chiron 25, 1995, 305ff. sieht Mondsichel und Stern als Symbol des Mondgottes Mên, dem eine anatolische Herkunft konstatiert wird, ebenda 306 mit Anm. 22.
[14] M. Sapelli, Provinciae fideles. Il fregio del tempio di Adriano in Campo Marzio (1999) 28ff. (Scythia?); 32ff. (Parthia?); 36ff. (Phrygia); 40ff. (provincia orientale).
[15] P.L. Strack, Untersuchungen zu römischen Reichsprägungen des zweiten Jahrhunderts n.Chr. II. Die Reichsprägung zur Zeit des Hadrian (1933) 152ff. Taf. XII 708-726; ders., a.O. II. Die Reichsprägung zur Zeit des Antoninus Pius (1937) 39ff. Taf. IX 771-797.
[16] Da jeder Fluß letztlich einem Meeresgewässer zuströmt, ist die von E. Diez angeführte Argumentation für die Stadt Ephesos mit dem Flußgott Kaystros, dessen Attribute Delphin und Seetier auf das ägäische Meer deuten, nicht zwingend: Diez a.O. 218.

© Alice Landskron
e-mail:
alice.landskron@univie.ac.at

This article will be quoted by A. Landskron, Zur Vexillumträgerin auf dem sog. Partherdenkmal von Ephesos, Forum Archaeologiae 22/III/2002 (http://farch.net).



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