Forum Archaeologiae - Zeitschrift für klassische Archäologie 22 / III / 2002

KONSERVIERUNG EINES FIGURALEN GLASBECHERS DER SAMMLUNG DES INSTITUTS FÜR KLASSISCHE ARCHÄOLOGIE DER UNIVERSITÄT WIEN

Im WS 2001/02 konnten im Zuge einer Lehrveranstaltung des Institutes für Konservierungswissenschaften und Restaurierung-Technologie, o.Prof. Mag. Dr. Gabriela M. Krist, der Universität für angewandte Kunst Wien, im Fachbereich Bodenfunde Glasobjekte der Grabungen Tulln (Abb. 1) und Mauerbach sowie aus dem Museum Carnuntinum und aus der Sammlung des Institutes für Klassische Archäologie Wien konserviert werden. Die während des Semesters diskutierte Konservierungsproblematik von Glas sowie die praktizierten Erhaltungstechniken sollen hier mit dem Beispiel "figuraler Glasbecher der Sammlung des Institutes für Klassische Archäologie Wien" zusammengefaßt werden.



Glaskorrosion [1]
An den Gläsern konnten die unterschiedlichsten Korrosionsformen und -stadien beobachtet und festgestellt werden (Abb. 2): überwiegend irisierende Flächenverwitterung, häufig Oberflächenrißverwitterung und vereinzelt Tiefenrißverwitterung lagen einerseits z.B. bei den Tullner Grabfunden noch unberührt, in der während der Bodenlagerung entstandenen Werkstoffveränderung mit anhaftender Erde verpacken vor, andererseits waren aber auch Zwischenstadien, Gläser aus Mauerbach, und bis zu bereits völlig auf den "gesunden Glaskern" abgeräumte Objekte, logischerweise unter den Altbeständen aus dem Museum Carnuntinum und der Sammlung des IKA, zu bearbeiten.
Von der befundeten Verfallvielfalt ausgehend, ergab sich für die Studentinnen ein umfangreiches Konservierungsprogramm mit erhaltungstechnisch notwendigen sowie ästhetisch wünschenswerten Eingriffen zur praktischen Durchführung. Noch vorhandene, unterschiedlich lose anhaftende, irisierende Glasverwitterungsprodukte wurden prinzipiell versucht durch Vorfestigung mit Acrylharz (Paraloid B-72 in Aceton 5-10%) zu erhalten.
Die Suche nach einem geeigneten Präventivschutz vor zukünftigem Verfall durch Luftfeuchtebeeinflussung blieb allerdings vorerst erfolglos - dieser konservierungstechnisch wichtigen Forderung kann nur unzureichend mit einem abschließenden Acrylharzüberzug (Paraloid B-72 in Xylol 5%) und mit der weiter nicht beeinflußbaren Empfehlung, die Gläser bei entsprechend niedriger Luftfeuchte von 45-55% RF, "kranke" Gläser unter 40% RF, aufzubewahren, begegnet werden.

Reinigung [2]
Die Reinigung der Glasoberflächen erfolgte mit Watte, Alkohol und Skalpell. Lose Verwitterungsschichten wurden, wie schon erwähnt, vorfixiert. Wasser kam nur in Ausnahmefällen, bei völlig verwitterungsfreien Gläsern, zum Einsatz. Endziel der Reinigung war nicht die völlige Wiederherstellung der Transparenz durch radikales Abtragen der Glaskorrosion - individuell vorgehend, wurden bewußt von Glas zu Glas unterschiedliche Transparenzstufen, nämlich die vom Erhaltungszustand möglichen, erzielt.


Kleben [3]
Zum Kleben der zahlreichen Fragmente kam die langläufig bekannte Infiltrationsklebetechnik zur Anwendung. Allerdings wurden zur Schonung der Glasoberflächen beim Zusammenbauen der Objekte Metallklammern mit leichter wieder entfernbaren Wachskittungen fixiert (Abb. 3), und/oder überhaupt mit Wachsbrücken sowie Tesabändern gearbeitet. Als weitere Verbesserung ist die Verwendung von UV-lichthärtenden Klebestoffen (z.B. Acrylsäure-Ester, Conloc UV 665) an Stelle von Epoxidharz (z.B. AY 103, HY 956) zu beschreiben: nicht nur die Arbeitszeiten verkürzen sich dabei wesentlich, außerdem ist auch ein viel genaueres und letztlich leichteres Kleben möglich. Die Reversibilität in Dichlormethan bei beiden genannten Klebern ist erprobt und bei Fehlklebungen wiederholt regelmäßig angewendet worden.


Ergänzen [4]
Fehlstellen wurden mit Wachs abgedeckt und mit entsprechend pigmentierten Epoxidharz (AY 103, HY 956, Farbpasten) durch Injizieren oder im steigenden Guß gefüllt.

Museal präsentable Montage
Der figural in Tiefschnittechnik verzierte Glasbecher aus der Sammlung des IKA war einerseits auf Grund seiner besonderen Herstellungstechnik andererseits auf Grund seines leider fragmentarischen Erhaltungszustandes über die Konservierung und Klebung der aneinander passenden Fragmente hinaus restaurierungstechnisch als Sonderfall zu behandeln. Da nicht mehr alle Fragmente Brauch an Bruch zusammenpassen und sich keine zusammenhängende Bechergrundform mit den Originalscherben herstellen läßt, erfolgte, um die Darstellung besser präsentieren zu können, eine Montage der einzelnen Komplexe auf einem nach der Innenwandkrümmung geformten Kunststoffbecher (Abb. 4-7).

[1] V. Koesling, Vom Feuerstein zum Bakelit, AdR-Schriftenreihe zur Restaurierung und Grabungstechnik 5/6, 1999, Kap. 18, bes. 241f. 247f.; H. Kühn, Erhaltung und Pflege von Kunstwerken und Antiquitäten, 1981, 266ff., bes. 305ff.; R. Richter, Die Festigung der Emailpretiosen im Grünen Gewölbe, Restauro Heft 6, 2000, 447ff.; G. Weiß, Reclams Handbuch der künstlerischen Techniken 3 (1997) 7ff., bes. 24; R. Wihr, Restaurieren von Keramik und Glas (1977) 150ff., bes. 178ff.
[2] Kühn a.O. 312; Wihr a.O. 192.
[3] E. Sander-Conwell - K. Schmidt-Ott, Vergleichende Untersuchungen zu UV-härtbaren Glasklebestoffen, Arbeitsblätter für Restauratoren, Gruppe 5, Heft 1 (1993) 67ff.
[4] Chr. Eckmann, Ein schnellhärtender Silikonkautschuk auf Vinylpolysiloxan-Basis als Manschettenmaterial bei Ergänzungen von Gläsern, Arbeitsblätter für Restauratoren, Gruppe 5, Heft 1 (1995) 72ff.; K. Schmidt-Ott, Einfärbung von Glasergänzungsmaterialien - ein Vergleich, Arbeitsblätter für Restauratoren, Gruppe 5, Heft 1 (1996) 77ff.

© Ursula Egger, Petra Süß (Studentinnen der Fachbereichs Bodenfundkonservierung, WS 2001/02)
Hanna Grabner, Heike Marius, Maria Milcin, Britta Schwenck (Studentinnen des Nebenfachs Bodenfundkonservierung, WS 2001/02)
Karl Herold (Lehrbeauftragter)
e-mail:
mailbox@oeai.univie.ac.at

This article will be quoted by K. Herold et al., Konservierung eines figuralen Glasbechers der Sammlung des Instituts für Klassische Archäologie der Universität Wien, Forum Archaeologiae 22/III/2002 (http://farch.net).



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