Forum Archaeologiae - Zeitschrift für klassische Archäologie 14 / III / 2000 |
Abb. 1: Steinerkirchen a. T., Pfarrhof, Fragment (Photo P. A. Kraml OSB, Stift Kremsmünster)
Seine Einordnung als römisch lag insofern auf der Hand, als 1919 am östlichen Talhang gegenüber der Kirche von Steinerkirchen zwei römische, ins frühe 2. Jahrhundert datierbare Grabsteinfragmente - eines davon mit einem Doppelporträt eines Ehepaares - gefunden worden waren; sie sind heute in der Vorhalle der Kirche zu sehen [2]. Im Frühjahr 1999 wandte sich Pfarrer Dr. P. Gregor Humer OSB daher an Prof. Dr. Fritz Krinzinger vom Österreichischen Archäologischen Institut der Universität Wien, mit der Frage, ob das 1993/94 gefundene "Köpfchen" tatsächlich römisch sein könnte. Krinzinger leitete die Unterlagen, nach seiner Stellungnahme "negativ", an die Autorin weiter, die als gelernte Mediävistin das Problem rasch lösen konnte (die Fachfrau lächelt!): Es handelt sich mit Sicherheit um ein Werk des 13. Jahrhunderts, das einen geläufigen Typus vertritt, der trotz seines fragmentarischen Zustands unschwer erkennbar ist. |
Abb. 2: Steinerkirchen a. T., Pfarrhof, Fragment: weiblicher (?) Kopf (Photo P. A. Kraml OSB, Stift Kremsmünster) |
Bedauerlicherweise ist es mir folglich nicht möglich, meinem Kollegen Dr. Friedrich Brein, einen Beitrag über ein Werk der klassischen Antike als Geburtstagsgeschenk zu Füßen zu legen, doch kann das Ins-Netz-Stellen meines Beitrags über ein mittelalterliches Werk im Rahmen der Festschrift Brein damit gerechtfertigt werden, daß das "Köpfchen" in den Jahren zwischen seiner Auffindung und der hier publizierten Analyse als antik angesehen wurde. Und zudem muß gesagt werden: Fritz Brein ist selbst schuld, daß das Stück nun nicht mehr in seine Festschrift paßt, denn er hat am Anfang meines Studiums Mitte der 70er Jahre in zahlreichen Vorlesungs- und Übungsstunden mein Interesse für die Ikonographie der Klassischen Kunst geweckt, was sicherlich dazu beitrug, daß ich in meiner wissenschaftlichen Arbeit als Kunsthistorikerin in der Folge einen Schwerpunkt bei inhaltlichen Fragen setzte und setze. Für diese von ihm empfangene Anregung und seine jahrzehntelange Freundschaft sei dieses Analyschen ein kleines "Dankeschön".
Abb. 3: "Die Sphinx von Fischlham" (Rekonstruktion der Verf., basierend auf Abb. 1)
Abb. 4: Nürnberg, Germanisches Nationalmuseum, Löwe aus dem Wiener Schottenstift, nach 1240 (Photo Germanisches Nationalmuseum Nürnberg) |
Vom Typus her vergleichbare Stücke sind aus dem Hochmittelalter in großer Zahl erhalten. Beim Exemplar in der Salzburger Franziskanerkirche (nach 1220), das dort bei der Kanzel aufgestellt ist [3], sowie bei jenem in der Umfassungsmauer des Stiftes Admont in der Steiermark (nach 1200) [4] ist der Mensch als ganze Figur wiedergegeben. Unserem Fragment aus St. Georgen steht das aus der Wiener Schottenkirche stammende, seit 1935 im Germanischen Nationalmuseum in Nürnberg verwahrte Exemplar (nach 1240) näher, wo der Löwe bloß einen - den ganzen Menschen repräsentierenden - Kopf zwischen seinen Pranken hält (Abb. 4) [5]. Der Löwe bedroht dort mit seinem geöffneten Maul den Menschen, ähnlich könnte sich auch sein Kollege aus dem Schauertal verhalten haben. |
Großformatige Skulpturen dieses Typs konnten im Kircheninneren (Admont?), unter anderem vor dem Lettner positioniert sein (Salzburg, Franziskanerkirche?) oder - nach italienischem Vorbild - als Portallöwen fungieren (Wien, Schottenkirche?; Salzburg, Franziskanerkirche?). Weiters finden sie sich am Ostabschluß von Kirchen; beispielsweise sind an der südlichen Nebenapsis des Doms von Alba Iulia (Rumänien) unterhalb des Mittelfensters zwei symmetrische Löwen dargestellt, die ein Rind reißen (vor 1241) [6]. Kleinere Exemplare treten in der Zone des Rundbogenfrieses, der den Baukörper unterhalb der Traufe abschließt, auf (Gurk, Dom, Hauptapsis; vor 1220) [7]. Gelegentlich sind sie auf der Deckplatte des Dienstkapitells positioniert; dies trifft beispielsweise auf die beiden Psychomachie-Gruppen an der nördlichen Nebenapsis des Domes von Alba Iulia zu (Abb. 5). Die Kleinheit und die vollplastische Durchbildung unseres Exemplars läßt an eine derartige Verwendung denken. | Abb. 5: Alba Iulia, Dom, Nordapsis, Detail (Photo Verf.) |
[1] P. G. Humer - J. Sturm, Kirchenführer "Fischlham, Steinerkirchen an der Traun, St. Georgen im Schauertal" (Ried i. I. 1998) 30.
[2] Ebenda 9.
[3] H. Fillitz (Hrsg.), Geschichte der bildenden Kunst in Österreich, Bd. I: Früh- und Hochmittelalter (München 1998) Nr. 131 (F. Dahm).
[4] Ebenda Nr. 129 (ders.).
[5] Ebenda Nr. 138 (ders.).
[6] A. Merhautová, Romanische Kunst in Polen, der Tschechoslowakei, Ungarn, Rumänien, Jugoslawien (Wien-München 1974) 255.
[7] F. Novotny, Romanische Bauplastik in Österreich (Wien 1930) Abb. 60.
[8] J. Sturm, Die gotischen Wandmalereien von St. Georgen im Schauertal, in: 30. Jahrbuch des Musealvereines Wels (1993/94/95) 299ff.; dort m.E. etwas zu früh (Ende 14. Jh.) angesetzt.
[9] Humer - Sturm a.O. 31.
© Martina Pippal, Wien
e-mail: martina.pippal@univie.ac.at
This article will be quoted by M. Pippal, Die Sphinx von Fischlham, in: Altmodische Archäologie. Festschrift für Friedrich Brein, Forum Archaeologiae 14/III/2000 (http://farch.net).